17. März 2020

Wahl-Wanderungen

Eigentlich wäre es ein bedeutender Tag geworden: drei Ereignisse an einem Tag. Am 25. April war sowohl die Abstimmung über die neue russische Verfassung, die Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden, und auch Neuwahlen für den Stadtrat in Riga angesetzt.

Die deutsche CDU hält sich inzwischen offenbar an die Maßgabe, "alle nicht notwendigen Veranstaltungen" abzusagen. Wer will da noch Parteivorsitzende wechseln, wenn weltweit Krise angsagt ist? Zudem ist inzwischen einer der Kandidaten viruskrank. - Einzig in Moskau scheint die Devise "Russland ist stark, Putin bleibt" zu gelten.

Das Chaos um den Stadtrat in Riga aber vergrößert sich weiter (siehe Beitrag). Am Anfang standen einmal Auseinandersetzungen um die Abfallwirtschaft der Stadt: gleich für 20 Jahre sollte die Abfallentsorgung einer einzigen Firma anvertraut werden (ein Kartell-ähnliches Gebilde namens "Tīrīga AS").

Für die Anordnung von Neuwahlen war der Erlass eines neuen Gesetzes nötig geworden (Rīgas domes atlaišanas likums); diesem zufolge wird der Stadtrat Riga für "nicht fähig Beschlüsse zu fassen" erklärt, wenn in drei aufeinander folgenden Versuchen keine Entscheidungen gefasst werden können. 
Gleichzeitig war aber auch vorgeschrieben, Neuwahlen am ersten Samstag innerhalb von zwei Monaten nach in Kraft treten des Gesetzes abzuhalten. Und damit nicht genug: auch ein Volksbegehren gegen dieses neue Gesetz gab es dann noch - das Ende der Unterschriftensammlung am 16. Februar musste erst abgewartet werden (die Beteiligung daran war allerdings historisch schwach: in den meisten Wahlbezirken unter 1%, nur in einzelnen 8-9%, landesweit 0,39%).
Am 13. Februar verabschiedete das lettische Parlament dann das Gesetz mit 62 gegen 22 Stimmen (lsm). Somit erlangte diese Regelung am 24. Februar Gesetzeskraft. Der Auffassung des gegenwärtig amtierenden Bürgermeisters Oļegs Burovs zufolge wolle die Regierung mit den Maßnahmen gegen den Stadtrat aber lediglich von der ebenfalls heiß diskutierten lettischen Gebietsreform ablenken.

Inzwischen hat sich die lettische zentrale Wahlkommission
für eine Verschiebung des Wahltermins entschieden
Noch am 25. Februar bestätigte die lettische zentrale Wahlkommission den Wahltermin am 25. April 2020. Am 13. März entschied ein Rigaer Verwaltungsgericht zunächst einem Antrag der Partei "Alternative" statt zu geben, die Wahl vom 25. April auf den 2.Mai zu verschieben (Berufung wurde zugelassen).

Angesichts dieser Situation, inklusive der Ausrufung des Notstandes aufgrund des Coronavirus, haben mehrere lettische Parteien inzwischen ihre Wahlkampagnen wieder eingestellt. Es kursierten bereits Vorschläge, die Wahl nun auf den 29. August zu verlegen.
Am 17. März beschloss nun das Ministerkabinett eine Verlegung auf den 6. Juni 2020. Damit wäre die Einreichung der Listen mit Wahlvorschlägen noch bis zum 27. April möglich. Und inzwischen wird auch nur noch ein einziger Grund für die Turbulenzen angegeben: COVID-19. Der zuständige Minister Juris Pūce schließt auch eine weitere Verlegung nichts aus, wenn sich bis zum Mai die Lage in Lettland nicht normalisiert haben wird (varam).

Und was wird aus den Planungen für den Tag der "Lielā Talka" - der große Tag zum Aufräumen? Auch das war ja genau für den 25. April vorgesehen - der "World Cleanup day" auf Lettisch.
Ob dann die freiwilligen Helfer*innen in 2m Mindestabstand voneinander arbeiten müssen, wie es derzeit die lettischen Supermärkte beim Einkaufen empfehlen? - Nein, wir schauen auf die entsprechende Webseite, und finden auch das - verschoben. Aufgerufen werden soll auch zu einer "Ideen-Talka": wie Lettland in Zukunft weniger Müll produzieren und sauberer werden kann. "Sauberer werden" heißt in diesem Zusammenhang wohl leider nicht automatisch "virenfrei". Gespannter als sonst sehen Lett*innen und Letten diesmal dem Verlauf des Frühjahrs entgegen. Der 25. April wird in Lettland wohl sehr viel ereignisloser ablaufen, als zunächst vorgesehen war. 

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