Am häufigsten kritisiert werden gegenwärtig, neben der großen Verschuldung des Stadtsäckels, verschiedene Aspekte der Verkehrpolitik in Riga. So hieß es bisher immer: einer der Gründe, warum der russischstämmige Bürgermeister Nils Ušakovs insbesondere von älteren Leuten wiederholt gewählt worden sei, weil er diesen kostenlose Tickets in den öffentlichen Verkehrsmitteln verspreche. Erstaunlich auch, dass die Stadt bei schwierigen Winterverhältnissen den Autofahrern kurzerhand mal Freifahrttickets genehmigt.
Nun bekommt Ušakovs in der politischen Landschaft auch auf konservativer Seite Gesinnungsgenossen: Jānis Bordāns, Ex-Justizminister (2012-2014, unter Valdis Dombrovskis, als dieser noch Regierungschef war), nun Gründer der "Neuen Konservativen Partei" (Jaunā konservatīvā partija, JKP), will es Tallinn gleichtun und kostenfreien ÖPNV für alle Einwohner Rigas einführen. Sowieso würden nur 1/3 der Einnahmen der Rigaer Städtischen Betriebe ("Rīgas satiksmes”,RS) aus den Ticketverkäufen erzielt, rechnet er vor. Und die Häfte der Verkaufseinnahmen gehen wieder für Produktion, Administration und Bereithaltung der Tickets drauf. Wer also einen Fahrschein kaufe, der bezahle damit zur Hälfte eigentlich die Herstellung des Tickets, und nichts anderes. Bordāns ist in Riga auch Bürgermeisterkandidat, zusammen mit Juta Strīķe, die durch ihre Arbeit beim lettischen Anti-Korruptionsbüro (Korupcijas novēršanas un apkarošanas biroja, KNAB) bekannt wurde.
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Baiba Broka war bereits 2013 Bürgermeisterkandidatin der "Nationalen Vereinigung" ("Nacionālā apvienība, NA), 2014 einige Wochen Justizministerin. "Riga darf nicht wie ein Staat im Staate sein!" Broka wirft Ušakovs vor, seine eigene "Außenpolitik" - vor allem gegenüber Russland - zu machen.
Bliebe noch Vilnis Ķirsis - zwar Kandidat einer bekannten Partei (Vienotība), die allerdings seit dem - auch durch eigene Parteimitglieder mitverursachten Rücktritt der Regierungschefin Straujuma - bei den einen als vergessen, bei anderen verhasst gilt. Mit Wirtschaft, Statistik und Steuerpolitik trifft der erst 36-jährige Ķirsis zudem nicht gerade Lieblingsthemen seiner Wähler - die Partei versucht sich zu helfen, indem sie nicht den Kandidaten, sondern schöne Fotos von Riga in den Vordergrund stellt. Wohlklingende Versprechen wie "10.000 Bäume pflanzen, um die Luftqualität in der Stadt zu verbessern" wird ihm keine Stimmen unter Naturliebhabern bringen, und die überall hervorgehobene Funktion des Spitzenkandidaten als "Granatwerfer" im Studentenbatallion der "Zemessardes" vermutlich auch keine Stimmen unter den Vaterlandsliebhabern.
Dass auch die "Grüne Bauernpartei" (Zaļo un Zemnieku savienība) Probleme mit dem Bekanntheitsgrad ihres Spitzenkandidaten, dem Bienenzüchter Armands Krauze hat, zeigt schon der energische Einwand von Präsident Raimonds Vejonis, doch bitte keine Parteiwerbung unter Verwendung des Präsidenten-Namens zu machen. Man einigte sich darauf, der ZZS zu erlauben sich "Präsidentenpartei" nennen zu dürfen - aber bis zur "Bürgermeisterpartei" wird es zumindest in Riga noch ein weiter Weg sein.
Insgesamt werden sich in Riga zur Kommunalwahl 11 Parteien zur Wahl stellen (siehe: Information des lettischen Wahlamts). Zuletzt wurde mehr über Bürgermeisters Katze berichtet, als über seine Politik. (MDR, Washington Post) Und lang scheint die Liste dessen, was Gegenkandidaten von Ušakovs möglichst im voraus zuverlässig versprechen müssen, um wirklich größeren Wähler/innen-Zuspruch zu bekommen: natürlich keine Flüchtlinge in Lettland reinlassen, keine gleichgeschlechtlichen Ehen zulassen, nur noch Lettisch sprechen, den Einfluß ausländischen Kapitals beim Kauf von Land und Immobilien beschränken, Straßen reparieren und Staus zum Verschwinden bringen, Arzneien und Krankenhäuser bezahlbar machen, ... - die Liste ist lang (hoffentlich habe ich nichts vergessen). Wer könnte das alles erfüllen?
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