Bis dahin waren besonders die in verantwortlicher Position tätigen Regierungsmitglieder der Auffassung gewesen, dass ein Abriss des Denkmals nicht möglich sei - aus rein rechtlichen Gründen. Im Zuge des Abkommens mit Russland über den Truppenabzug 1994 habe es mehrere Nebenabsprachen gegeben, unter anderen die über den Erhalt der Gedenkstätten und Denkmäler. (LETA)
Neudefinition der Siege
Dann kam der Mai - und die beinahe üblichen lettischen Rituale. Am 4. Mai das Gedenken an die Wiederlangung der lettischen Unabhängigkeit. Am 9. Mai begehen einige, meist in Nähe von Schloss oder Rathaus, den Europatag. Das "Siegesdenkmal" war teilweise abgesperrt, teilweise waren dort Kriegsfotos aus der Ukraine ausgestellt. Sehr viele Menschen kamen zum Denkmal, um Blumen niederzulegen (die später mit Traktoren achtlos beiseitegeschafft wurden). Eigentlich ein Tag "ohne besondere Vorkommnisse", wie die lettische Polizei es ausdrückte. (lsm) Besonders nationalpatriotisch gesinnte lettische Politiker/innen der "Nationalen Allianz" sahen es anders, und machten Innenministerin Marija Golubeva dafür verantwortlich, dass überhaupt russisch gefärbte Manifestationen am Siegesdenkmal stattfinden konnten. Golubeva musste zurücktreten (lcm), und dieser "Erfolg" verlieh der nationalpatriotischen Szene in Lettland, im Schatten der Gräueltaten Putins in der Ukraine, offenbar geradezu euphorischen Schwung. "keine Denkmäler für unmoralische Mächte und Imperialisten", so ist jetzt die Wortwahl, und auch die Gleichsetzung als "Putins Faschisten" scheint vielen kaum noch ungerechtfertigt. "Beim Haus des Landwirtschaftsministeriums würde auch niemand weinen, wenn es abgerissen würde", dieser Ausspruch war über Stadtarchitekt Gvido Princis schon vor einem Jahr in einem Interview zu lesen (Latvijas Avize). Der Wind weht nun scheinbar nur noch aus einer einzigen Richtung: am 16. Juni beschloss das lettische Parlament (Saeima) mit den Stimmen von 61 der 100 Abgeordneten die Demontage - neutral formuliert - "aller Objekte der Verherrlichung des Sowjet- und Naziregimes". Und es eilt offenbar: dieser Prozes soll auch bereits bis zum 15. November abgeschlossen sein. Zuständig seien die jeweiligen Gemeinden, finanzielle Hilfe werde bereit gestellt (saeima.lv). Zusatzbestimmung: sollten beim Abbau Details von künstlerischem Wert demontiert werden müssen, so können diese dem Bestand des Lettischen Okkupationsmuseums übergeben werden. Es wird geschätzt, dass dieses neue Gesetz 300 Denkmäler, Gedenktafeln und Gedenkobjekte, die dem sowjetischen Besatzungsregime und der sowjetischen Armee gewidmet sind, betreffen könnte (lsm).
Endlich "aufräumen"?
Inzwischen geht es auch konkret um weitere Gedenkstätten für sowjetische Soldaten: Zwei von ihnen befinden sich am Ufer des Ķīšezers-Sees, einer im Mežaparks-Gebiet in Strandnähe und der andere in Jaunciems (delfi). "Wenn es Objekte in der städtischen Umgebung gibt, die uns nur an die Macht
der UdSSR erinnern sollen, mit wenig künstlerischem Wert, dann sollten
sie abgebaut werden," so lässt sich nun auch Stadtarchitekt Princis zitieren. "Der richtige Zeitpunkt zum Aufräumen!", meint Journalist Viesturs Radovics in einem Kommentar (delfi), denn auch in Polen, Litauen und der Ukraine werde ja jetzt Ähnliches getan.
In lettischsprachigen sozialen Medien kursieren inzwischen sogar Forderungen nach Umbenennung von Straßen in Riga (lsm). Puschkin, Lermontov, Turgenjew - nicht mehr erträglich für Riga? Mal sehen, wohin Putins Agression die Argumente lettischer "Bereinigungen" noch treiben wird. Mārtiņš Staķis, Bürgermeister von Riga, kündigte an, zur Neugestaltung des bisherigen "Siegesparks" einen Ideenwettbewerb ausschreiben zu wollen (delfi). Das bisherige Siegesdenkmal sei ja vor allem da gewesen, um den 9. Mai als sowjetischen Siegestag feiern zu können - nun aber solle es eine öffentliche Nutzung sein, geeignet für 365 Tage des Jahres.
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