14. September 2005

Frau Ministerin offensiv

In einem Interview für die das Schweizer Komittee der Europäischen Kulturstiftung äussert die lettische Kulturministerin Helena Demakova Erstaunliches:
"Die Schweiz ist das langweiligste Land der Welt" provoziert sie ihre Diskussionspartner - an dieser Stelle verzeichnet die schriftliche Fassung des Gespr�chs noch ein Lachen (es ist nicht nachzuvollziehen, ob es ironisch gemeint war). Befragt danach, wie sie der Angst vieler Schweizer vor einem Zustrom von Osteurop�ern (also auch Letten) begegnet, wird Demakova noch deutlicher: "Städte wie Berlin oder Rom sind doch wesentlich anziehender. Ich habe noch nie einen jungen Letten kennengelernt, der davon tr�umte, (bei Ihnen) in der Schweiz zu leben!"

Auch zur Frage der Perspektiven für Europa nimmt die lettische Kulturministerin kein Blatt vor den Mund: "Was die Europäer im Grunde am stärksten bedroht, ist ihre wirtschaftliche Schw�che aufgrund ihrer mangelnden Flexibilität."
Sie nennt auch Beispiele: "Ich glaube aber, dass beispielsweise die Lage der von der Union subventionierten französischen Bauern kein Mindeststandard ist. Sie leben wie im Paradies! Einen solchen Lebensstandard wird man niemals allen Bauern des Kontinents gewährleisten. Und wenn ich daran denke, dass genau diese Bauern gegen die Europäische Verfassung gestimmt haben, begreife ich überhaupt nichts mehr. Eine ziemliche Dreistigkeit!"

Oho, Frau Ministerin! Das wird die Franzosen nicht freuen, und klingt nach Parteinahme für die Konzepte von Tony Blair.
Aber auch bezüglich der Situation des eigenen Landes, bleibt die Lettin selbstbewußt: "Ich kann mit Stolz sagen, dass es sehr einfach ist, Lette zu werden. Viel einfacher, als zum Beispiel die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten."
Demakova ergänzt: "Tatsache ist, dass Russland keine demokratische Macht ist. Es sucht aus innenpolitischen Gründen Streit mit uns. Doch zugleich unterhalten wir mit Russland intensive, insbesondere wirtschaftliche Beziehungen, die dadurch erleichtert werden, dass in Lettland viele Menschen fließend russisch sprechen."


Das vollständige Interwiev, mit Datum vom 24.August 2005, ist zu lesen auf den Seiten des Schweizer Komitees der Europ�ischen Kulturstiftung, die hiermit eine Diskussionsveranstaltung ank�ndigen wollte, die am 9.September 2005 unter dem Motto "der Osten hat das Wort" in Bern stattfand. Diskutanten waren hier unter anderem auch Borislaw Geremek und Tomasz Kowakowskiaus aus Polen, Tereza Brdeckova aus der Tschechischen Republik und Laszlo Rajk aus Ungarn.

1 Kommentar:

Jens-Olaf hat gesagt…

Meinungen aus den baltischen Staaten werden ernst genommen, Meinungen die von Politikern stammen. Das ist wichtig, wenn die europ�ische Einigung gelingen soll. Schlie�lich warten wir auf die gemeinsame europ�ische Aussenpolitik. Und was sagt die lettische Pr�sidentin in diesem Fall zur T�rkeifrage. In der FAZ im Interview auf Seite 2 am Montag:

"Die T�rkei ist eine harte Nu�. Die T�rkei will schon lange aufgenommen werden, hat aber nie die Konsequenzen gezogen, um die Voraussetzungen daf�r zu erf�llen. Jetzt ist Ankara nicht bereit, alle 25 EU-Mitglieder gleich zu behandeln. Es kann nicht angehen, da� Zypern f�r die T�rkei EU-Mitglied zweiter Klasse ist. Die Entscheidung, ob die T�rkei Mitglied der EU wird, treffen nicht Pr�sident Chirac oder Bundeskanzler Schr�der, sondern die Politiker, die regieren, wenn die T�rkei alle 31 Kapitel des acquis communautaire abgearbeitet hat."

So weit sind wir schon, m�glicherweise legt sich EU-Lettland mit der T�rkei an und Deutschland/Frankreich werden mit Kritik belegt. Der T�rkei bleiben aber grunds�tzlich alle T�ren offen, so die Lettin.
Neue Zeiten, mir gef�llt`s.