Es ist ein schöner Herbsttag in Riga. Einer von diesen Tagen wenn die Blätter an den Bäumen bereits in bunten Farben leuchten, und gleichzeitig die Sonne die Szenerie noch mit kräftigem Licht beleuchtet. Aber es ist auch Vorwahltag. Traditionell ist in Lettland der Samstag der Tag turnusmäßiger Wahlen, und ebenso traditionell ist es ein Oktobertag.
Vorwahlstimmung wahlkampffrei
Freitag ist also Vorwahltag. Aber dieser Freitag gestaltet sich ganz besonders, da erstmals eine neue Bestimmung Gültigkeit erlangt der zufolge bereits am Vorwahltag sämtliche politische Werbung wieder verschwinden muss. Da hatte bei vergangenen Wahlkämpfen die ausufernde Plakatwerbung genervt, wie auch die verschlungenen und wenig durchsichtigen Wege woher lettische Parteien überhaupt ihre Wahlkampffinanzen herbekommen. Zuerst hatte man "maximale Wahlkampfkosten" festgelegt (und wollte damit eine Begrenzung zwielichtiger Spenden erreichen), schließlich musste man aber in der Vergangenheit feststellen dass wenig zu machen war, wenn im Nachhinein Verstößte festgestellt wurden - das Rennen bei den Wahlkampagnen schienen immer diejenigen zu machen, die keine Kosten scheuen um überall im Straßenbild und in den Medien dominant präsent zu sein.
Mit dem Start des wahlkampffreien Vorwahltages sollten diese Unklarheiten nun ein Ende haben. Zuerst schon bei der Art der Wahlwerbung: "wild plakatieren" schied offenbar ganz aus, denn keine Partei wollte es sich dadurch verderben dass man am Vorwahltag nicht mehr in der Lage wäre die Plakate wieder zu entfernen. Alles lief sehr geregelt ab: an Bushaltestellen, an kommerziellen Werbeaufstellern, an öffentlichen Bussen und auch als "Fahrgastinfo" auch in Bussen, oder an einzelnen Großleinwänden war politische Werbung plaziert, und konnte ebenso geordnet wieder entfernt werden. Die Ruhe vor dem Sturm; oder vielmehr eigentlich sogar:; die Ruhe während des Sturms. Morgen ist Wahl - Riga ist leer.
Ein Vorwahltag ohne Wahlwerbung? Da muss doch was zu machen sein, dachten sich sicher einige. Ist es nicht der Traum jedes Kampagnenleiters, einmal ganz allein den Durchbruch zu schaffen?
Wie das Bild oben zeigt, lassen sich die eigenen Wahlkampfslogans auch gut zur Verschleierung der Werbeabsichten nutzen. Die Listenvereinigung "Par labu Latviju" (für ein gutes Lettland, oder auch "Lettland zu Gute") fand Eishockey-NGL-Star Sandis Ozolins, der sich für derlei politische Zwecke einspannen ließ. Da ist die Trikotnummer zufällig identisch mit der Nummer der empfohlenen Partei auf den Wahllisten. So bietet auch so ein Tag ganz neue Überraschungen. Gibt es eigentlich so einen "wahlkampffreien Vorwahltag" auch in anderen Ländern? Wäre interessant zu wissen ob es ähnlich Blüten treibt.
Nur noch sechs im Rennen
Geredet wird wenige Stunden vor Öffnung der Wahllokale nur noch über sechs Parteien oder Listenvereinigungen, die den Sprung in das lettische Parlament schaffen könnten:
- die konservativ ausgerichtete Vereinigung mehrerer Parteien unter dem Namen "Vienotiba" (Einigkeit),
- die mitte-links und Russland-freundlich positionierte "Saskanas Centrs" (etwas ungenau zu übersetzen mit "Harmonie-Zentrum"),
- die sich Unternehmerfreundlich und radikalchristlich gebende "Par labu Latviju"
- die Vereinigung der lettischen Bauernpartei und der Grünen
- die radikal-pro-russisch agitierende PCTVL ("für Menschenrechte in einem geeinten Lettland"),
- und die Vereinigung der rechts-nationalistischen Vaterlandspartei mit der Partei "Alles für Lettland"
Erste spannende Frage wird sein, ob Vienotiba oder Saskanas Centrs die meisten Stimmen auf sich vereinigen können. Zweite spannende Frage ist dann, ob beide sich trauen zusammen eine Regierung zu bilden. Sollte das passieren, könnte der Einfluß der "Oligarchen - also von den oft unter merkwürdigen bis kriminellen Umständen in der schwierigen Umbruchzeit der 90er Jahre reich gewordenen Einzelpersonen, die mit ihrem Geld im Hintergrund vieler Parteien stehen - zum ersten Mal seit langer Zeit ein wenig eingedämmt werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen