Sicher wäre so manches der Übersetzung wert, über das dort berichtet wird - allein schon weil es eben regionale Themen aus "Kurzeme" sind, also nicht sich alles auf die Hauptstadt Riga konzentriert. Für den Moment greife ich aber nur eine kleine Umfrage heraus, die vor einiger Zeit gestartet wurde und gegenwärtig (Stand 11.2.13) immer noch läuft. Die Frage lautet dort - natürlich auf Lettisch gestellt: "Wie ist ihre Reaktion, wenn sie, in dem sie einen Laden betreten, der Verkäufer sofort fragt: 'Kann ich helfen? Was kann ich ihnen anbieten?' "
Dorfladen in Kurland:Schwellen- ängste und lästige Fragen? |
Aber die Antworten sind doch erstaunlich. Es gibt vier Antwortmöglichkeiten. Ein kommerzieller Erfolg wäre so eine direkte Frage nach den Kundenwünschen offenbar nicht: nur 21.4%, also nicht einmal jeder vierte, antwortet mit: "ich sage meine Wünsche und gemeinsam mit dem Verkäufer finde ich eine Lösung". Wesentlich mehr, nämlich 38,9% der Befragten, sind sich vollkommen sicher in einer ziemlich krassen Reaktion: "Ich wende mich um, verlasse den Laden, und komme solange nicht wieder dorthin wie dieser Verkäufer dort arbeitet."
Oha! Sprich bloß keinen Kunden an! Das scheint die Devise im Kurland von heute zu sein. Es kommen sogar noch weitere 6,1% dazu, die meinen: "Bei dieser Frage vergesse ich völlig was ich wollte, kaufe irgend eine Kleinigkeit und verlasse schnell den Laden." Und 33,6% haben noch eine "andere Variante" im Kopf, die aber offenbar auch nicht in Richtung eines konstruktiven Verkaufsgesprächs haben.
Nun ist es vielleicht unverschämt, als Deutscher sich Gedanken über mögliche Gründe machen zu wollen - zu leicht könnte es entweder in interkulturellen Mißverständnissen enden, oder schlicht den großen Unschärfen dieser Internetumfrage geschuldet sein. Wer als Deutscher in Kurland lebt, könnte vielleicht schon eher mitreden. Als nur gelegentlich, aber regelmäßig durchreisender Tourist fallen mir folgende mögliche Einflußfaktoren ein:
- zu Sowjetzeiten wiesen die Verkäufer die "Kunden" oft ziemlich scharf zurecht. Ein strenger Befehlston, wie man sich im Laden zu verhalten hatte, war nicht selten. Vielleicht sind heute gerade die Älteren Leute, eben im Hinblick auf alte Zeiten, einfach froh möglichst in Ruhe aussuchen zu dürfen?
- handelt es sich vielleicht, gerade angesichts des hohen Frauenanteils in der Redaktion dieser Zeitung, um ein Problem das vor allem Verkäuferinnen mit männlichen Kunden haben? Wie hoch ist der Anteil der Männer, die den Monatslohn stillschweigend in Schnaps oder Zigaretten anlegen, statt nach ihren "Wünschen" gefragt zu werden? Auch in Deutschland dürfte der Anteil "schüchterner" männlicher Kunden höher liegen als der weibliche.
- Sprachprobleme (Russisch-Lettisch) sind in diesem Fall auszuschließen, da erstens auf dem Lande prozentual weniger Russen leben als in Riga (und auch bei diesen steigen die Lettisch-Kenntnisse), und zweitens läuft die umfrage ja ausschließlich in Lettisch, also nur Lettisch-Kundige antworten.
- oder ist es vielleicht die Geldnot, die Kundinnen wie Kunden zu Ausflüchten treibt? Erstmal in den Laden gehen (wo es warm ist!), dann mal sehen, ob man sich irgend etwas leisten kann, und ggf. still wieder hinausgehen ohne belästigt zu werden? Gerade auf dem Lande geht es vielen Leuten immer noch nicht besonders gut.
- nur ungern würde ich auf die häufigen lettischen Ausflüchte zurückgreifen nach dem Motto "das ist eben unsere Mentalität". Die individualistischen, wankelmütigen, oft mürrischen Letten, die erst mit der Zeit, und nur in einer vertrauten Atmosphäre "auftauen". So gesehen wären dann alle diese Umfrageergebnisse einfach "normal", alle kennen das schon und richten sich danach ein. Zumindest dem Redaktionsteam des "Kurzemnieks" war es aber wert doch mal genauer nachzufragen.
Die Kurzemnieks-Umfrage lässt sich hier nachlesen.
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