19. Oktober 2019

Geboren in Lettland

Es war eine juristische Spitzfindigkeit, geboren aus der hitzigen Diskussion um die Einbürgerung von Russischsprachigen in Lettland, die keine Staatsbürger/innen Lettlands sind oder sein wollen: wer in Lettland geboren wird, war bisher von der Entscheidung der Eltern abhängig, ob eine lettische Staatsbürgerschaft zuerkannt wird oder nicht - wenn die Eltern lieber einen Nichtstaatsbürgerpaß behalten wollen, als Sprachprüfungen und andere Mühsal auf sich zu nehmen, dann konnten sie auch bisher bestimmen, dass ihr Kind ebenfalls keine lettische Staatsbürgerschaft bekommt. Von freiem Willen des Kindes kann ja bei Neugeborenen noch keine Rede sein.

Nun wird das anders: am 17. Oktober beschloss das lettische Parlament, die Saeima, mit den Stimmen von 60 der 100 Abgeordneten, diese bisherige Regelung abzuschaffen; ab dem 1. Januar 2020 bekommen alle in Lettland geborenen Kinder automatisch die Staatsbürgerschaft Lettlands zuerkannt (lsm/saeima). Eine Ausnahme gibt es allerdings noch: wenn die Eltern entscheiden, dass ihr Kind die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes - zum Beispiel Russland - bekommen soll, dann wird dem entsprechend verfahren. Doppelte Staatsbürgerschaften sind in Lettland weiterhin die große Ausnahme.

In der Praxis wird die neue Regelung voraussichtlich jedoch nur geringe Auswirkungen haben, bzw. wenige Kinder betreffen: im Jahr 2016 47 Kinder, im Jahr 2017 waren es 51 Kinder. Im Jahr 2018 betraf es 33 Kinder. In den vergangen fünf Jahren waren es etwa 300 Neugeborene, die nicht zu Staatsbürgern wurden, da ihre Eltern diese bereits bestehende Option nicht wahrnahmen. Nun wird es also nur noch zwei Möglichkeiten geben: wer nicht bei Geburt die Staatsbürgerschaft eines anderen Landes bekommt, wird Lette bzw. Lettin.

Der Anstoss zur Neuregelung war noch von Präsident Vejonis gekommen, der bis Juli 2019 im Amt war, dessen Vorschläge aber das bis zur Wahl am 6.Oktober 2018 im Amt befindliche Parlament immer abgelehnt hatte. Zuletzt war die Regelung für in Lettland Neugeborene 2013 erleichtert worden: bis dahin war noch die Zustimmung beider Eltern verpflichtend vorgeschrieben, um einem Kind die lettische Staatsbürgerschaft zusprechen zu können.

Die Zahl der Einwohner Lettlands mit dem "Ausnahmestatus", im Besitz eines Passes der Republik Lettland zu sein, mit dem dann aber der Status des sogenannten "Nichtstaatsbürgers" festgeschrieben ist, sinkt seit Jahren. 1995 waren es noch 731.078 Personen, im Jahr 2000 582.175; 2019 sind es noch 205.565 Menschen (csb) der inzwischen 1.919.986 Einwohner. Teil dieser Einwohnerschaft sind heute noch 60.896 Bürger eines anderen Staates (also Ausländer, davon 41.480 mit russischem Pass), und 164 tatsächlich "Staatenlose" - also Menschen ohne Pass irgendeinen Landes.
Der Anteil lettischer Staatsbürger an der Gesamtbevölkerung beträgt gegenwärtig 86,11%, der Anteil ethnischer Lett/innen unter den Einwohnern beträgt 62,32%.

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