Verrrückte, aber gegenüber der schnell wachsenden Konsumwelt aussichtslose Kultgurprojekte gab es schon genug in der lettischen Hauptstadt Riga - sollte man meinen. Auf ein sensibles Bewußtsein für traditonelle Werte und politische Absichtserklärungen hoffend, startete so mancher in die neue Zeit mit einer Menge Illusionen im Kopf - und wenig Geld in der Tasche.
Dem gegenüber schreitet die Entwicklung der Business- und Konsumwelt in Rigas Innenstadt schnell voran: die Grundstückspreise steigen ins Unermessliche, Banken und ausländische Firmen streiten sich um die Filetstücke der Altstadt.
Platz für Rigas alternative Kulturszene schien es nicht mehr zu geben. Bis, ja bis am 20.Mai 2006, im Rahmen von Rigas "Nacht der Museen", in der Nähe des Rigaer Passagier- und Jachthafens die MUSEO-ZONE eröffnet wurde.
Wer an diesem Tag dabei war, wird gestaunt haben über das breite Spektrum von Besucherinnen und Besuchern: von älteren Folklorefans bis zu ausgeflippten Punks, von sachlich gekleideten jungen Managertypen bis zu träumerischen Weltenbummlern war alles vertreten. Inklusive den staatlichen Repräsentanten: Kultusministerin Helena Demakova hielt eine Eröffnungsrede, und auch Wirtschaftsminister Aigars Štokenbergs beehrte das neue Kulturareal mit seiner Anwesenheit. Zunächst für zwei Jahre ist das Areal, kaum 15 Minuten zu Fuß von der Altstadt gelegen, für die verschiedenen Kulturgruppen zur Nutzung freigegeben.
Kernstück des Geländes ist eine ehemalige Lagerhalle, mit solidem Holzgerüst erbaut, die nun zum "Museum für naive lettische Kunst" erklärt wurde. Sorgsam gesäubert, und in warmen und freundlichen Farben innen gestaltet, wartet es nun auf seine Gäste. Unter den Initiatoren sind Aivars Leitis, Kunstwissenschaftler aus Valmiera und Buchautor eines Werkes über die naive Kunst in Lettland ('Tīrradņi. Naivā māksla Latvijā'), und Dzintars Zilgalvis, bisher als Betreiber der schwimmenden Galerie NOASS bekannt.
Dass sich aber die kreativen Aktivitäten nicht auf ein traditionelles Museum beschränken werden, bewiesen am 20.Mai die Vielzahl anderer Aktivitäten: Die Dichterin Amanda Aizpuriete beteiligte sich zusammen mit einigen weiteren Dichterkollegen, "TEC 1" hatte ihre Performances vorbereitet, und das „Laboratory of Stage Arts” brachte Aufführungen als Verbindung von Dichtung und Jazzmusik. Auf dem weitläufigen Gelände (einzige Sorge der Betreiber: hoffentlich fällt nachts niemand ins Hafenbecken...) hatten sich freie Künstler mit ihren Mulitmedia-Vorführungen aufgebaut, und auf mehren Bühnen gab es stundenlang verschiedene Darbietungen, von der Nachwuchsband "Astro'n'out" bis zu den Trommlern von "Afroambient" oder den rockigen Stücken von "Mona de Bo" oder "IndiGo".
Sogar eine kleine alternative Herberge richtete eine Initiativgruppe auf dem Gelände in einem alten Verwaltungsgebäude ein. Mit altlettischen Gesängen und rytuellen Beschwörungen wurde es eingeweiht und die geschmackvoll eingerichteten Räumlichkeiten den interessierten Besuchern stolz vorgeführt.
Finanziell unterstützt wird das Projekt unter anderem vom lettischen Energieversorger LATVENERGO, vom Kulturministerium, von der lettischen Kulturstiftung, vom Rigaer Stadtrat und von einigen Firmen, die es als Beitrag zur Stadtentwicklung aufbauen wollen. Wem in Zukunft das bekannte Treiben in Rigas Altstadt zu langweilig wird: wagt ein paar Schritte weiter zur Halbinsel Andrejsala und zur "Museo-zone".
Hier noch einige Eindrücke von der Eröffnungsnacht am 20.Mai. Und wer demnächst mal in Riga ist, sollte sich den Veranstaltungsort auf jeden Fall merken!
Noch gibt es leider keine eigene Internet-Seite von MUSEO-ZONE. Lettischsprachige Infos sind verfügbar über eine Seite der Entwicklungsagentur "Jaunie trīs brāļi", über das lettische Kulturministerium, oder auf der Seite der Galerie NOASS.
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