13. August 2012

Wundersame Souvenirs

"historische" Souvenir-Varianten Anfang der 90er Jahre:
lettisch Traditionelles, fremdsprachlich beworben
Gäste können in Lettland sicherlich auf sehr verschiedene Ideen kommen, welche Mitbringsel oder Souvenirs für die Bekannten und Freunde daheim, oder für die eigene Urlaubserinnerung geeignet sind. Ob handgestrickte Socken oder Handschuhe, Schwarzen Balsam oder Riga Sekt, Töpferwaren oder Bernsteinschmuck: der Markt passt sich den Kundenwünschen an, Stück für Stück.

Es könnte ja auch eine Schachtel aus dem Süßwarenregal sein - so wie dieses gute Stück, dass mir vor ca. 20 Jahren als "Wegzehrung" geschenkt wurde.
Damals hieß die produzierende Firma noch "Uzvara" ("Sieg"), und hoffte auch beim Kampf um die nun mit gespannter Erwartung ersehnten West-Touristen Erfolge erringen zu können. Aus diesem Gedanken heraus entstand wohl eine Mischung aus patriotischer Darstellung der vier lettischen Regionen (mit einer Karte sämtlicher Grenzen aller lettischen "Pagasti"!), und zuvorkommender Erklärung für wahrscheinlich zweifelnde fremdsprachliche Kunden. Folgende Erläuterung fand sich hinten auf der Packung:
Ja, damals warnten manche in Deutschland verfasste Reiseführer noch vor dem Gebrauch von Frischwasser aus dem Kran, vor dem Baden in der Ostsee, vor Taschendiebstahl allerorten, illegalen Geldwechslern auf den Straßen und vor möglicherweise mafiösen Strukturen. Nicht immer waren so pauschale Warnungen - offenbar vorsorglich geschrieben angesichts vermuteter "Stammleserschaft" - gerechtfertigt. Heute sowieso nicht mehr - obwohl ein Wundermittel, dass "Radioaktivität aus dem Organismus entfernt" ja ganz wünschenswert wäre. Ob diese Info nur auf der Packung mit der Bezeichnung "Latgale" zu lesen war (also speziell für die Menschen rund um Daugavpils gedacht war?) ist mir nicht bekannt. Tatsache aber ist, dass die Forderungen der Anti-Atombewegungen nach "Abschalten der Atomkraftwerke" die lettische Unabhängigkeitsbewegung nicht lange mehr dominierten, nachdem die staatliche Selbständigkeit erst einmal wieder erreicht war. Zwei neue, sicherlich aus dem ehemals bewunderten Westen übernommene Grundprinzipien hielten Einzug in der lettischen Politik: erstens, erfolgreich Geschäfte machen ist das Größte (denn der Staat wird dir nicht helfen); zweitens, Hauptsache die Steckdose ist nicht von russischen Quellen gespeist (denn Russland möchte angeblich die "verlorenen Gebiete" dominieren und so beherrschen).

"Marmelāde" in moderner Variante
Heute könnten Touristen, die nach ähnlichen Leckereien Ausschau halten, natürlich noch genauso Packungen mit der Bezeichnung "Marmalāde" finden (siehe Abbildung). Bei der Inhaltsangabe sind heute "Lebensmittelfarbstoffe" durch "20% Fruchtsaft" ersetzt - ohne Erläuterung, dass vielleicht dieser Fruchtsaft gesünder sein könnte als das ebenfalls enthaltene Pektin. Na gut, wie die obige Abbildung der damaligen Version ja zeigt, war der Hinweis auf die Bekämpfung möglicher schädlicher Wirkungen von Radioaktivität ja offensichtlich sowieso nur für deutschsprachige Gäste wichtig (in den lettisch- und englischsprachigen Texten fehlte sie).
Also hier meine moderne Fassung der Erläuterung, nur für Deutschsprachige: Achtung, lettische Politiker haben sich nach wie vor nicht entschieden, ob sie nun die Gefahren der Atomkraft eindämmen wollen oder nicht - eine kostenfressende und damit für die Entwicklung nachhaltig umweltfreundlicher Energieerzeugung hinderliche Beteiligung an neuen Atomanlagen ist nach wie vor möglich: nur wenige Kilometer hinter der lettischen Grenze. Lassen Sie sich daher die in Lettland angebotenen Süßigkeiten so lange schmecken, wie es eben geht.

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