13. Oktober 2005

Deutscher Demokratieexport nach Osten?

Ein "Programmfenster für Belarus" wolle man eröffnen, so kündigte die DEUTSCHE WELLE ihre neuen Sendungen an, die mit Finanzierung der Europäischen Union ab sofort Richtung Weissrussland ausgestrahlt werden. Der deutsche Sender hatte sich dabei, Meldungen von Fachmedien zufolge, mit seiner Bewerbung gegen den BBC World Service und den Fernsehsender Euronews durchgesetzt. Die EU fördert das neue Programmfenster mit 138.000 Euro.

Auch bei den baltischen Nachbarn der Belorussen erregt diese neue EU-Medienpolitik Aufsehen. Allerdings weniger deshalb, weil den Deutschen diese Aufgabe überlassen wurde, sondern vor allem daher, dass sämtliche Sendungen nur in Russisch ausgestrahlt werden. "Das ist letztendlich doch Diskriminierung!" erregt sich Askolds Rodins, Kommentator der lettischen Tageszeitung DIENA. Wenn die europäischen Staaten helfen wollten, Weißrussland von dem "letzten Diktator Europas" (Alexander Lukashenko) zu befreien, dann sei das ehrenwert, so Rodins. Das Land leide aber schon viel länger unter der Russifizierung als zum Beispiel Lettland. Die gesamte Intelligenz Belorusslands sei schon in den 20er Jahren ausgerottet und vernichtet worden, und ein freies Wort in Weißrussisch zu erheben, sei seither nicht mehr möglich.

Ganz andere Reaktionen ernten die neuen Sendungen, die 15 Minuten jeden Tag ausgestrahlt werden, in jenen Ländern, wo Russisch ausdrücklich verstanden wird. Der Kreml in Moskau meldete sich laut FAZ noch vor Programmstart zu Wort: "Was die Deutsche Welle sende, gehöre, sagte Sergej Jastrschembski, Berater des russischen Präsidenten Putin der Zeitung 'Nesawissimaja Gazeta', zu den Mitteln aus dem Arsenal des Kalten Krieges. Der Entschluß, das Programm zu starten, erhöhe Nervosität, Mißtrauen und Unzufriedenheit, die zwischen Minsk und der Europäischen Union herrschten, sagte der für die Beziehungen zur EU zuständige Kreml-Berater."
Foto: Blick auf Minsk. Quelle: Belarusnews

















Die Verantwortlichen der EU argumentieren anders: "Wir führen den Menschen vor Augen, was in anderen Ländern passiert, wie es eigentlich sein sollte, welche Möglichkeiten sie haben sollten zur freien Meinungsäußerung", so zitiert DEUTSCHE WELLE RADIO die EU-Aussenkommissarin Benita Ferrero-Waldner.
Die gleiche Quelle zitiert auch Wladimir Dorochow, den neuen verantwortlichen Redakteur des Weißrussland-Programmfensters: "Nur sieben Prozent benutzen Weißrussisch", meint er, und im Internet würden ja die Programminformationen auch in weißrussischer Sprache verbreitet, rechtfertigt er sich.
Die FAZ dagegen zitiert Cornelia Rabitz, Leiterin des Russland-Programms der DEUTSCHEN WELLE. "Offenkundig befürchte der Putin-Berater Jastrschembski, dass die für Weißrussland produzierten Sendungen der Deutschen Welle auch in Rußland gehört werden, wo die Medien vom Kreml gegängelt werden". so Rabitz.

Aber auch die kritische Perspektive aus Sicht der baltischen Staaten wird teilweise von deutschen Medien geteilt. "Ausgerechnet in der Besatzersprache Russisch" sende die DEUTSCHE WELLE, so Barbara Oertel in der TAZ. Oertel zitiert unter anderem Litauens Ex-Staatspräsident Vytautas Landsbergis mit der Aussage, dass man sich mit einer derart konzipierten Sendung "zu Russlands Komplizen bei der Russifizierung seiner Nachbarn" mache.

Der lettische Polit-Kommentator Rodins dagegen hofft, dass die Förderung der Demokratie in Belorussland Erfolg haben werden. "Dennoch hätte man auch die gegenwärtig funktionierenden Radiostationen in der Nähe einbbinden können - Litauen, Polen oder Lettland. Das wäre sicher noch effektiver gewesen." - Da hätte man ihm die Lektüre der TAZ empfehlen können, die aufführt, warum das wohl nicht möglich war. So hätten die Sendeanstalten "einen jährlichen Mindestumsatz von drei Millionen Euro" nachweisen müssen - das schließe die Bewerber aus Lettland, Litauen oder Polen von vornherein aus. Wer zahlt, bestellt eben auch die Musik.

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