Für 50% der Einwohner Lettlands hat den 8.März als Tag der Frau noch eine Bedeutung - so sagen es Umfrageergebnisse von TNS Latvija aus, die Anfang der Woche veröffentlicht wurden. Möge das lettische Parlament nun über den Status dieses Tages beschließen oder nicht - so schußfolgert TNS. In der Hauptstadt Riga sind es sogar 65% aller Befragten, denen der Tag der Frau wichtig ist.
Wer am 8.März über die Straßen von Riga geht, wird trotz meist zu dieser Jahreszeit eher grauen und tristen Winterwetters ein erhöhtes Vorkommen von Blumen aller Art im Straßenbild feststellen können. Geht es jedoch über diese nette Aufmerksamkeit für die weibliche Seite der Gesellschaft hinaus? Wenig Hoffnung weckt da schon der Blick auf die verschiedenen Volksgruppen. Ein wenig mag ja aus lettischer Sicht zumindest für die älteren Letten der Frauentag immer noch mit den erzwungenen Ritualen der Sowjetzeit zu tun haben - nationalkonservative Parteien versuchen zudem, den Muttertag im Mai als zu zelebrierende Alternative herauszustellen. Allerdings stammt auch dieser Vorschlag vermutlich eher von Männern, die gerne den Frauen bestimmte Rollen zuweisen möchten. Die Umfrage von TNS jedenfalls zeigt, dass unter den Letten in Riga nur 35% den 8.März als sehr wichtigen Tag bezeichnen, während es unter den Russen 71% sind. Bei denjenigen, die mit diesem Tag überhaupt gar nichts anfangen können oder wollen, sieht es entsprechend aus: unter den Letten sind es 19%, unter den Russen 7%.
Die TNS-Umfrage brachte außerdem hervor, dass unter den 35-44-jährigen Einwohnern Lettlands der 8.März die größte Bedeutung hat. Gefeiert wird der Tag meist von denjenigen, die mit ihrem Partner verheiratet sind oder mit ihm/ihr zusammenleben, und dabei ein Einkommen zwischen 100 - 200 Lat (150-300 Euro) haben. Interessant auch, dass der 8.März von Frauen wie von Männern gleichermaßen gefeiert wird - was noch einmal die Aussage bekräftigt, dass es meist Paare sind.
Auf internationaler Bühne wird Lettland - frauenpolitisch gesehen - inzwischen mit Präsidentin Vaira Vike-Freiberga gleichgesetzt. Ob gerechtfertigt oder nicht, in deutschen Kolumnen finden sich Sätze wie dieser: "Kein Sieg für die Frauen, keine Niederlage für die Männer, sondern eine einfache Karriere, wie sie vor ihr Maggie Thatcher, Golda Meir, Benazir Bhutto, Indira Gandhi, Tarja Halonen, Vaira Vike-Freiberga, Madeleine Albright oder Condoleezza Rice hingelegt haben. Im politischen Haifischbecken helfen weder Pumps noch Pimmel, nur Zähne." - so kommentiert allerdings ein Mann (Ralf Schuler, Märkische Allgemeine 8.3.07)
Wahrscheinlich ist aber angesichts der direkt bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Frühsommer, dass Lettland schon bald ohne eine so strahlende weibliche Symbolfigur dastehen wird. Ob dann wieder mehr zum Beispiel über Frauenhandel, Zwangsprostitution, dem kaum verdeckt blühenden Rotlichtgewerbe im Zentrum Rigas, der schwierigen Situation älterer Frauen auf dem Lande, oder von Frauen die im Ausland durch Billigjobs Geld zur Ernährung ihrer Familie verdienen gesprochen wird? Immerhin berichtet eine lettischsprachige Seite über den Start einer EU-weiten Kamapgne gegen die Zwangsprostitution.
Einige lettische Medien bringen heute zur Feier des Tages noch einmal einen historischen Überblick. Der Vorschlag, den 8.März als Tag der Frau zu begehen, sei auf der 2. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen gemacht worden, und zwar von Clara Zetkin (LETA, TVNet, 8.3.07) Am 8.März 1857 habe es aber auch schon einen Streik unter Textilarbeiterinnen in New York gegeben, die für ihre Rechte kämpften. Kann das stimmen? Die Quellen sind hier offensichtlich US-amerikanisch dominiert: auch am 8.März 1908 habe es in New York eine Protestveranstaltung zum Thema Frauenrechte gegeben, steht da zu lesen. In Osteuropa würde der Frauentag - so LETA weiter - seit 1911 begangen (Beispiele werden leider nicht genannt). Klarer erscheinen da die Angaben zu den "Traditionen" zu sowjetischer Zeit: 1966 wurde der Tag der Frau zum arbeitsfreien Tag, in Lettland auch "Tag der Roten Tulpen" genannt, denn diese Blumen seien auch in schlechten Zeiten in meist zufriedenstellender Anzahl überall zu bekommen gewesen.
(die Geschichte vom starken Seemann - Abbildung - stammt vom lettischen Internetportal DELFI. Text: "Glückwunsch zum 8.März!")
Die Verfasser(-innen?) dieser zuletzt zitierten lettischen Presseberichte über historische Daten müssen sich allerdings schon von ihren lettischen Lesern auf ihrer Internetseite korrgieren lassen: "Alles schlecht recherchiert," steht da zu lesen, Clara Zetkin habe nur das wiederholt, was andere längst in die Praxis umgesetzt hätten. "Klar, zu Sowjetzeiten war es nur ein Ritual," äussert sich jemand mit Nickname "LĪBIIEŠU MĀRA", denn schließlich habe ja damals der Blumenstrauß die Männer lediglich 30 Kopeken gekostet. Beim Blumenstrauß sei es meist nicht geblieben, den Männern sei es regelmäßig viel wichtiger gewesen, noch mindestens 10 Rubel für die dazu gekauften alkoholischen Getränke auszugeben. "Wo aber waren damals die angeblich garantierten Frauenrechte?" wird weiter gefragt. "Gut, es gab Traktoristinnen, Bauarbeiterinnen - aber wie viele Frauen waren denn im Politbüro? Und wie viele Frauen in höheren Ämtern?"
Auch eine Initiative "zum Erhalt des 8.März" findet sich in Lettland. "Schmeißen wir alle sowjetischen Überbleibsel weg - aber es bleiben 100 Gründe, die es wert sind, diesen Tag für die Frauen zu behalten", so ist da zu lesen (DELFI, 8.3.07)
Keine Illusionen also - weder gestern noch heute. Nur die Blumenboukets sind teurer geworden: was "Fleurop Lettland" zum Beispiel auf seiner Internetseite anbietet, kostet durchweg zwischen 12 und 46 Lat (18-69 Euro). Ein teurer Spaß.
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