nach Jahren der Neuanschaffungen und Modernisierungen in Riga: schicke Fahrzeuge vorhanden - Passagiere laufen davon |
"Eigene Statistiken in Auftrag geben ist immer eine gute Strategie", dachte sich wohl auch das Management bei RS. Also: auf der Firmenwebseite sind ganz andere Zahlen zu finden: 91% der Fahrgäste bewerten die Einführung der elektronischen "E-Talone" positiv - laut selbst durchgeführter Umfrage. Da ist man auf der sicheren Seite - denn man befragt nur die Fahrgäste.
Um Preiserhöhungen im Nahverkehr gab es schon öfters öffentliche Auseinandersetzungen: teilweise mit sehr schlicht gestrickten Begründungen wie Preisvergleichen mit anderen europäischen Hauptstädten (z.B. Stockholm). Fragwürdig dabei bleibt immer noch, dass der Kunde und die Kundin in Riga immer noch für jede benutzte Linie einzeln zahlt - also besonders viel Pech haben alle, die auf dem Weg zur Arbeit mehrfach umsteigen müssen (= erneut zahlen).
Am 1.Feburar 2015 war der Preis für eine einfache Fahrt für die Verkehrsmittel in Riga auf 1,15 Euro erhöht worden (lsm). Die Tarifpolitik von 2014, als das einfache Ticket noch 0,60 Euro kostete, habe nicht gehalten werden können, so die Begründung. Die Strafe für Fahren ohne Fahrschein wurde vervierfacht und liegt nun bei 20 Euro. Ein beim Fahrer gekaufter Einzelfahrschein kostet inzwischen schon 2 Euro.
Diese Fahrpreispolitik wäre allerdings kaum möglich, ohne weiterhin sehr große Gruppen auszunehmen, die absolut kostenlos fahren dürfen. Alle Rentner (die nicht zusätzlich arbeiten, ansonsten müssen sie 0,60 Euro zahlen), alle Schüler, alle Invaliden, Lehrer, Familien mit vielen Kindern, auch Studierende (sogenannte "Vollzeitstudierende", ansonsten zahlen sie 0,30 Euro). Aktuelle Statistiken (NRA) zeigen, dass insgesamt 44,2% aller Passagiere kostenlos fahren - zusätzlich nutzen 18,6% Preisreduzierungen! Nur so läßt sich wohl erklären, warum überhaupt noch Fahrgäste sich die Fahrt in den schönen, neuen Fahrzeugen leisten können.
Während im Wahlkampf viele der "Saskaņa", der Partei des Bürgermeisters Nils Ušakovs, die Preiserhöhungen im Nahverkehr anlasten wollten, verteidigt sich die Stadt damit, 15 Millionen Euro staatlicher Unterstützung verweigert bekommen zu haben. Auf diese Höhe berechnete "Rigas Satiksme" die Kosten der Serviceleistungen, die außerhalb von Riga wohnenden Fahrgästen bereit gehalten werden. 2013 war die Idee einer „Rīdzinieka karte" aufgekommen - was kostengünstiges Fahren für alle mit in Riga registriertem Wohnsitz bedeutet hätte. Nach heftiger Kritik (Trend zur totalen Überwachung der Bürger?) war die Einführung aber verschoben worden. Inzwischen ist sie eingeführt, und ebnet den Eigentümern weitere Ermäßigungen: Preisnachlässe bei Fahrschulen, Versicherungen und Optikern, Ausgabe kostenfreien Essens für sozial Schwache, Vergünstigungen beim Parkplatz fürs Auto, und Einsatz als "E-Talon" (elektronisches Mehrfahrtenticket). Beworben wird der digitale Rigenser Nachweis inzwischen als "e-maciņš" (elektronische Brieftasche) und kann gleichzeitig als Schüler- oder Studentenausweis verwandt werden. Und: der Stadtrat eröffnete sogar Nicht-Rigensern eine Möglichkeit, eine „Rīdzinieka karte" dennoch zu erwerben: für 775 Euro jährlich.
Zusätzlich zu den geltenden Tarifen werden auch immer ganze Tage der "freien Fahrt für alle" ausgerufen: wenn Riga verschneit ist, bei Großveranstaltungen, oder auch - in wenigen Tagen - am 23. und 24. Juni während der Mitsommerfeiern.
Frühere Beiträge zum ÖPNV in Riga:
"Dann kannste über Skanste" / "Umstrittene Fahrkartenpreise" / "Der Rigenser-Test" / "Schnee macht Arbeit"
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