Könnte einem noch einmal auf der Zunge liegen. Lettland wird 11.700 Euro an einen „Kinderschänder“ zahlen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteile Lettland zur Zahlung einer Entschädigung in dieser Höhe an einen ehemaligen Häftling des Gefängnisses in Daugavpils, der ein minderjähriges Mädchen mindestens drei Mal vergewaltigt hatte. Der Gerichtshof sieht es als erwiesen an, daß die Haftumstände unmenschlich waren und Lettland damit gegen die Menschenrechtskonvention verstoßen hat in Punkt 3. über eine menschliche Haft und Punkt 13. über medizinische Hilfe.
Der Leiter des im Volksmund als weißer Schwan bezeichneten Gefängnisses erklärte, es gehe hier vor allem darum, daß die Zellen überfüllt seien und die Gefangenen ihre Notdurft nicht allein verrichten könnten.
11.700 Euro sind für einen Durchschnittseinwohner in Lettland ziemlich viel Geld. Es wird der Bevölkerung schwer zu vermitteln sein, warum gerade ein Verbrecher eine so hohe Summe vom Staat erhält, zumal es sich um jemanden handelt, der sich an einem Kind vergangenen hat. Solche Verbrechen sind auch andernorts geeignet, Stammtische zur Befürwortung der Todesstrafe oder sogar Forderungen nach Lynchjustiz zu animieren.
Die lettische Presse erklärt, daß der Gerichtshof mit diesem Urteil keine Bewertung des Betroffenen abgegeben habe. Das Verbrechen hatte sich vor vielen Jahren in Ventspils ereignet. Der Vater des Mädchen hatte sie zu einem Besuch bei einem Bekannten – wohl dem Täter – mitgenommen und dort mit diesem gemeinsam Alkohol konsumiert. Als er später nach Hause ging, ließ er das Mädchen alleine zurück und warf sich vor einen Zug, nachdem er später aus der Zeitung von der Tat erfahren hatte. Der Täter hatte zwar vor Gericht geleugnet, doch das glaubte dem traumatisierten Teenager und verurteilte den Mann zu zehn Jahren Haft. Seit zwei Jahren ist er wieder auf freiem Fuß.
Theoretisch ließe sich gegen das Urteil in Berufung gehen, doch der Vergewaltiger wird daran wenig Interesse haben. Eine Vertreterin der Regierung erklärte einen eventuellen derartigen Schritt des Staates für aussichtslos, da die Gefängnisse in Lettland über Jahrzehnte nicht renoviert worden seien. Eine Mitarbeiterin des Ombudsmannbüros kommentierte, man lebe schließlich nicht mehr im Mittelalter, wo die Folter in feuchten Räumlichkeiten dazu führe, daß sich die Gefangenen die Tuberkulose einfangen. Ganz im Gegenteil wird von Regierungsseite zugegeben, daß es eine falsche Strategie war, die klagenden Ex-Häftlinge zu entschädigen, statt das Geld in die Renovierung der Gefängnisse zu stecken. Es gebe bereits mehrere ehemalige Häftlinge, die eine entsprechende Klage in Straßburg eingereicht haben.
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