So sehen die Satiriker bei TVNET die Vorwahlsituation : "diesmal bevorzugen wir Lembergs" wird Konzernchef Flick in den Mund gelegt, und Šlesers antwortet: "Ich gebe Dir, Du gibst mir ..." |
Ich möchte zunächst mal außen vor lassen, ob Berthold Flick, der 1995 als Consultant nach Lettland kam, bei der Gründung der Fluggesellschaft mithalf, und 2002 ihr Vorstandschef wurde, irgendwelche strafbaren Handlungen begangen hat (siehe früherer Post). Dafür ist mir das Geschäftsgebaren aller denkbaren Beteiligten zu undurchsichtig, nicht nur in diesem Fall. Weder lettische, russische, deutsche oder andere Menschen mit Geld, die meinen genug Bares übrig zu haben, um mit einer nationalen lettischen Fluggesellschaft Geld verdienen zu können sollte ideele Ziele unterstellt werden - Idealisten werden in Lettland zerrissen, ökonomisch wie politisch. Wahrscheinlich glauben einige, Lehren gezogen zu haben aus "dem Kapitalismus", so wie Lettland ihn nun ertragen musste. Bewundert werden meist entweder diejenigen, die schnellstmöglichst ohne Rücksicht auf Verluste zu Geld kommen (und damit auch in die Klatsch- und Neidspalten der Yellowpress). Oder es sind die immer neuen "Helden", vorgeben Lettland retten zu wollen - die "starken Männer", deren Stern aufgeht und schnell im Streit der Menschen untereinander wieder verglüht.
Deutsche als Krisengewinnler?
Aktuell geht es darum: AIR BALTIC ist in der Krise. 52,6% der Aktien werden noch vom lettischen Staat gehalten, 47,2% gehören der "Baltic Aviation Systems" (BAS), 0,2% der russischen TransAero. Anteilseigner bei BAS wiederum ist zur Hälfte Flick, zur anderen Hälfte eine auf den Bahamas registrierte Firma "Taurus Asset Management Fund Limited", die laut lettischer Presse dem russischen Milliardär Vladimir Antonov zugeschrieben wird.
Wie das lettische Verkehrsministerium inzwischen offiziell zugeben musste, belaufen sich die Verluste bei Air Baltic für 2010 auf 34,2 Millionen Lat (etwas mehr als 50 Millionen Euro). Die BAS ihrerseits wirbt auf ihrer Internetseite immer noch mit den 14,2 Millionen Euro Profit, der ausgerechnet im Krisenjahr 2009 eingestrichen wurde (vielleicht dank der Pleite der Konkurrenz von "Lithuanian Air"?). Etliche Vorgänge seitdem lassen darauf schließen, dass sich Flick aus diesen guten Jahren gute Gelder selbst zukommen ließ (= international übliches Lohnniveau von Spitzenmanagern), und es nun anderen überlässt, ob die notwendigen zusätzlichen Gelder aufgebracht werden können. Nach kurzem Zögern erklärte sich die Regierung Dombrovskis bereit, AIR BALTIC finanziell zu unterstützen - was zusätzliche Staatsschulden für ein Land bedeuten muss, das selbst erst vor kurzem vor der Pleite durch internationale Geldgeber gerettet werden musste.
ein Foto aus alten Zeiten: Flughafen Riga 1995 |
Als die BAS 2008 die Aktienanteile kaufte, wurde der bestehende Aktionärsvertrag leicht geändert - wiederum unterschrieben von Šlesers. Einer der Punkte war, dass nun der private Anteilseigner - nämlich Flick - Vorstandsvorsitzender eines Vorstands werden konnte, der nur aus der Person Flick besteht. Der von Šlesers unterschriebene Vertrag billigte Flick auch weit größere Vollmachten zu als zuvor: bis zu einem Vertragswert von mehreren Millionen Euro brauchte Flick nun seinen staatlichen Partner gar nicht mehr zu fragen - zum Beispiel ob neue Flugzeuge angeschafft werden. Seitdem kann Flick allein fast alle Vorschläge auf Änderung dieser Verhältnisse abblocken - denn dazu müssten beide Anteilseigner zustimmen. In Deutschland dagegen tat Flick einiges, um ein gutes Image aufzubauen: 2009 wurde die lettische Airline zum offiziellen Partner des deutschen Bundesverwaltungsamtes - ein Abo auf Dienstreisen, sozusagen (BizTravel). Und "die Welt" pries Flick in einem ausführlichen Interview zur gleichen Zeit als "Mann, der die Zeichen der Zeit erkannt" habe, und interpretierte sein Wirken als "Liebeserklärung an Lettland" (Die Welt, 5.7.09).
Neuerdings versuchte Regierungschef Dombrovskis prüfen zu lassen, ob Šlesers mit seiner Unterschrift unter diesen Vertrag den Interessen Lettlands zuwider gehandelt hat. Die Stellungnahme der lettischen Staatsanwaltschaft dazu ist bisher geheim geblieben, aber alles deutet darauf hin dass es keine Gerichtsklage dagegen geben wird.
Werbung am Flughafen - immer eine gute Markenpositionierung |
Das verkaufte Logo
Ein für die lettische Seite schmerzlicher Punkt ist weiterhin ein Vertrag vom 22.12.2009 (also ebenfalls im Krisenjahr), mittels dessen (ohne Widerspruch der damaligen staatlichen Vertreter im Aufsichtsrat) BAS für 13 Millionen Euro die Rechte an der Marke "AIR BALTIC" erhielt. Wie Flick sagt: um die Firma aus finanziellen Schwierigkeiten zu retten, der Rückkauf könne jederzeit stattfinden - die staatlichen Vertreter dagegen behaupten, der Vertrag sei nur aufgrund einer mündlich vorgetragenen Präsentation geschlossen worden. Noch am gleichen Tag schlossen BAS und AIR BALTIC dann einen Lizenzvertrag, der eine Lizenzgebühr in Höhe von 0,7% des Firmenumsatzes vorsah - ca. 140.000 Euro im Monat. Der lettischen Öffentlichkeit wurde dies erst im Herbst des Folgejahres bekannt, als die Jahresbilanz vorgelegt wurde. Eine der angebotenen Rückkaufvarianten würde zur Folge haben, dass der Staat seine Mehrheit der Aktienanteile verlieren würde. 2010 ging AIR BALTIC dann gegen den Rigaer Flugghafen vor Gericht. Eingeklagt werden sollten die angeblichen Verluste, die durch die Gewährung günstiger Bedingungen an die Billigfluggesellschaft RYANAIR entstanden seien. Im Gegenzug verlangte der Flughafen die Begleichung von angeblichen bisher nicht bezahlten Dienstleistungen. AIR BALTIC wandte sich auch an das lettische Anti-Korruptionsbüro (KNAB) wegen angeblicher Ausnutzung einer Monopolstellung durch den Flughafen. Im April diesen Jahres schlossen beiden Seiten dann ein "Friedensabkommen", dessen Inhalt nicht bekannt ist - aber AIR BALTIC sicherlich nicht schadet. Kürzlich beschloss die lettische Regierung einerseits, sich um die Fluggesellschaft zu kümmern, sei es auch mit zusätzlichem Geldaufwand. Aber es werden folgende Bedingungen genannt: eine Änderung der bestehenden Vertragstexte, die Bewahrung des Flughafens Riga als Hauptstandort von AIR BALTIC, und: ein Rücktritt von Flick.
Seit einigen Wochen ist das Anti-Korruptionsbüro (KNAB) aber bereits tätig, um weitere Hintergründe dieser Affäre aufzuklären. Eine Untersuchung der Privaträume von Ex-Verkehrsminister Šlesers scheiterte an der fehlenden Zustimmung durch das lettische Parlament - und dieser Vorgang wurde ja bekanntlich zum Auslöser, die Volksabstimmung zur Parlamentsauflösung auszurufen, und zur Grundlage der morgigen Neuwahlen. Der Verdacht: Šlesers halte, ebenso wie die "Oligarchen-Kollegen" Lembergs und Šķēle, heimlich Anteile an BAS. Flick selbst entzog sich den Befragungen vorerst dadurch, dass er vorerst nicht mehr in Lettland auftrat.
Hektische Woche
das aktuelle AIR BALTIC Angebot dieser Woche |
Ex-Minister Šlesers, der mit dem Wahlresultat 2010 sehr viel von seinem vorherigen politischen Einfluß aufgrund der schlechten Wahlergebnisse seiner Partei bereits verloren hatte, versucht die Situation zu nutzen und schreibt einen offenen Brief an den Präsidenten, in dem er die Schuld für die Vorkommnisse "der Entschlusslosigkeit der Regierung Dombrovskis" zuschreibt. Die für den Flugverkehr zuständige Gewerkschaft meldet sich in der Presse mit Vermutungen, AIR BALTIC plane etwa die Hälfte ihrer Angestellten zu entlassen (LAAF / Apollo). Andere lettische Quellen wiederum titeln: "Flick hat Schulden bis über die Ohren, AIR BALTIC ist längst in den Händen des Russen Antonov" (nozare.lv/TVNET/Finanznet).Der Flughafen Tallinn meldet sich mit einer Pressemitteilung: "Auch bei uns hat AIR BALTIC Schulden." (BalticBusinessNews). Der Flughafen Riga gibt bekannt, einige Konkurrenz-Airlines hätte bereits Interesse angemeldet, bisherige Linien von AIR BALTIC zu bedienen. Verbraucherorganisationen sollen bereits Warnungen herausgegeben haben, noch Tickets der lettischen Fluggesellschaft zu kaufen.
1 Kommentar:
Baltic taxi ist erst in zweiter Linie Werbung für die air baltic. Das Taxi ist nicht mit Werbung für die Fluggesellschaft geschmückt, die Firma heißt so, und das ist natürlich kein Zufall.
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