13. November 2020

Falsch geparkt - Rücktritt!

Schwer vorstellbar, verglichen mit deutschen Verhältnissen: falsch parken kostet das Ministeramt!  Juris Pūce, mit 40 Jahren einer der eher jüngeren Politiker des Landes und seit Januar 2019 Minister für Umwelt und Regionalentwicklung, reichte am 12. November bei Regierungschef Krišjānis Kariņš ein Rücktrittsgesuch ein. Seit Amtsantritt hatte Juris Pūce vor allem die schwierigen Diskussionen um die lettische Regionalreform, die Selbstständigkeit oder Zusammenlegung von Gemeinden, und die damit zusammenhängenden Entscheidungen durchstehen müssen (attistībai). Und nun? Ein schneller Rücktritt wegen eines fehlenden Parkscheins?

"Ich entschuldige mich aufrichtig und bedaure meine Entscheidungen von Herzen", so zitieren lettische Medien nun den Minister. "Ich habe meine Kollegen und die lettische Gesellschaft getäuscht." (NRA) Und das alles nur deshalb, weil ihm vorgeworfen wurde, einen kostenlosen Parkplatz vor dem Rigaer Rathaus genutzt zu haben - obwohl er seit Amtsantritt als Minister kein Stadtratsabgeordneter mehr sei. Stichwort "caurlaide" (die Durchfahrtserlaubnis, die Abgeordnete in der sonst autofreien Zone der Altstadt bekommen). Öffentlich gemacht hatte den Vorgang Māris Mičerevskis, bis vor kurzem noch Parteigenosse von Pūce bei "Latvijas attīstībai" (für Lettlands Entwicklung)

Das bietet viel Raum für Spekulationen. Auch wegen der in Lettland üblichen "Rotation" von Minister*innen: haben sie vor der Berufung als Minister ein Mandat im Parlament errungen, so wird das dann an Nachrücker*innen vergeben. Tritt aber der Minister zurück, so bekommt er sein Parlamentsmandat automatisch zurück, und der Nachrücker (in diesem Fall die Abgeordnete Dace Bluķe) verliert ihren Parlamentssitz und wird wieder nach Hause geschickt. 

Minister Pūce habe das Gleiche getan, was auch schon Ex-Bürgermeister Nils Ušakovs vorgeworfen wurde, meint Lelde Metla-Rozentāle, Professorin an der Stradiņa Universität in Riga (RSU). Es sei die offensichtliche Doppelmoral, die hier auffalle. Im Februar 2020 war es ausgerechnet in die Zuständigkeit von Minister Pūce gefallen, den Rigaer Stadtrat wegen "Beschlussunfähigkeit"zu entlassen und außerordentliche Stadtratswahlen anzusetzen - die dann Mārtiņš Staķis (Kustiba Par!) ins Amt brachten, einen Bündnis- und Wahllistenpartner von Pūces Partei. Der aktuelle Vorgang zeige, dass Pūce eben doch nicht einfach ein Mann sei, der zu Hause sitze und nach moralischen Erwägungen überlege, wie schlecht doch Riga regiert sei, meint Metla-Rozentāle. Vielmehr seien das alles eben Entscheidungen aus politischen Erwägungen gewesen. (LA)

Da hat seine Partei auch nachgeholfen, dass er zurücktritt - meint Jānis Ikstens, Politologe an der Universität Riga. (Diena) Denn im Stadtrat regiert die “Attīstībai/Par!” von Neu-Bürgermeister Staķis zusammen in einer Fraktion mit den "Progressiven" (“PROGRESĪVIE”), und es sei voraussehbar, dass diese nun viele Fragen stellen werde. Antoņina Ņenaševa, Co-Vorsitzende bei den Progressiven, hatte den Rücktritt Pūcs befürwortet (TvNet).
Auch die Prognose, Pūce könne ein zukünftiger Regierungschef sein, habe nun wohl ihir Ende gefunden, fügen die Kommentator*innen hinzu. 

Auf Twitter dagegen wurde der Vorgang heftig diskutiert (TvNet). Dort hieß es unter anderem: das beste Ergebnis wäre es wohl, wenn Pūce jetzt auch zum Fahrradfahrer wird ...

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