Am 1.November 1925, heute vor neunzig Jahren, wurde in Riga das neue Radiozentrum eröffnet - die erste Übertragung war Giacomo Puccini’s "Madame Butterfly", gesendet aus der Rigaer Oper. Vorausgegangen war ein Parlamentsbeschluss vom 28. März 1925 zur Bereitstellung von 140.000 Lats zur Fertigstellung dieser ersten lettischen Radiostation.
Der Vorschlag zum Bau des lettischen Radiosenders wurde im wesentlichen erarbeitet von Ingenieur
Jānis Linters. Die erfolgreiche Durchführung der lettischen Radioübertragungen brachten Linters 1928 die Auszeichnung mit dem "Drei-Sterne-Orden" ein. Linters wurde 1879 in der Nähe von Cēsis geboren, seine Eltern waren beide Lehrer. Er ging in Cēsis und Tartu zur Schule, erwarb sein Diplom als Elektriker in St.Petersburg, und arbeitete dann beim Petersburger Telegrafenamt. In den Folgejahren war er auch verantwortlich für Projekte auf der Halbinsel Kamtschatka, in Tver an der Wolga und Nischni Nowgorod.
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Ein Modell aus den Anfangstagen des lettischen Radios: ein "VEF Super M517" |
In Riga soll es damals ziemlich kompliziert gewesen sein, den Parlamentsabgeordneten zu erklären, wie Radioempfänger und Radiowellen funktionieren. Im Sitzungsraum des zuständigen Komitees wurde 1925 ein Empfänger mit zwei Kopfhörern installiert, während der Sitzung tauschten dann die Abgeordneten ständig die Kopfhörer, während als Übertragung der regierungsamtliche "Anzeiger" vorgelesen wurde (siehe Abb.). Linters versuchte zu erläutern, dass ein Radioempfänger ein recht einfaches Gerät wäre, und es sei möglich, dieses in Lettland auch industriell zu produzieren. Seinen Berechnungen zufolge würden sich die notwendigen Investitionen nach 10-15 Jahren amortisieren, eine Kalkulation, die sich als falsch erwies: es setzte ein so starker Ansturm nach Radiogeräten ein, dass bereits nach vier Jahren alle Kosten wieder hereingeholt waren.
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So soll sie ausgesehen haben: die erste Radio-Empfangseinrichtung, bereit für das Prüfkomitee |
Vor der Parlamentsabstimmung musste mehrmals das Prinzip elektromagnetischer Wellen erklärt und verdeutlicht werden, dass keinesalls Fenster und Türen geöffnet werden müssen, damit diese in die Häuser gelangen.
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Der lettische Radio- pionier Jānis Linters |
Die erste größere Anlage wurde von der französischen Firma
"Société française radio-électrique" erstellt: Antenne und Transmitter wurden vom französischen Hafen Dunkerque / Dünkirchen nach Riga transportiert und im 2.Stock des Rigaer Post- und Telegraphenhauses aufgebaut. Heute wird der Gebäudekomplex von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Lettlands genutzt - am 12. Oktober 1944 wurde beim Rückzug der deutschen Armee aus Riga der Radioturm gesprengt und die Büros der Radioverwaltung in Brand gesetzt. Dadurch wurden einige Gebäudeteile verwüstet, aber sie wurden nach dem Krieg restauriert. Die kleine Straße am Stadtkanal heißt heute immer noch "Radio iela".
Bis 1940 wurden unter der Verantwortung von Jānis Linters auch in Madona, Kuldīga und Liepāja Sendestationen aufgebaut.
Auch die Grundlagen des Baus von Radioapperaten in Riga wurde in dieser Zeit gelegt. 1919 wurden die Post- und Telegrafenbehörden gegründet (Pasta un telegrāfa valdes darbnīcas), daraus entstand 1932 die "
Valsts elektrotehniskā fabrika" (staatliche elektrotechnische Fabrik) mit der berühmten Abkürzung VEF - sie hatte Bestand bis Anfang der 1990iger Jahre. Geradezu legendär wurde der damals (in den 1930iger Jahren) kleinste Fotoapperat der Welt, die "
Minox".
Mehr zur Geschichte des lettischen Radios
Zum Jubiläum:
die erste Sendung des lettischen Radios vom 1.11.1925 - zum Anhören ins Netz gestellt (Ausschnitte, plus Moderation und Kommentare - Sendung "
Kultūras Rondo" vom 1.11. und 2.11.2015)
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