24. März 2007

Die Justiz räumt auf - vor Gericht

Mittwoch, der 14. März, war ein aufregender Tag in Lettland. Aivars Lembergs, eine der schillerndsten Figuren in der lettischen Politik und Geschäftswelt, wurde verhaftet. Sechs Stunden Beratungszeit brauchte das zuständige Gericht auch nach seiner Festnahme noch, um die Aufrechterhaltung der Haft zu bestätigen. Die Anklage lautet auf Geldwäsche von insgesamt 10 Millionen Lat (ca. 15 Millionen Euro), sowie falscher Deklarierung seines wahren Eigentums.

Zwischen Ventspils und Jurmala
Doch damit nicht genug: am 23.März verurteilte das Regionalgericht Zemgale den früheren BMW-Händler German Miluss und den früheren Bürgermeister von Jurmala wegen Bestechungsdelikten im Zusammenhang mit der Kommunalwahl 2005 beide je zu 5 Jahren Gefängnis. Ein dritter Angeklagter wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, während ein weiterer Verdächtiger noch flüchtig ist. Ans Licht gebracht hatte den Vorgang der Gemeinderatsabgeordnete von Jurmala, Ilmars Ancans, im März 2005.
Wenige Stunden später musste Staatsanwältin Velta Zaluknse allerdings zugeben, dass der Angeklagte Miluss, der zur Urteilsverkündung nicht im Gerichtssaal erschienen war, offensichtlich geflohen war. Und auch eine Eigentumskonfiszierung, die eigentlich im Urteil vorgesehen war, wird wohl nur schwer zu vollziehen sein: die beiden Hauptangeklagten hatten vieles bereits ihren Ehefrauen überschreiben lassen.
Der Bestechungsfall war in Lettland unter dem Namen "Jurmalgate" bekannt geworden. Politische Beobachter hatten den Fall auch dahingehend kommentiert, dass die Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit nur Handlanger anderer politischer Auftraggeber gewesen seien, die sich in dem prestigeträchtigen Badeort Jurmala die politische Einflußnahme sichern wollten.

Geschwüre, Gerüchte, Geschäfte?
Der Fall Lembergs dagegen schwelt schon einige Jahre. "Du kannst in Ventspils nicht mal ein Toilettenhäuschen privatisieren, ohne seine Einwilligung," so besch
reibt es der Journalist Lato Lapsa in seinem Buch "Kas ir Lembergs" ("Wer ist Lembergs", Riga 2006), in dem auch eine Menge Zahlen, Dokumente und Fakten wiedergegeben sind, die im Zusammenhang mit zwielichtigen Geschäften von Lembergs stehen. Lapsa gibt zu, dass er in seiner Arbeit von Lembergs politischem Konkurrenten Andris Šķēle unterstützt worden ist. Aber über die Zeit der Privatisierung der Filetstücke von Lettlands Ölwirtschaft ist dort eine deratige Fülle von Dokumenten zitiert, dass einziges Argument noch sein könnte: "andere haben es auch nicht besser gemacht."

Lembergs baute jahrlang an seinem persönlichen Mythos - woher er das Geld hat, danach haben viele höflicherweise nicht gefragt. Denn wer fragt schon, der selbst Nutzen davon hat. Lembergs galt als großzügig, und treu sorgend für seine Stadt: in frohen Farben frisch renoviert, so präsentierte sich Ventspils bereits seit Jahren. Und Lembergs kennt sich aus: in den 80er Jahren in verschiedenen Positionen der sowjetlettischen Kommunisten aktiv, wurde er 1988 Bürgermeister von Ventspils. Danach wurde er fünfmal wiedergewählt, dreimal davon mit über 70% der Stimmen. Eine einzigartig dominierende Figur in der lettischen Politik - die, klein von körperlicher Größe, gerne aus der Provinzpolitik hinaus zu den ganz Großen zählen würde.
Spekulationen um Korruption ranken sich um die Privatisierung von Firmen des Ölhandels und -transports, die in Ventspils angesiedelt sind. Inzwischen ist dort die niederländlische "Yelverton Investment" als Betreiberin vieler Anlagen eingezogen, die aber ihre Eigentümer nicht offenlegt. Es gibt Spekulationen, dass Lembergs insgesamt über ein Vermögen von 85 - 230 Millonen Euro verfügen soll - offiziell waren es 2005 laut seiner Steuererklärung 12,3 Millionen Euro.


Fehlendes Vertrauen?
Noch sieht es trotz dieses offensichtlich energischen Vorgehens der lettischen Justiz nicht so aus, als ob den Bürgerinnen und Bürgern Lettlands schnell das Vertrauen in Recht und Gerechtigkeit zurückgegeben werden könnte. Umfragen direkt nach Lembergs Verhaftung zufolge bezeichneten über 50% der Befragten das Vorgehen gegen den immer lächelt und gönnerhaft auftretenden "König von Ventspils" als "politisch bestellt". Auch Lembergs selbst war wieder schnell dabei, eine "Kampagne zur Zerstörung seiner moralischen Integrität", "Interessen Russlands", oder gar eine bevorstehende Abwertung des lettischen Lat als Schuldigen auszumachen. "In diesem Staat ist der Mensch rechtlos," sagte er zur Neatkariga Rita Avize - eine Zeitung, die ihm allerdings selbst gehört (und die ihm demzufolge gern Raum zur Selbstdarstellung gibt). Gerüchte und Verschwörungstheorien haben in Lettland immer gerne Hochkonjunktur. Und in einem Land, in dem schon in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eher viele kleine Parteien sich um die Macht stritten, wird angesichts einer mit stabiler Mehrheit ausgestatteten gegenwärtigen Regierung inzwischen von zu großer Machtkonzentration geredet. Wird den Letten die eigene Regierung unheimlich?

Noch 2006 war Lembergs Kandidat für das Amt des Regierungschefs in Lettland - so hatte es die gemeinsame Liste der lettischen Bauernpartei und der Grünen vorgeschlagen. Kandidat auf einer Wahlliste war Lembergs aber nicht - das hätte nämlich zwei weitere Verpflichtungen mit sich gebracht. Jeder Parlamentskandidat muss in Lettland sein Einkommen inklusive Automarke und Landbesitz offenlegen, und eine Erklärung unterschreiben, niemals mit dem sowjetischen KBG zusammengearbeitet zu haben.

Wer lacht zuletzt?
Viel ist noch zu recherchieren im Fall Lembergs. Zum Beispiel zu einer angeblichen Liste von etwa 20 lettischen Politikern, die direkt von Lembergs bezahlt wurden. Ganz besondere "Stipendiaten" - ob sie nun von der Justiz, oder von Lembergs im Falle einer Verurteilung aus "Rache" offengelegt werden? Es bleibt spannend.