Noch immer wird über die weitere Gestaltung des Platzes um das wiedererrichtete "Schwarzhäupterhaus" herum gestritten; dabei geht es momentan um drei Objekte: einerseits um einen Hotelbau (siehe Blogbeitrag), zweitens um einen Anbau des Okkupationsmuseums (gegen diese Pläne haben sich 20 lettische Architekten ausgesprochen, eine der bekanntesten unter ihnen Zaiga Gaile), und drittens um das zu Sowjetzeiten errichtete Denkmal der "Roten Schützen".
Um bei letzterem anzufangen: Bezüglich der früher als "Beschützer Lenins", den zunächst innerhalb der russischen Armee kämpfenden lettischen Schützenbattaillonen, von denen sich ein großer Teil dann den Bolschewiki anschloß ("rote Schützen"), scheint sich ein Umdenken anzubahnen. Im Ergebnis geht es darum, ob das Denkmal der "roten Schützen" seinen Platz behält - und hier gibt es in der lettischen Presse neuerdings differenziertere Meinungsäußerungen, denn genau 100 Jahre ist es jetzt her, dass im August 1915 diese Einheiten gebildet wurden. "Nicht weiß, nicht rot" seien die "Strēlnieki" gewesen, meint Elita Veidemane in der Tageszeitung "NRA", und zitiert dabei Ilze Krigere, Mitarbeiterin des lettischen "Kriegsmuseums". Am 1.August fanden in Riga offizielle Feierlichkeiten in Gedenken der Schützen statt (youtube) - ohne jegliche bolschewistische Symbole und Fahnen, wie sicherlich fast überflüssig zu erwähnen ist; aber mit feierlichem Umzug, paramilitärischen Spielchen und Rockmusik (siehe Ablaufplan).Plus weißen Blumen als Kennzeichnung der Teilnehmer, nicht etwa roten.
Dass ein anderer Teil dieser Schützen auch an der zwischenzeitlichen Ausrufung einer "lettischen Sowjetrepublik" beteiligt war (Jukums Vācities zum Beispiel), wird im Jahr 2015 mal dezent unterschlagen - oder, es wird schlicht vom "russischen Bürgerkrieg" gesprochen, statt von einer "roten Revolution" (Vācietis wurde dann allerdings auch im Zuge der Stalinistischen Säuberungen 1938 ermordet, das gehört zum Gesamtbild).
Wer gewohnt ist, sich geschichtliche Vorgänge durch Lektüre originaler Quellen zu erschließen, wird vielleicht ob so mancher aktueller Deutungstrends und -moden etwas verwundert sein.Aber wenn es zu einer größeren Akzeptanz verschiedener möglicher Sichtweisen verhilft, vielleicht nützt es auch den gegenwärtigen Debatten um die Stadtentwicklung. Aber die Wirrungen und Windungen der lettischen Geschichte sind differenzierter zu betrachten als bloße Schwarz-Weiß-(oder Rot-Weiß)-Muster.
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