18. Dezember 2020

Image selbstgemacht

Latvietis var visu - "Yes we can",
lettische Variante?

Es gibt einige Fragen, die bewegen Lettland offenbar auch mitten in der Corona-Krise. "Latvijas tēls" - um mal nicht den Begriff "Image" zu verwenden - das Bild von Lettland, das was andere über Lettland denken, wie kann das möglichst positiv verbessert werden?

"Eiropa mūs nesapratīs", so lautete einmal die Antwort lettischer Skeptiker, und dazu passte gut, dass der Soundtrack dazu von der Band "Labvēlīgais Tips" kam, deren Bandnamen man auch als "gutgemeinte Ratschläge" übersetzen könnte. Neuester Slogan: Nationales Image in der Welt? Bitte selbermachen! 

"Ungenutzte Potentiale" werden dabei bei den vielen Lettinnen und Letten gesehen, die inzwischen mittel- oder langfristig im Ausland leben, die sogenannte "Diaspora". In Lettland gibt es jetzt seit einigen Jahren einen "Image Policy Coordination Council", der Konzepte zum "National branding" ausarbeiten soll. Aber die "Diaspora" sei dabei bisher nicht beteiligt worden, sagt Zane Pudule, lettische Korrespondentin in Deutschland.

"Lettland ist ein Teil Nordeuropas!" so sieht es Aiva Rozenberga, ehemalige Chefin des "Lettischen Instituts" (lsm). Andere halten das für eine Wunschvorstellung - angesichts des Zustands der Straßen, der Krankenhäuser, der politischen Kultur und des Lebensstandards. Rozenberga antwortet, sie habe in ihrer Arbeit immer am meisten gegen das Image eines "postsowjetischen Staates" ankämpfen müssen, daher fokussiere sie selbstbewußt andere Ziele (lsm). Das Lettische Institut selbst, 1998 mal als gemeinnützige Organisation gestartet, seit 2004 dann unter der Oberaufsicht des Außenministeriums, soll ab 2021 mit der Lettischen Investitionsagentur zusammengelegt werden ("Latvijas Investīciju un attīstības aģentūra" LIAA). Auch die Ziele haben sich hier inzwischen stark gewandelt: der Welt verständlich zu machen, wie die lettische Mentalität und Wesensart nun mal ist, reicht nicht mehr - es soll nun eine "wettbewebsfähige Identität des Staates" her (Li). Es soll also offenbar nicht mehr um Verständnis für die Realität geworben werden - sondern das Bild Lettlands in der Welt so verändert werden, dass es zu anderen in der Welt passfähig und nutzbar gemacht werden kann. Auch der Tourismus und die Unterstützung von lettischen Unternehmen im Ausland sind ja schon beim LIAA zu finden. Es muss also ein "Branding" gefunden werden, was vor allem einen einzigen Zweck hat: es muss verkaufs- und umsatzfördernd sein.

Brokkoli, Knoblauch, Lettland?
Andere Wortmeldungen zum Thema bemängeln, dass es keine einheitliche Vorstellung von einem möglichen Bild Lettlands in der Welt gäbe. Nun ja, wie soll das auch entstehen, wenn doch jeder den alten Spruch kennt: was ist die Lieblingsspeise eines Letten? Ein anderer Lette. - Auch 2020 wurde schon wieder eine neue Idee geboren: "Born in Latvia" soll nun diejenigen kennzeichnen, die sich mit ihrem Herkunftsland identifizieren - vorläufig aber sieht das vorwiegend nur nach Speisen, Lebensmitteln und Getränken aus, zum Beispiel auf Twitter. Das passt nun aber gut zur ökonomischen Ausrichtung, die auch das Lettische Institut verpasst bekommen hat. Der entsprechende lettische Link "#esiLV" führt geradewegs zu einer - französischen Ingenieursschule, die offenbar die exakt gleiche Abkürzung benutzt (erst "Latviesi.com" weist den Weg).

Wie also soll es funktionieren, die "lettischen Volksgenoss*innen" im Ausland einzubinden? Elīna Pinto, Vorsitzende des "Verbands der Lett*innen in Europa" (Eiropas Latviešu apvienība ELA) meint, es sei ein "Verlust für die Nation", keine Vertreter*innen der "Diaspora" in diese Diskussion einzubinden. "Auch die lettischen Vereinigungen im Ausland bilden das Image Lettlands" meint Diplomatengattin Pinto (lsm), die sich selbst als "europäische Lettin mit Wurzeln in Jelgava" bezeichnet (ela) - und deren Mann Orlando, gebürtiger Portugiese, zur Zeit stellvertretender Botschafter Luxemburgs in Berlin ist. Da kommt doch vielleicht die Frage auf: soll Lettlands Image also vor allem von den Globalisierungsfreund*innen geprägt werden, wie es auch das Portal "Euromonde" verkündet, oder es lettische Fernsehsendungen wie "Globālais Latvietis" zum Ausdruck bringen? 

Da gibt es unter den Lettinnen und Letten sicher auch noch andere Strömungen - die allerdings nicht ganz so gut mit der lettischen Regierung vernetzt sind wie die stromlinienförmige ELA. Allerdings müssen wir dazu in der Lage sein, die (rein) lettischsprachigen Internetforen zu durchforsten - da werden gegenwärtig Anti-Masken-Kampagnen, Verschwörungstheorien, und Hassmails auf die lettische Regierung eilfertig verknüpft mit den Slogans "Und-Trump-hat-doch-gewonnen". Aber wer will das schon hören oder lesen? Wir erinnern uns: was war noch die Lieblingsspeise der Lett*innen? ...

Das Image Lettlands ökonomisch nutzbar zu machen - und bitte von den Lettinnen und Letten selbst - lassen wir uns nicht täuschen, es bleiben erhebliche Zweifel an diesem Konzept. Besonders, wer Lettland bereits kennt, wird sich keine "fremden Bären" aufbinden lassen wollen - egal, ob nun irgend eine Werbeagentur uns weismachen will, der Weihnachtsbaum sei in Lettland erfunden worden, Lettland sei magnetisch, oder andere verbogene Phrasen. Oder der schöne Slogan "#iamintrovert" - das Lexikon übersetzt "introvertiert" mit: auf das eigene Seelenleben gerichtet, nach innen gekehrt; verschlossen. Also: Ich bin verschlossen, sagt der Lette - und wer den Schlüssel hat, habe ich vergessen ...

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