Lettland erklärt den Ausnahmezustand. Was ist los? Was ist die Regel, und welche Ausnahmen werden gemacht? Die "Tagesschau" meldet sogar: "Lettland ruft den Notstand aus" (illustriert von einem Bild, dass litauische Grenzpfosten zeigt).
Bevor Missverständnisse auftauchen: nein, ist ist nicht zu vergleichen mit dem 15. Mai 1934, als Karlis Ulmanis gleich Parlament und Parteien in einem Streich verbot. Am Morgen des 16. Mai wurde dann der Ausnahmezustand verhängt, nachdem vorher alle bekannten Oppositionspolitiker/innen verhaftet worden waren (was Lettisch sogar mit "kara stāvokļa ieviešanu" beschrieben wird = Verkündung des Kriegszustands). Dieser "Kriegszustand" dauerte ganze 1371 Tage - mehrfach um 6 Monate verlängert, bis zum 15. Februar 1938.
Und nein, es ist auch nicht vergleichbar mit dem 17. Juni 1940. Als damals der sowjetische Außenminister Molotov die sofortige Einsetzung einer sowjetfreundlichen Regierung verlangte, war die Rote Armee längst in Lettland stationiert, um das militärisch abzusichern, und Zehntausende Lettinnen und Letten nach Sibirien deportiert. Es brauchte also keinen "Ausnahmezustand" - es wurden aber dennoch im Nachhinein Demonstrationen organisiert, als angeblichen Beweis dass "das Volk" den Beitritt zur Sowjetunion fordere (was dann durch manipulierte Wahlen im Juli 1940 abgesichert wurde). Wer dazu mehr wissen möchte, schaut hier mal rein.
Und es ist auch nicht der Ausnahmezustand, der in Lettland am 3. Juni 2020 verkündet wurde, denn der wurde auf Grundlage der Erklärung der Weltgesundheitsorganisation verkündet, dass der Covid-19 genannte Virus nun pandemische Ausmaße erreicht habe. Daher verhängte Lettland ab dem 9. Juni Maßnahmen zur Eindämmung des Virus.
Ein ähnlicher Beschluss wurde schon zuvor am 10. März mit Gültigkeit bis 12. Juni, und nochmals am 6. November 2020 gefasst und hatte bis zum 7. April 2021 Gültigkeit.
Aktuell geht es um den Beschluss des lettischen Ministerkabinetts vom 10. August 2021, der den Ausnahmezustand für vier Gemeinden verkündet: Ludza, Krāslava, Augšdaugava und die Stadt Daugavpils. Es bedeutet, das lettisches Militär und Polizei den Grenzschutz bei der Grenzsicherung unterstützen wird. Dabei werden die Behörden versuchen, Personen, die illegal die Grenze passieren aufzufordern, in das Land zurückzukehren wo sie herkamen. Um dies durchzusetzen, kann auch physische Gewalt angewendet werden. Diese Regelung wird bis zum 10. November gelten. Während für Unterbringung und Verpflegung der illegal die Grenze überschreitenden Personen gesorgt wird, werden aber auch Asylanträge in diesem Zeitraum nicht akzeptiert werden.
Wir hoffen, dass auch die gegenwärtig verkünden "Ausnahmen" bald wieder überflüssig werden - denn "Normalzustand" ist doch sehr viel wert, und sollte, besonders in einer Demokratie, die erfreuliche Regel sein.
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