16. November 2007

Zum Geburtstag ein Film

Zum 89. Male jährt sich am 18.November 2007 der Tag der lettischen Unabhängigkeitserklärung. Kein "runder Geburtstag" also, aber diesmal scheinen die Zelebrierungsfeiern ganz im Zeichen eines gerade fertig produzierten neuen Films zu stehen: "Rigas sargi" (Rigas Beschützer). Die Filmemacher selbst beschreiben den Inhalt so: er handle von wahrer Freundschaft und echter Liebe vor dem Hintergrund des lettischen Freiheitskampfes 1918-1920. Schon am 15.November, wenige Tage nach der Premiere, meldeten die Kinokassen in Lettland insgesamt 25.000 verkaufte Kinotickets.

Zwei Freilichtaufführungen waren im Ablaufplan der Feiern zum 18.November in Riga vorgesehen, nun sind es bereits viele Extra-Vorführungen in ganz Lettland bis zum Ende des Jahres. "11.000 Verteidiger halten Riga gegen 50.000 Angreifer", auch das könnte eine Inhaltsangabe rund um die im Film gezeigten geschichtlichen Ereignisse sein.

Regisseur Aigars Graube produzierte "Rigas Sargi" nach einem Roman von Andris Kolbergs. Der geschichtliche Moment - endlich unabhängig nach 700 Jahren Beherrschung durch fremde Mächte - verlockt ja geradezu auch zu dramatischen Fantasien. Lettland orientiert sich dabei gern an dem estnischen Film "Nimed Marmortahvlil" (Namen in Marmor), der bereits 2002 mit ähnlicher Story herauskam und Rekorde an den estnischen Kinokassen erzielte. Auch das lettische Kinogewerbe hofft nun endlich mal wieder einen Film zu haben, den auch die eigene Bevölkerung gerne wieder im Kino sehen will. Immerhin beliefen sich die Produktionskosten auf über 2 Millionen Lat (ca. 3 Millionen Euro).

"Es ist kein Dokumentarfilm, es ist eben eine Story", erklärte Regisseur Graube vorab im lettischen Radio besorgten Anrufern, die nach Details rund um die filmische Darstellung der historischen Kämpfe um Riga gegen Ende des 1.Weltkriegs fragten.

Lettland feiert den Nationalfeiertag dieses Jahr also vielfach mit einem Besuch im Kino. Was geschah sonst noch diese Woche, nach den turbulenten Ereignissen der vergangenen Wochen?

- Fast gleichzeitig mit dem Wechsel im Amt des lettischen Außenministers (Artis Pabriks gab das Außenamt in der Regierung Kalvitis auf) hat nun das lettische Außenministerium ein neues Gebäude bezogen. Der neue - vorläufig aber nur bis zum Rücktritt von Ministerpräsident Kalvitis am 6.12. amtierende - Außenminister Māris Riekstiņš residiert nun in der Krisjana Valdemara iela 3.
- "Sabiedrība citai politikai tiesiskā valstī" (Gesellschaft für eine andere Politik im Rechtsstaat) soll ein Verein (engl. NGO) heißen, die der katapultartig aus der regierenden Kalvitis-Partei (Tautas Partija - Volkspartei) rausgeschmissene Ex-Minister Aigars Štokenbergs jetzt aus der Taufe hob. Mit dabei sind auch einige andere ehemalige Amtsinhaber: Ivars Lācis, frühereRektor der Lettischen Universität Riga, Ingrīda Blūma, früher Chefin der AS Hansabanka, Edgars Štelmahers, bisher als Unternehmer bekannt, und eben auch Artis Pabriks. Der Verein möchte sich dafür einsetzen, mehr Menschen für eine längerfristig nachhaltige und stabile Entwicklung in Lettland zu aktivem Einsatz zu motivieren.

- Präsident Valdis Zatlers nahm indessen an der Präsentation der Arbeitsergebnisse der lettischen internationalen Historikerkommission teil. Diese Kommission wurde 1998 eingesetzt, um die Arbeitsergebnisse verschiedener Forschungen zur lettischen Geschichte zwischen 1940 bis 1990 zusammenzuführen und zu veröffentlichen. Der neue Band der veröffentlichten Arbeitsergebnisse enthält unter anderem bisher unbekannte Dokumente zur ersten sowjetischen Okkupation 1940/41 und zur nachfolgenden Okkupation durch NaziDeutschland.

- Diena setzte am 16.11. sechs Köpfe aufs Titelblatt , quasi nach dem Motto: welchen Chef hätten Sie gern? Auch Noch-Regierungschef Kalvitis meint andere dafür qualifizieren zu können, und erklärt Helena Demakova als ausgezeichnete potentielle Ministerin für Bildung & Wissenschaft (also lieber nicht für den Chefsessel?). Die oppositionelle "Jaunais Laiks" dagegen meint, ihr Kandidat Valdis Dombrovskis müsse es werden, ansonsten bliebe nur die Auflösung der Saeima und Neuwahlen. Neu-Außenminister Riekstiņš hingegen schätzt eine eigene Kandidatur als wenig erfolgversprechend ein. Neu-Minister Zalāns wird in den lettischen Medien eher als Beispiel dafür genommen, dass die Tautas Partija mal wieder ihren Unterstützern in den verschiedenen Regionen Lettlands zeigen will: Seht, wenn ihr tüchtig seid, könnt ihr es zu was bringen (Zalāns war bisher Bürgermeister von Kuldiga). Auf der Homepage der Tautas Partija, die auf ihrem bevorstehenden Parteikongreß die Frage des kommenden Regierungschefs entscheiden will, sprechen sich 41% dafür dafür aus, das leitende Amt sollte doch lieber gleich Alt-Premier und Parteifinanzier Andris Šķēle selbst wieder übernehmen.

Nicht alle werden dazu sagen: abwarten und Tee trinken. Der lettische Nationalfeiertag erlebt diesmal politisch vielfach wach gerüttelte "Landskinder" - die sich ein wenig, ein ganz klein wenig vielleicht auch wie die "Verteidiger von Riga" fühlen.

Mehr:

Ausschnitte aus "Rigas Sargi" bei YouTube (ohne Worte)

Infos zu "Nimed Marmortahvlil" (Nordische Filmtage)

"Rigas Sargi" in der Internet Movie Database

Fotos von "Cinevilla", dem Ort wo "Rigas Sargi" in weiten Teilen gedreht wurde

Das lettische Hollywood - Cinevilla (lett.)

Maris hat seinen Besuch in der Filmstadt "Cinevilla" fotografisch festgehalten

Infos zum Film (engl.)

Karsten Brüggemann in "Eurozine" zu wichtigen lettischen und estnischen Geschichtsdaten

Einzelheiten zur lettischen Historikerkommission

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