eine Szene aus dem Stadtmarketing: erleben Sie Liepāja, die Stadt der Paradoxe und Gegensätze! |
Auf ein "runde" Jubiläumsfeier passt das Datum nicht ganz: seit 1625 besitzt Liepaja Stadtrechte (alter deutscher Name = Libau), also das 400-jährige Bestehen kann noch im Vorfeld der großen europäischen Bühne gefeiert werden. Als "Lyva" findet sich der Ort schon 1253 in einer Urkunde, blieb aber in seiner Bedeutung als Hafen hinter Memel (heute Klaipeda) und Ventspils (deutsch "Windau") zurück.
Auch die beiden anderen Bewerberstädte hatten versucht gute Argumente in eigener Sache zu sammeln. Während Daugavpils die Notwendigkeit herausstrich, der östlichen Region Latgale neue Inspiration zu verleihen, betonte Valmiera die Anziehungskraft auch als wirtschaftliches Zentrum der nordlettischen Region. "Wir haben nicht nur Sauna und Chormusik", heißt es aus Richtung lettischer Westküste. (Liepajniekiem). "Über Liepāja können wir noch viele Geschichten finden, die noch nicht auserzählt sind", so Baiba Bartkeviča, künstlerische Leiterin der Bewerbung von der lettischen Westküste (lsm). Bartkeviča, ausgebildet sowohl als Dirigentin, Sängerin und Lehrerin für zeitgenössischen Tanz hatte selbst 20 Jahre im Ausland verbracht (davon einige Zeit in Stuttgart), bevor sie 2017 in ihre Geburtsstadt zurückkehrte und die künstlerische Leitung des Konzertsaals “Lielais Dzintars” übernahm.
Liepāja hatte sich auch schon 2014 für den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt beworben - damals gewann Riga die innerlettische Bewerbungsrunde. "(ne)miers" ("(Un)ruhe") war der Titel des künstlerischen Konzepts, mit dem sich die Stadt nun erneut beworben hatte. Der zugehörige Webauftritt ist - relativ mutig - fast ganz in schwarz-weiß gehalten; ein (atmosphärisches) Zugeständnis an den legendären Ruf als "Stadt, wo der Wind geboren ist"?
Auch einige ungewohnte Einsichten über Liepāja werden hier geboten:- 30% der Einwohner/innen stammen aus einem anderen Land oder einer anderen Kultur
- der "Liepājnieks" und die "Liepājniece" seien Lokalpatrioten wie alle Lett/innen, und im Herzen nicht weit weg vom "latviešu viensētnieks" (übersetzt in etwa: "Einzelhoflette", also Individualist)
Es gelte aber nun die "nächste Herausforderung" zu meistern: ein neues Denken sei gefragt, "weg von der Trägheit, hin zum sinnvollen Handeln". Auch von einer "schüchternen Introvertiertheit", die sonst gern sogar als "lettische Qualität" beworben wird (siehe: Literatur), wollen die Autor/innen des Konzepts zur Kulturhauptstadt nichts wissen. "Lernen wir es, mit anderen zusammenzuarbeiten", heißt nun einer der Leitsätze, "auf geht's - von der Provinz bis nach Europa!"
Bisher habe man mehr eine Vorstellung davon gehabt, was der "amerikanische Traum" sei (Wohlstand, Bequemlichkeiten, und die Möglichkeit sich durchzuschlagen - bis zum Millionär). Was aber ist der "europäische Traum"? Liepāja will dazu beitragen, dass die richtigen Fragen gestellt und zukunftsfähige Antworten gefunden werden.Auch im Bereich des Sports ist Liepāja für Fragen und Antworten offen: bekannte aktuelle Sportgrößen stammen von hier, seien es Tennisspielerin Anastasija Sevastova, Basketballspieler Kristaps Porziņģis, Eishockeyspieler Rūdolfs Balcers - bis hin zu Rolf Kahn. Sie fragen: wer ist das? Zumindest seinen Sohn werden viele kennen: Oliver Kahn, der deutsche Torwarttitan.
Bleiben noch Wünsche offen? Drücken wir es in den Worten von Baiba Bartkeviča aus: "In Europa steigen Sie in den Zug und innerhalb nur einer Stunde sind Sie so weit weg
wie es auch einer Flugstrecke entsprechen würde, aber hier …" (nra). Da bleibt bis 2027 mindestens an diesem Punkt noch etwas zu tun: der Zug Liepāja-Riga fährt gegenwärtig zweimal pro Woche ...
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