Nun werden in Lettland voraussichtlich am 31. Mai erneut Präsidentschaftswahlen abgehalten, die Amtszeit von Levits endet am 7. Juli. Ob er aber eine Chance für eine zweite Amtszeit erhält, erscheint bisher sehr unsicher. Bis zum 13. Mai werden weitere Kandidaten gesichtet (Frauen gibts bisher nicht darunter).
Architekt neuer Prioritäten?
Bereits Anfang April hatte Uldis Pilēns sein Interesse an einer Kandidatur bekundet. Pilēns, mit 66 Jahren ein Jahr jünger als Levits, hatte bereits im vergangenen Jahr die politische Landschaft Lettlands neu zu sortieren vermocht, als sich in seinem Umfeld die sogenannte "Vereinigte Liste" ("Apvienotais saraksts" AS) als neue Partei formierte, gebildet aus einer bunten Mischung von Politikern die es vorher in anderen Parteien versucht hatten (auch hier sind Frauen eher selten, im Vorstand findet sich unter 10 Mitgliedern eine Frau), oder, wie zum Beispiel Māris Kučinskis, sogar schon einmal lettischer Regierungschef waren. Der neue Parteislogan heißt nun: professionell, regional, grün. Für das Letztere sollen wohl die aus der Klammer mit dem Bauernpartei "geflüchteten" (konservativen) lettischen Grünen stehen, dazu kommt eine starke Verflechtung in alle Teile des Landes durch den Verband der Regionen (Latvijas Reģionu Apvienība). Und wer einen starken Geldgeber hinter sich hat, eben Pilēns, dessen Arbeit gilt in Lettland offenbar als "professionell".
Uldis Pilēns, geboren in der Hafenstadt Liepāja, besuchte ab 1974 zunächst die Fakultät für Architektur am damaligen Politechnischen Institut (heute Universität) Riga. 1976 bis 1980 war er an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar (DDR) eingeschrieben - die heutige Bauhaus-Universität. Für diesen besonderen Auslandsaufenthalt interessierten sich auch Journalisten der lettischen Zeitschrift "IR" und fragten, ob dazu nicht eine Übereinkunft mit dem sowjetischen KGB notwendig gewesen sei. Ein solcher Austausch von Studierenden sei damals einfach die Politik der UdSSR gewesen, antwortet Pilēns - man könne ihm ja nicht einfach vorwerfen, im falschen Jahr am falschen Ort gewesen zu sein, Kontakte zu irgendwelchen sowjetischen Sicherheitsorganen habe es nicht gegeben, behauptet er.
Nachdem er bis 1988 fünf Jahre lang Stadtarchitekt in Liepāja gewesen war, gründete Pilēns danach ein eigenes Architekturbüro, leitete die Entwicklung einer Sonderwirtschaftszone in Liepaja (SEZ) und war auch in leitender Funktion beim Energieversorger LATVENERGO. Seitdem war er, wie es so schön auf Neulettisch heißt, "biznesmenis", beteiligt an verschiedenen Firmen des Baugewerbes und gründete zusammen mit seiner Frau Ilze auch noch die "Ola Foundation", die "neue Ideen und Synergien" fördern möchte, mit Veranstaltungszentrum und kleinem Hotel.
Bereits 1998 übernahm Pilēns ein Vorstandsamt in der neu gegründeten "Tautas Partija" ("Volkspartei", 2011 aufgelöst); in den Stadtrat seiner Heimatstadt Liepāja wurde er 2005 für vier Jahre gewählt (cvk). "Die ersten zehn Jahre sind immer mit viel Romantik verbunden", antwortete Pilēns auf eine Journalistenfrage nach diesen ersten Schritten in der Politik und zitiert eine Theorie, die er Schweizer Zeitungen entnommen habe: "neue politische Kräfte bestehen in der Regel aus einem Drittel begeisterten Romantikern, einem Drittel aus Opportunisten und zu einem Drittel aus Karrieristen - auch wir hatten damals zunächst einfach den romantischen Wunsch, Lettland zu verändern". (IR)
Nun also die neue politische Initiative der "Vereinigten Liste". Sie stellte unter anderem eine Alternative dar für Anhänger der bisherigen Fraktion der "Grünen und Bauern" ("Zaļo un Zemnieku savienība" ZZS), die sich seit 2002 vor allem von Aivars Lembergs finanzieren ließen, einem Mann mit durchaus zweifelhaftem Ruf (der aber auch immer wieder als Präsidentschaftskandidat nominiert wurde). Nun wechselten mehrere bekannte Politiker, und auch gleich die ganze Grüne Partei zur "Vereinigten Liste", und die Partei bot sich nach den Wahlen 2022 erfolgreich Regierungschef Krišjānis Kariņš als Koalitionspartner an. Die Partei stellt nun 3 Minister und eine Ministerin, aber Pilēns selbst kandidierte nicht.
Regierung und Präsident stürzen?
Als nächster Schritt folgt nun also das Präsidentschaftsrennen. Noch bevor Egils Levits eine Entscheidung zur Kandidatur für eine zweite Amtszeit bekanntgab, warf schon Uldis Pilēns seinen Hut in den Ring - obwohl seine Partei im Parlament ja nur über 15 der 100 Sitze verfügt, und in dem Wissen, dass der Koalitionspartner der "Jauna Vienotība" (26 Sitze), die Partei von Regierungschef Kariņš, sich für Levits ausgesprochen hatte. Es fehlte aber nicht der Hinweis darauf, die öffentliche Unterstützung für den amtierenden Präsidenten sei "bedenklich niedrig".
Die "Vereinigte Liste" betont immer wieder, sie habe nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verhindern wollen dass Kräfte in der Saeima an die Macht kommen,
welche die Sicherheit Lettlands und die Ziele der Außenpolitik beeinträchtigen könnten. Deshalb die neue Partei. Nun wird ja die erste Runde der Präsidentschaftswahlen eine Abstimmung im Parlament sein: wer mindestens 51 von 100 Stimmen bekommt, wäre gewählt. Während nun die Rechtsnationalen (“Nacionālā apvienība”) und die "Jauna Vienotiba" sich für Levits ausgesprochen haben (= zusammen 39 Stimmen), erklärte sich Ainārs Šlesers, inzwischen Kopf der Partei "Lettland zuerst" ("Latvija pirmajā vietā") bereit, ebenfalls Pilēns wählen zu wollen (= ergibt dann zusammen 24 Stimmen). Von Šlesers ist die Äußerung bekannt, er wolle "Kariņš und Levits aus dem Amt jagen, so dass sie mit den Füßen nach vorn rausgetragen werden" (lsm).
Von der "Zaļo un Zemnieku savienība" (16 Stimmen, die sich immer noch "Grüne Bauern" nennen, nun aber mit der "Lettischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei" LSDSP eine Verbindung eingegangen sind) ist noch keine Entscheidung für oder gegen bestimmte Kandidaten bekannt. Viele Male zuvor hatten sie ihren eigenen "Sponsor" Ainars Lembergs aufs Kandidatenschild gehoben. Ainārs Šlesers äußerte die Überzeugung, dass schließlich alle gegenwärtigen Oppositionsparteien gegen Levits stimmen würden. Die "Progressiven" (“Progresīvie”, 10 Stimmen) stellten bisher in Aussicht, zumindest in der ersten Abstimmungsrunde noch einen eigenen Kandidaten aufstellen zu wollen. Bei den tendenziell moskaufreundlichen Genossen der "Stabilitātei" und deren Parteicheef Aleksejs Roslikovs möchte keiner der zwei bisherigen Kandidaten um Stimmen werben.
Unsichere Aussichten
Von wem auch immer die präsidiale Mehrheit käme - Pilēns sieht keine Gefahr darin, von wem die Stimmen dann kommen könnten - wenn er nur gewählt würde. Außerdem äußert er die Absicht, im Falle seiner Wahl alle Posten in verschiedenen Firmen niederzulegen. "Es ist ganz klar, dass ich im Falle meiner Wahl nicht mehr in die Wirtschaft zurückkehren werde", so Pilēns (IR).
Alles sieht also bisher nach einer Art "politischem Pokerspiel" aus. Wer seine Trümpfe zuletzt ausspielt, wird gewinnen? Es gibt auch (bisher leise) Rufe, es könnte ruhig mal wieder eine Frau das Präsidentenamt übernehmen. Aber ob es eher Levtis, das "Entchen", oder andere (hohe) Tiere werden ... vorerst bleibt es eine offene Frage.
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