Ottfried Fischer, Franz Beckenbauer, Stirling Moss, Siegmund Freud - das sind alles Namen, zu deren Ehren in diesem Jahr die Österreichische Post Sondermarken herausgibt. Ein lettischer Name reiht sich da nahtlos ein: Mariss Jansons.
Als Dirigent des Neujahrskonzerts 2006 feierte Jansons zwar nicht seinen künstlerischen Durchbruch (in der internationalen Musikwelt ist Jansons längst gut bekannt), aber sein Name ist nun wohl auch im deutschsprachigen Raum in der Ehrengalerie angekommen. "Der lettische Darling", so schrieb es die Berliner Morgenpost. Das Neujahrskonzert flimmert traditionell nicht nur über die meisten Fernseher in Deutschland, sondern die Sonderbriefmarke zeigt auch, dass allein die Einladung als Dirigent schon eine große Ehre darstellt.
Botschafter Lettlands
Fast könnte man Jansons auch schon diplomatische Aufgaben zuschreiben: als Dirigent des Neujahrskonzerts beispielweise befleißigten sich auch eine Reihe bekannte Persönlichkeiten, dem Orchesterchef "Backstage" die Hand zu drücken - so etwa die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Wer den hohen Stellenwert kennt, den kulturelle Leistungen in Lettland selbst haben, der wird vielleicht die Arbeit eines Dirigenten auch als eine Art "Traumberuf" einzuschätzen wissen. Am eindrucksvollsten wird dies immer dann deutlich, wenn Zehntausende den Dirigenten des großen Sängerfestes auf der Freilichtbühne in Riga zujubeln. Man möchte beinahe sagen: "wie Popstars", aber der Vergleich hinkt kräftig angesichts der gekünstelten und gestylten Welt der kommerziellen Massenware, in der Persönlichkeiten doch eher nur vom Image leben.
Lettlands Dirigenten werden verehrt wie geehrt, und die sangesfreudigen oder ein Musikinstrument spielenden lettischen Mitbürgerinnen und Mitbürger werden immer stolz erzählen, unter welchem Dirigent sie das getan haben.
Bekannt in der internationalen Musikszene
Natürlich freut sich auch ein so kleines Volk der Letten, wenn ein Landmann im Ausland Ansehen und Bekanntheit genießt. Lange Jahre war der 1943 in Riga als Sohn des Dirigenten Arvids Jansons geborene heutige Stardirigent in St.Petersburg tätig, wo er seine musikalische Ausbildung am Leningrader Konservatorium in den Fächern Violine, Klavier und Dirigieren mit Auszeichnung absolvierte. Jansons selbst schilderte es einmal in einem Interview als Schwierkeit, in der Sowjetunion als "Sohn eines Dirigenten" voran zu kommen. "Das war in der Sowjetunion schwierig. Wenn man aus einer Arbeiterfamilie kam, dann war alles sehr einfach. War man intelektuell sind, dann wurde es schwierig. Intelligenz war den Kommunisten suspekt."
"1969 setzte der damals 26-jährige seine Ausbildung in Wien bei Hans Swarowsky und in Salzburg bei Herbert von Karajan fort", so informiert die Wiener Zeitung ihre Leser über die frühzeitige Verbindung des Letten zur Hauptstadt Österreichs. "Zwei Jahre später siegte er im internationalen Herbert von Karajan- Wettbewerb in Berlin, stets ein untrügliches Kennzeichen auf dem Weg zu einer großen Karriere." Endgültig zum "Who is who" der Musikwelt Österreichs gehört er schon seit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Musikfreunde in Wien am 6.Juni 2001.
Aber die Arbeit Mariss Jansons beschränkt sich natürlich keinesfalls auf Europa. Er dirigierte unter anderem die Wiener Philharmoniker, das Berliner Philharmonische Orchester, die führenden Londoner Orchester und das Israel Philharmonic Orchestra sowie die amerikanischen Spitzenorchester von Boston, Cleveland, Philadelphia und New York.
Seit der Konzertsaison 2003/2004 ist Jansons Chefdirigent von Symphonieorchester und Chor des Bayerischen Rundfunks, und genau in dieser Funktion erreichte er nun ein weiteres Highlight seiner Karriere: am 9.Februar 2006 wurden Orchester und Dirigent der GRAMMY für Chor und Symphonieorchester zugesprochen. Ein Anlaß, den auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber zu Lobeshymnen anregte: "Ein großer Tag für das Kulturland Bayern." (DDP/Freie Presse)
"Jansons kann nun die Früchte seiner Arbeit ernten", schrieb auch die lettische Presse (NRA) stolz.
Sorgen, und noch viel Arbeit
Verliehen wurde der GRAMMY für die Aufnahme von Schostakowitschs 13. Symphonie «Babi Yar». „Mariss, denke daran: Lieber ein gutes Konzert weniger als ein schlechtes mehr“. Diesen Ratschlag seines eigenen Dirigenten-Vaters überlieferte Jansons selbst in einem Interview von ARTE-TV. Der Vater starb 1984, direkt im Anschluß an ein Konzert. Wie anstrengend das für Laien manchmal so beliebig aussehende Dirigieren sein kann, zeigt sich vielleicht darin, dass auch Mariss Jansons bereits einen Herzinfarkt erleiden musste. Mitten auf der Bühne, sieben Minuten vor Ende einer Aufführung von "La Boheme" in Olso passierte das. "Ich nahm mir vor, anders zu leben, habe große Pläne gemacht, aber ab einem gewissen Zeitpunkt geht fast alles wieder in die gleiche Richtung von vorher," sagte Jansons halb lakonisch halb resignierend dazu. Zu vermuten ist aber, dass Jansons noch einige weitere musikalische Highlights in Planung hat.
Weiteres im Internet zu Mariss Jansons:
- Kurzbiographie EMIClassics
- Infos des Bayrischen Rundfunks
- Festspielhaus Baden-Baden
- Wikipeda
- Interview des Münchener Kulturmagazins "Applaus" (1995)
- Beitrag in DIE ZEIT (2003)
- CD-Kritiken beim Musikmagazin RONDO
- Shop der Wiener Philharmoniker zum Neujahrskonzert 2006
- über Jansons Beziehung zu Schostakowitsch
- Mariss Jansons im lettischen Portal "Kultura.lv"
- Beitrag in PAAVO PROJEKT zu Mariss Jansons und Paavo Järvi
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