Es war Lettlands Ex-Premier Valdis Dombrovskis, der im September 2013 relativ beiläufig erklärte, Lettland könne sich prinzipiell vorstellen, die Unabhängigkeit Kataloniens anzuerkennen - nachdem die Katalanen eine 500km lange Menschenkette gebildet hatten als Symbol für ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit von Spanien. Die Reaktion aus Madrid erfolgte umgehend: der lettische Botschafter wurde zur Befragung zitiert. Auch vom damaligen litauischen Ministerpräsident Algirdas Butkēvičius waren ähnliche Äußerungen zu vernehmen gewesen (und Litauen hatte zu dieser Zeit die EU-Präsidentschaft). Eine Wiederholung des "Baltischen Wegs", diesmal innerhalb der Europäischen Union?
Von Dombrovskis und Butkēvičius waren danach Äußerungen zu hören wie etwa diese: sie seien stolz darauf, wenn der "Baltische Weg" andere Menschen inspiriere. Alles müsse aber in legalem Rahmen geschehen. Immerhin hatten beide eines erreicht: gab es vorher vielleicht Menschen in Katalonien, die nicht wußten wo sich die baltischen Staaten befinden - jetzt wurden sie aufmerksam. Und aus Spanien wurden Gerüchte gestreut, Dombrovskis habe 6 Millionen Euro Bestechungsgelder kassiert um eine Aussage zugunsten der Katalanen zu machen (Interviú).
"Es ist die Zeit gekommen" - auch in Katalonien werden lettische Lieder gesungen |
Sonst sind Korruptions-Vorwürfe und Schimpftiraden gegen eigene Politiker ja eher gewöhnlich in der lettischen Öffentlichkeit - in diesem Fall aber wachsen die kaum versteckten Sympathien für Katalonien nur noch weiter an. In einem aktuellen Kommentar bezeichnete Ozols die Versuche der spanischen Polizei, die Abstimmung zu verhindern, als "Angriffe wie im hybriden Krieg" (Delfi). Damit stellt Ozols Katalonien sogar der Ukraine gleich - ein Auspruch, den die Presseschau der Bundeszentrale f. pol. Bildung leider nur ungenau wiedergibt. Für Ozols ist die Sache einfach: "demokratische Prozesse können Europa nicht erschüttern, nur stärken".
Es gibt aber noch einen weiteren Aspekt lettisch-katalonischen Gleichklangs. Beinahe im wahrsten Sinne des Wortes. Das hängt mit dem Lied "Saule. Pērkons. Daugava" zusammen, eines der beliebtesten Lieder auf den großen lettischen Sängerfesten. Die Worte des Textes stammen von Rainis, die Melodie vom lettischen Komponisten Martiņš Brauns. Seit einigen Jahren gibt es eine Version in katalanischer Sprache mit der Melodie von Brauns - "Ara és l'hora" (es ist an der Zeit) wurde zu einer der Hymnen der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, aufgeführt vom „Cor Jove de l’ Orfeó Català”; verwendet wurden Verse des katalanischen Dichters Miquel Martí i Pol.
Gelegentlich registrieren auch deutsche Journalisten dieses Lied bei den Katalanen, allerdings ohne seinen lettischen Ursprung (siehe FAZ, Junge Welt). Wer weiß, wie gerne Lettinnen und Letten singen wird ahnen können, wie nahe ihne die katalonische Unabhängigkeitsbewegung ist. "Die Katalanen haben zu den Spaniern dieselbe Beziehung wie wir Letten mit den Russen," so ließ sich Komponist Brauns in der Presse zitieren (Kas Jauns). Geld habe er aber für die Melodie von den Katalanen nicht genommen, so Brauns. "Lettland ist uns ein Beispiel für die Freiheit", das sagt Roger Albinyana, Beauftragter der katalanischen Regierung für "auswärtige Angelegenheiten", der lettischen Tageszeitung "Diena". Albinyana reist schon seit Monaten in der Welt umher um für die katalanischen Ideen zu werben. "Ich verstehe, dass Europa innere Stabilität haben möchte," sagt er, "die 7 Millionen Katalanen sehen in den baltischen Staaten unser Vorbild."
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