24. April 2020

Ein Sommer ohne Ausländer?

Lettland hat in den vergangenen Jahren viel in den Tourismus investiert. Zahlen des lettischen Statistikamts zufolge waren Anfang 2019 insgesamt 318 Hotels in Lettland registriert, dazu 20 Camping- oder Wohnmobilplätze. Die Mehrzahl aber - insgesamt 493 Betriebe (also beinahe 60%) sind kleinere Gästehäuser, auch Bauernhöfe (csp). Allerdings übernachteten nur 11,6% der Gäste in den Jahren 2016-2018 in diesen Gästenhäusern, der "Löwenanteil" (85%) entfällt immer noch auf die Hotels (in den Städten, 61% übernachten nur in Riga!).

Nein, der Storch im Hintergrund deutet hier in diesem Fall kein
freudiges Ereignis an - sondern Verstimmung zwischen
Finanzminister und ländlichem Tourismus
(Grafik: lsm)
Mit Beginn der Covid-19-Krise wird auch in Lettland über Unterstützung und Erstattungen für lettische Unternehmer*innen diskutiert. Dabei fiel Finanzminister Jānis Reirs mit der Äußerung auf: "Im Tourismus wird sich die Situation nicht so schnell verbessern, da müssen wir gerade was Riga angeht mit längeren Zeiträumen rechnen, gerade wenn die Grenzschließungen in Europa bis Jahresende andauern", hatte sich der Minister zitieren lassen (apollo.lv, lsm). Der Gesamtschaden für den Tourismus in Lettland werde auf 800 Millionen Euro geschätzt - 2,9% des lettischen Bruttosozialprodukts. Das lettische Wirtschaftsministerium schätzt, dass in diesem Bereich etwa 3000 kleine oder mittlere Betriebe betroffen sein werden.

Aber dann behauptete Minister Reirs, für den Landtourismus sähe die Situation anders aus, die Nachfrage scheine da gesättigt zu sein. Und nicht nur das: er schlug vor, vor allem diejenigen zu unterstützen, die sonst mit Gästen aus dem Ausland arbeiten.

Asnāte Ziemele, Chefin bei "Lauku Ceļotajs" (Verbandes für Landtourismus), widerspricht energisch. "Zuletzt gingen die Stornierungen geradezu lawinenartig bei uns ein!" betont sie. "Die Einnahmen bei unseren Mitgliedern sinken gegenwärtig um 80-100%, und viele sind der Verzweiflung nahe. Es besteht das große Risiko, dass viele Betriebe diese Krise nicht überleben." Zu dieser Lage trügen auch besonders die vielen abgesagten Gruppenveranstaltungen bei, so wie Seminare, Hochzeiten, oder andere Feiern. Zwar würden viele aus dem Ausland auch derzeit noch nach freien Unterkünften fragen, aber das seien noch keine Buchungen.

Eine andere Schwierigkeit: zwar räumen die Banken spätere Rückzahlungstermine für Kredite ein - die Zinsen laufen jedoch bisher ungemindert weiter. Rücklagen gäbe es nur in wenigen Fällen. Inzwischen habe man auch Angestellte entlassen müssen - und könne den Bestand an Arbeitskräften selbst im Falle eines Neustarts nur langsam wieder hochfahren. Die einzige Hoffnung bestehe darauf, dass wenigstens für den Inlandtourismus im Sommer die Einschränkungen langsam aufgehoben werden können.

Gerade Lettland ist ja auch sehr zentralistisch organisiert - fast alles scheint im touristischen Bereich über Riga zu laufen. Andererseits: wer nur Riga sieht, hat Lettland nicht gesehen! Und gerade für die abseits wichtiger Verkehrsverbindungen gelegenen Orte war der Landtourismus sowohl wichtiger Geschäftszweig wie auch Überlebensstrategie. Gibt es Vorschläge zur Krisenbewältigung? Eigentlich brauchen wir eine Unterstützung in Höhe von 75% des Jahresumsatzes, meint der Landtourismusverband. Auch wer nun verstärkt auf lettische Gäste setzt, wird vielleicht enttäuscht werden - denn wenn die Finanzen knapp sind, wird am Urlaub zuerst gespart, meint Asnāte Ziemele. Die Hoffnung besteht, dass bald wenigstens wieder Veranstaltungen unter freiem Himmel erlaubt werden - unter Einhaltung der Sicherheitsregeln natürlich.

Momentan hat Lettland den Ausnahmezustand bis zum 12. Mai verlängert - in diesem Rahmen ist jeglicher Passagierverkehr über die Flughäfen, Autobusse, Bahnhöfe und Häfen untersagt.

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