Vielleicht ein glücklicher Zeitpunkt: in den vergangenen Jahren ist Radfahren in der lettischen Hauptstadt - trotz fehlender Radwege, verstopften Straßen zur Hauptverkehrszeit, unfreundlichen Autofahrern - wieder mehr in Mode gekommen. Teilweise durch finanzielle Schwierigkeiten, sich ein Auto leisten zu können, durch Fahrradfestivals, aber auch das Eingeständnis einer ganzen Reihe bekannter lettischer Persönlichkeiten: ich fahre Rad! Neuerdings lässt auch die Straßenbahn Radmitnahme zu, und die Stadt überlegt durch seitliche Abgrenzungsstreifen an den großen Durchfahrtsstraßen mehr Sicherheit für Radler zu schaffen.
so sah es noch vor ein paar Jahren aus: verwaschene Hinweise auf Leutners alte Produktionsanlagen |
Ursprünglich war es der Deutschbalte Alexander Leutner (1864-1923) gewesen, der nicht nur in Riga, sondern im gesamten damaligen russischen Reich als erster eine Fahrrad-Serienproduktion aufnahm (später auch Mopeds) - bis zum Ausbruch des 1.Weltkriegs. 1927 hatte dann Gustav Ehrenpreiss in Riga seine "Velociped-Fabrik" gegründet und fabrizierte in den Räumlichkeiten an der Čaka iela bis zum Ausbruch des 2.Weltkriegs bis zu 40.000 Räder im Jahr. Nach Kriegsende standen die Hallen zunächst leer, denn die Einrichtung war nach Deutschland transportiert worden. Dann startete am selben Platz "Sarkana Zvaigzne" (Roter Stern) und es entstanden am selben Ort zunächst Fahrräder, ab 1961 nur noch Mopeds ("Gauja" oder "Spriditis", mit Jawa-Motoren). Vielleicht nicht ganz so schick wie in Westeuropa, und in wenigen Modellvarianten, aber solide. Und wer heute noch so ein Stück besitzt, der zeigt es wieder gerne vor (andere müssen die guten Stücke im "Motormuzejs" anschauen).
Frisch geliefert, ab sofort aus dem Stall "Ērenpreiss": die edle "Paula", ganz in Weiß |
Soweit, so gut. Bleibt nur noch, die interessierte Käuferschar auch auf die richtigen Räder zu bringen. Denn während die Riga-Touristen durchaus mal ein, zwei Stunden auf gut gefederte, bequemen Leihrädern unterwegs sind, haben junge lettische Radfans längst erkannt, dass es sich vorläufig nicht lohnt, auf ähnlich gut geteerte Roll-Unterlagen wie in anderen europäischen Hauptstädten zu warten. Nein, die Schotterstraßen, hohen Bordsteine, oder schlammigen Wiesen und Wälder, die ein lettischer Radler bisher bei seinem Tun vorfindet, verlangen einfach mehr nach BMX-Modellen, Mountainbikes oder ähnlichen breitreifigen Gerätschaften. Oder nach Gebrauchträdern einfacher Art, für die Fahrt zur Arbeit.
Wie also für die oldie-trendigen edlen Neuräder aus Rigaer Produktion werben? Nun, einerseits indem besonders betont wird, dass ein Fahrrad ein typisch "lettisches Traditionsprodukt" sein kann: schon zu goldenen "Leutners" ("Leitners") oder "Alt-Ehrenpreiss"-Zeiten habe es über 70 lettische Zulieferbetriebe gegeben - so haben es die neu gestarteten Jungunternehmer des Jahres 2012 nachgezählt. Ähnliches lässt sich auch in der Buchdokumentation "No Leitnera līdz Ērenpreisam" wiederfinden.
Zweite Maßnahme: ein eigenes Festival erfinden! Seit 2009 organisiert Ērenpreiss in Liepaja und Riga eine "Tweed-Tour" - eine Radtour im edlen Zwirn also. Es besteht kein Kleidungszwang, aber der Versuch ist deutlich: ein geändertes Image nach der Art, dass schicke Fahrräder auch besser gekleidete Radler/innen vertragen, könnte der Vielfalt der Radlertrends dienlich sein.
Na, dann auf in die neue Saison!
Ērenpreiss Webseite
Infoseite zum historischen "Leutner"-Militärfahrrad (engl./russ.)
Programm Fahrradwoche Riga 22.April bis 5,Mai / "Tweed-Tour" 2012
Kurland-Rallye mit Leutner-Rädern (engl.)
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