Für mich war es eine Überraschung, sagte der lettische Wirtschaftsminister Aigars Kampars. Vielleicht könne man ja ein etwas zu hohes Preisniveau kritisieren, meinte er, und als Monopolunternehmen der lettischen Energiewirtschaft könne auch manches etwas flexibler organisiert sein, aber LATVENERGO sei eines der führenden Energieversorger der baltischen Staaten und habe bereits jahrelang gute und professionell organisierte Arbeit nachgewiesen.
Dieser Ruf ist nun vorerst zerstört. Unternehmenschef Kārlis Miķelsons und sein Stellvertreter Aigars Meļko müssen vorerst mit einem Platz im Rigaer Zentralgefängnis Vorlieb nehmen.
Fünf leitenden Angestellte des lettischen Energieversorgers LATVENERGO wurden im Laufe dieser Woche vom staatlichen Korruptionsbekämpfungsbüro (KNAB) festgesetzt und in Haft überführt, dazu auch noch zwei Privatpersonen. Die Vorwürfe: Korruption und "Geldwäsche". Und da es sich um ein staatlichen Unternehmen handelt, kommt auch noch "Amtsmissbrauch" hinzu.
Wie die lettische Presse berichtet, haben die laufenden Untersuchungen mit dem Bau eines Heizkraftwerks und mit den Umbauten am Wasserkraftwerk in Plavinas zu tun.
Wie die lettische Presse berichtet, haben die laufenden Untersuchungen mit dem Bau eines Heizkraftwerks und mit den Umbauten am Wasserkraftwerk in Plavinas zu tun.
Am 18.Juni wurde eine achte Person festgenommen, und es wurde bekannt, dass angeblich 1,13 Millionen Euro unterschlagen wurden, Geld, das aus kriminellen Aktivitäten stammen sollen, unter anderem aus Immobiliengeschäften. Verwickelt in diese illegalen Geschäfte sollen auch Geschäftsleute im Ausland sein - in der lettischen Presse wurden bisher Firmen aus der Türkei und der Schweiz genannt, die Partner laufender LATVENERGO-Projekte sind. Um diese Vorgänge vollständig aufzuklären, seien auch Behörden im Ausland um Amthilfe gebeten worden.
Außerdem seien auf unrechtmäßige Weise vorteilhafte Bedingungen für einzelne Privatunternehmer geschaffen worden, um an Aufträge von LATVENERGO zu kommen. Der Rigaer Bizirksgerichtshof gab bekannt dass auch LATVENERGO-Präsident Karlis Mikelsons vorläufig in Haft bleiben muss.
Im lettischen Radio erläuterte Juta Strīķe als Vertreterin des Korruzptionsbekämpfungsbüros, dass seit dem 14.Juni 30 Durchsuchungen unternommen worden seien, wobei 250.000 Euro beschlagnahmt worden seien. Gleichzeitig bestritt Strīķe, dass die Anschuldigungen angeblich nur auf Aussagen einer einzigen Person basierten. "Wir arbeiten schon lange Zeit an diesen Vorgängen, und wenn darüber nichts in der Presse steht, heißt das ja nicht, dass wir nicht arbeiten." Mit dieser Äusserung könnte sie auch auf Presseberichte anspielen, im Büro der Korruptionsbekämpfungsbehörde gäbe es interne Unstimmigkeiten über die Effektivität der eigenen Arbeit.
Am 15.Juni war ein Sprecher des lettischen Wirtschaftsministeriums noch davon ausgegangen, dass die Festnahmen und die Vorwürfe keinen Einfluß auf die laufenden Geschäfte von LATVENERGO haben würden. Für den 22.Juni war eigentlich eine Aktionärsversammlung geplant gewesen. Diese steht nun aber in Frage, da dort auch über die Leitung des Unternehmens entschieden werden muss und Minister Kampars es für unmöglich erklärte, in so kurzer Zeit adäquate neue Führungspersonen für das Unternehmen zu finden. Drei der ehemals fünf Vorstandsmitglieder des Unternehmens sind gegenwärtig noch im Amt.
Abeitnehmervertreter der für den Energiebereich zuständigen lettischen Gewerkschaft zeigten sich bestürzt über die Ereignisse. Man habe einen Brief an das zuständige Wirtschaftsministerium geschrieben und um Aufklärung gebeten, wie es mit der Arbeit der Unternehmensleitung nun weitergehen soll, erklärte Gewerkschafssprecherin Jevgenija Stalidzāne.
Auch der lettische Präsident Zatlers zeigte sich besorgt. Die laufenden Untersuchungen müssten nun klare Ergebnisse bringen, sagte er.
LATVENERGO ist in Lettland monopolartiger Energieversorger und betreut etwa 1.1 Millionen Kunden (Haushalte und Firmen, Marktanteil etwa 95%). Der momentan verbliebene dreiköpfige Vorstand beeilte sich unterdessen zu erklären, dass die Firma normal weiterarbeite. Gerade gegenüber Geschäftspartnern im Ausland sei es wichtig klarzustellen, dass die inhaftierten Personen keinesfalls das Unternehmenskapital oder die Zahlungsfähigkeit beeinträchtigt hätten. Noch in den letzten Monaten war bekannt geworden, dass LATVENERGO für anstehende Investitionen neue Kredite aufgenommen hatte. Es gab auch Spekulationen, das Staatsunternehmen solle teilprivatisiert werden, um diese Investitionen finanzieren zu können.
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