8. März 2019

17 Ziele für 17 Stunden

17 Ziele rief Bremen am 4.+5.März 2019 zum Thema einer Konferenz aus; es sind die 2015 von den Vereinten Nationen (UN) ausgerufenen Ziele zur nachhaltigen Entwicklung, oder auch, englisch abgekürzt, "SDGs". Es ist ein so breites Themenspektrum, dass es eigene Programme dafür gibt, diese Ziele Unwissenden oder Interessierten in möglichst einfacher Sprache zu erklären. "Nachhaltig", das klingt zunächst mal nach Umwelt und Naturschutz. Vor allem aber geht es hier um Zusammenhänge: zwischen Hunger und gesellschaftlichem Frieden, zwischen Konsumverhalten und Stadtentwicklung, zwischen Bildung und menschenwürdiger Arbeit, oder zwischen sauberem Wasser und bezahlbarer und sauberer Energie. Nur zusammen sind wir stark - dieser Satz prägte so manche Rede von Politiker/innen und verantwortlichen Organisatoren.

Einigkeit in den vordersten Gästereihen:
Schuster, Grantz, Hiller, Sieling, Maas (alle SPD)
Gleichzeitig nannte sich die Veranstaltung auch "Städtepartnerkonferenz" - rund 250 Teilnehmer/innen sollen es gewesen sein. Bremen suchte bei den Einladungen alles hervor, was nur irgendwie Partnerschaftsbeziehungen oder Kontakte mit der Hansestadt hat: von den "Vernetzungspartnern" Oldenburg und Groningen, über einer "Stadtteilpartnerschaft" von Bremen-Hemelingen mit der arabischen Stadt Tamra in Israel, bis hin zu den offiziellen Städtepartnerschaften wie Kaliningrad (mit Bremerhaven), Durban in Südafrika, Izmir in der Türkei, oder Dalian in China. Und eben Riga. Wie schon 2016 stellte auch diesmal die lettische Hauptstadt eine Delegation.

Was aber kann hier als Ergebnis erwartet werden? Glaubt man den Pressemeldungen der Organisator/innen, gab es viele praktische Ansätze und Ideen. Vor allem SPD-nahe Medien berichten ausgesprochen positiv (Vorwärts / Demo). Regionale Bremische Medien konzentrieren sich auf die bunte Vielfalt der Gäste (Weserkurier). Berichte der traditionellen entwicklungspolitischen Organisationen wiederum klingen so, als sei in erster Linie deutsche Aufbauhilfe für arme Länder zu leisten. Aber ist damit schon der notwendige Arbeitsansatz erfasst, oder wenigstens ausreichend beschrieben?

Nun wurde ja allerdings der Umweltschutz nicht erst 2015 erfunden - aber die Delegation aus Riga erklärte offen: wir sind da erst ganz am Anfang. Aus Bremens Partnerstadt wurden nette Bildchen aus der Rigaer Altstadt präsentiert, garniert vom "grandiosen" Sieg bei der Eurovision 2002. Als dann auch die Freiheitsstatue ins Bild kam, sah sich die Moderatorin, eine Radio-Bremen-Journalistin, veranlasst zu fragen: "Hat die Freiheitsstatue aus eurer Sicht etwas mit den nachhaltigen SDG-Zielen zu tun?"

Nein, die Rigenserinnen hätten es diesmal in Bremen sehr viel leichter haben können, einen positiven Eindruck von Riga bei den Konferenzteilnehmer/innen zu hinterlassen. Da zeigte doch das chinesische Dalian schöne Bildchen von frisch neu gebauten Fahrradstraßen - allerdings ohne einen einzigen Radfahrer darauf. Da hätte Riga sagen können: wir haben bei uns inzwischen schon einen Fahrradboom!
Oder: bei den deutschen Gastgebern wäre vielleicht von Interesse gewesen was passiert, wenn in Riga mal Wetterbedingungen drohen endlose Verkehrsstaus auszulösen: es werden kostenlose ÖPNV-Tickets verteilt. So hätte man sich - im Umkehrschluss - vielleicht internationale Ratschläge abholen können, wie die totale Pleite des staatlichen ÖPNV-Unternehmens verhindert werden kann.

Medien-Workshop
Ja, die Organisator/innen der Konferenz haben sich redlich Mühe gegeben, den bunten Korb von Erwartungen und Wünschen in ein Format mit positiver Ausstrahlung zu packen. Allerdings erscheint es unverständlich, dass auch bei der zweiten Konferenz dieses Formats die Zivilgesellschaft verzichtbar erscheint. Hauptsache ist wohl weiterhin: unsere Partner kommen überhaupt nach Bremen. Obwohl das Konzept den intensiven Austausch mit der Zivilgesellschaft, ja sogar die Kooperation zwischen Staat und NGOs verkündet - wurde es zumindest mit Riga nicht mal versucht umzusetzen. Zum zweiten Mal nahmen aus Riga ausschließlich Angestellte der Rigaer Stadtverwaltung teil. Vielleicht kommt daher auch das Bekenntnis, man sei erst am Anfang des Überlegens, was die UN denn wohl 2015 beschlossen habe.

Die Bremer Partnerschaftskonferenz hat sich also vieler Möglichkeiten selbst beraubt. Konsequenterweise wurde von den Teilnehmer/innen auch keinerlei Abschlusserklärung beschlossen, sondern man ging - mehr oder weniger - grußlos auseinander. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Einerseits stand für die angesetzten Workshops jeweils viel zu wenig Zeit zur Verfügung; es kann ja zum Beispiel nicht von "World Cafe" die Rede sein, wenn nicht mal in einer Arbeitsgruppe von fünf Leuten Zeit genug war dass jede/r sich der/dem anderen mal kurz vorstellt. Andererseits war diesmal viel Zeit für Besuche Bremischer Einrichtungen vor Ort reserviert - nach Auskunft der Gäste ein durchweg positives und interessantes Erlebnis.

Workshop mit Werder-Bremen-Trainer
Eines muss noch erwähnt werden: die Rede von Frank Imhoff, derzeit Vizepräsident der Bremischen Bürgerschaft. Einerseits fiel inhaltlich auf, dass Imhoff sich bemüßigt sah, die Initiative von Greta Thunberg deutlich positiv hervorzuheben - ohne allerdings im Publikum damit Beifall erhaschen zu können. Und dann schien mir Imhoff der einzige Beteiligte zu sein, der nicht der SPD angehört - selbst Bremische Lokalpolitiker/innen des sonstigen Parteienspektrums wurden auf der Städtepartnerkonferenz nicht gesehen. Oder, sagen wir es umgekehrt: die Veranstaltung, mit dem Glanz eines Aussenminister-Besuchs an der Spitze, passte sehr gut in den derzeit laufenden doppelten Wahlkampf (Bürgerschaft + Europa).

UN-Ziele und Stadtmusikanten-
Sommer: eine naheliegende
Bremische Verbindung
Nach etwa 17 Arbeitsstunden zerstreuten sich die Teilnehmer/innen. Über Pläne, in zwei Jahren die nächste, ähnliche Konferenz zu veranstalten, ebenfalls in Bremen, konnte man nur in den deutschsprachigen Medien lesen. Der rote Faden derartiger Veranstaltungen scheint jedoch auch im zweiten Anlauf noch nicht wirklich gefunden zu sein. Vielleicht sind 17 Ziele zu viel? Im Medienworkshop tauchte kurz sogar ein 18. Ziel als erstrebenswert auf: das der Partizipation (Bürger/innen als partizipierende Teilnehmende am Medienbetrieb). Unter dem Dach der von der UN bereits beschlossenen Ziele herrscht vielleicht eine Spur zu großer Selbstverständlichkeit. Arbeiten wirklich alle für dieselben Ziele? Zumindest die Rahmenbedingungen sind ja jeweils deutlich unterschiedlich. An dieser Diskussion muss wohl auch zwischen Bremen und Riga noch deutlich gearbeitet werden.

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