10. Dezember 2019

Zu Hause verarzten

Eine seltene Ausnahme: Rückkehr aus dem Ausland
und Schlüsselübergabe für die neue Hausärztin
Die Ärztinnen und Ärzte, auch andere Mitarbeiter/innen im Gesundheitswesen Lettlands seien noch nie so einig gewesen wie jetzt, heißt es: unter den gegenwärtigen Bedingungen, dem von der Regierung bereitgestellten Budgets, wollen sie nicht weiterarbeiten.

Ganze 60 Millionen Euro zu wenig habe die neue lettische Regierung im Haushaltsplan 2020 eingeplant, so die Kritiker. Ilze Viņķele musste im Parlament schon ein Misstrauensvotum abwehren - ein Vorgang, den auch das Deutsche Ärzteblatt aufmerksam notiert. Zu wenig Geld im Staatshaushalt für das Gesundheitswesen?

Proteste gegen zu geringe
Löhne im lettischen Gesundheits-
wesen (BNN-News)
Da hilft auch nicht, dass ein Teil der regierenden Koalition inzwischen zugibt, eine Finanzierung die fehlenden 60 Millionen Euro sei möglich. Ministerin Viņķele ("Attīstībai/Par!") kann ja auf eine Vergangenheit als Parteimitglied sowohl bei "Tēvzemei un Brīvībai/LNNK" („Für Vaterland und Freiheit“) wie auch der "Vienotība" (Einigkeit) zurückblicken. Ein Nachweis ihrer "Flexibilität"?

Am 14. November hatte das lettische Parlament (Saeima) den Haushaltsplan für 2020 verabschiedet. Bei einem angenommenen Wirtschaftswachstum von 2,8% ist dort ein minimales Haushaltsdefizit von 0,3% vorgesehen. Dabei ist die Mindestgrenze für zu versteuerndes Einkommen auf 300 Euro festgelegt, der Mindestlohn soll ab 2021 500 Euro betragen. Zusätzliche Finanzen sind auch vorgesehen zur Erhöhung der Gehälter von Lehrerinnen und Lehrern, im Gerichtswesen, Angestellte des Innenministeriums und im Kulturbereich.

Bei den Haushaltskennzahlen beruft sich die lettische Regierung auf die Europäische Kommission, die am 20.11. eine Stellungnahme zu den lettischen Haushaltsplanungen veröffentlicht hatte. Dort empfiehlt die EU sogar Lohnerhöhungen fürs medizinische Personal - allerdings nur solche, die aus Umschichtungen des bisherigen Haushalts genommen werden können.

Vor diesem Hintergrund sorgt Māra Meldere für Aufsehen.Im September eröffnete sie ihre Praxis als Familienärztin (= ähnlich einer deutschen "Hausärztin") in Roja (lsm / roja.lv). Ingrīda Miķelsone, die bisher die Praxis in Roja führte, zeigte sich sehr zufrieden, ihre Praxis in andere Hände sicher übergeben zu können - ihre Nachfolgerin blickt auf 9 Jahre Arbeitspraxis in Deutschland (im Schleswig-Holsteinischen Wöhrden) zurück.

Nach nur wenigen Wochen hat sich inzwischen die Zahl der Patienten bei Frau Dr. Meldere von 1216 auf 1390 Personen gesteigert, berichtet sie im Interview gegenüber dem"Talsu Vestis". Die Leute kommen inzwischen nicht nur aus dem kleinen Roja, sondern auch aus Talsi, aus Mērsrags und sogar aus dem über 120km entfernten Riga. Und Frau Dr. Meldere, die selbst in Talsi gebürtig ist und deren zwei Töchter in Deutschland geboren wurden, kann auch Vergleiche ziehen: "Im Unterschied zu Patienten in Deutschland, die immer fordernd und mit Ansprüchen auftreten, bitten die Leute hier in Lettland ganz einfach um Hilfe - das ist schon ein krasser Unterschied, und für mich als Ärztin natürlich hier angenehmer. Außderm gibt es in Roja viele Kinder - und ich mag es einfach, mit Kindern umzugehen."

Und noch einen anderen Vorteil gegenüber Deutschland sieht die lettische Rückkehrerin: die Digitalisierung des lettischen Gesundheitswesens, auch wenn noch nicht alles perfekt funktioniere, sei in Lettland weiter entwickelt. Meldere: "In Deutschland geht es noch wie in alten Zeiten -  alles auf Papier und durch Briefeschreiben."(Talsu Vestis)

Ein Vorteil bleibt ja vielleicht deutschen Patienten noch: wer demnächst in Roja, im Nationalpark Slitere oder der kurländischen Ostseeküste seinen Urlaub verbringt kann sicher sein: es ist eine deutschsprachige Ärztin in der Nähe.

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