Daß es in Lettland einen hohen Anteil russischsprachiger Bevölkerung gibt ist bekannt. Bekannt ist auch, daß ein großer Teil dieser Menschen während der Sowjetzeit entweder selbst ins Land gekommen ist oder von solchen abstammt. Es ist zutreffend, daß 1991 die Bevölkerung des gerade wieder unabhängig gewordenen Lettland zwar kollektiv des Russischen mächtig war, aber nicht unbedingt der lettischen Sprache.
In 20 Jahren hat sich allerdings viel verändert. Junge Russen, welcher Abstammung auch immer, sprechen Lettisch besser als manch zugewanderter Ausländer, wohingegen mit Englisch als Pflichtfach in der Schule das Russische für junge Letten keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Das führt zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt, wo es wenig überrascht, wenn Arbeitgeber im Kundegeschäft Mitarbeiter MIT Russischkenntnissen wünschen. Dies bezeichnete die nationalistische Partei „Alles für Lettland!“, in persona Imants Parādnieks, als eine in keinem anderem EU-Land übliche Diskriminierung der eigenen Jugend, die es gesetzlich zu verbieten gelte. In welchem EU-Land hingegen Unternehmer gesetzlich gezwungen werden, sich für Kandidaten mit weniger Kenntnissen und Fähigkeiten zu entscheiden, darauf blieb Parādnieks eine Antwort schuldig.
Nun hat die Bewegung „Muttersprache“ unter Führung von Vladimir Linderman (Владимир Линдерман) eine Initiative gestartet: Es soll eine Volksabstimmung durchgeführt werden über die Frage, ob Russisch die zweite Amtsprache in Lettland werden sollte. Mit dieser Forderung war die Bewegung „Gleichberechtigung“ zu den ersten Parlamentswahlen nach der Unabhängigkeit 1993 angetreten. Eine ihrer wichtigsten Vertreterinnen, Tatjana Schdanok (Татья́на Ждано́к), die als Aktivistin der Interfront ursprünglich gegen die Ausflösung der Sowjetunion gewesen war, sitzt bereits in der zweiten Periode im Europaparlament. Linderman ist eine nicht weniger schillernde Figur. Er gehört den Nationalbolschewisten (Национал-Большевистская Партия) von Eduard Limonow (Эдуард Лимонов) an – die übrigens später mit dem Schachspieler Garri Kasparows (Га́рри Ки́ Каспа́ров) „Anderem Rußland“ (Другая Россия) paktierten. Linderman war in Lettland 2002 illegaler Sprengstoffbesitz und die Vorbereitung eines Umsturzversuches vorgeworfen worden, woraufhin er von einer Reise nach Rußland nicht zurückkehrte und sich so der Verhaftung entzog. Linderman wurde in Rußland 2008 verhaftet, 2009 nach Lettland ausgeliefert und vom Gericht freigesprochen.
Linderman erklärte gegenüber dem lettischen Radio in einem Telefoninterview in fließendem Lettisch, die Russen seien schon immer in Lettland gewesen, und die eigene Muttersprache gelte es zu verteidigen, damit die Russen nicht Bürger zweiter Klasse im Land seien. Lindermans jetziger Vorstoß wird von der Verfassung Lettlands gedeckt, welcher die direkte Demokratie ebenso wenig fremd ist, wie in der Schweiz. Es genügen die Unterschriften von 10% der Wahlberechtigten, und die Wahlkommission muß in einer gesetzlich festgelegten Frist den Urnengang ausschreiben. Linderman konnte nun 12.000 Unterschriften bei einem Notar hinterlegen, was die Behörden dazu zwingt, für den gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum täglich wenigstens vier Stunden auf Kosten des Steuerzahlers die Infrastruktur für die weitere Unterschriftensammlung vorzuhalten. Dies geschieht an 600 Orten auch im Ausland.
Der Leiter der Wahlkommission, Anris Cimdars, sagte im lettischen Radio, daß diese Unterschriften-Sammelaktion sich von anderen unterscheide, da eigentlich nur derjenige daran teilnehmen müsse, der für die Motion optiert – im Unterschied etwa zu Referenden, in denen man mit ja oder nein abstimmen würde, was auch die Moderatoren des lettischen Radios in ihrem Beitrag mehrfach unterstreichen. Das ist eine interessante Argumentation: Selbstverständlich ist es für Gegner der Idee, Russisch als zweite offizielle Staatssprache zu akzeptieren, das günstigste Ergebnis, wenn das Referendum erst gar nicht stattfinden kann, weil nicht genügen Unterschriften zusammengetragen wurden. Das gälte aber für jedes Referendum mit der Alternative ja oder nein zu einer konkreten Frage.
Ein anderer Aspekt des Referendums ist kurios. Bei der Vorlage von Linderman und seinem Verein handelt es sich um mehrere Änderungen der Verfassung, unter anderem auch des Artikels 4. Dieser aber gehört, wie Cimdars zu bedenken gibt, zu jenen, die nicht einmal das Parlament ohne anschließende Volksbefragung verändern dürfte. Folglich, egal ob die Angeordneten nach erfolgreichem Referendum über Lindermans Vorlage dieser im Wortlaut zustimmten oder sie mit Änderungen verabschiedeten, müßte darüber erneut ein Referendum abgehalten werden. Neuerlich ein Beispiel für die Inkonsistenten der Verfassung Lettlands aus dem Jahre 1922.
In 20 Jahren hat sich allerdings viel verändert. Junge Russen, welcher Abstammung auch immer, sprechen Lettisch besser als manch zugewanderter Ausländer, wohingegen mit Englisch als Pflichtfach in der Schule das Russische für junge Letten keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Das führt zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt, wo es wenig überrascht, wenn Arbeitgeber im Kundegeschäft Mitarbeiter MIT Russischkenntnissen wünschen. Dies bezeichnete die nationalistische Partei „Alles für Lettland!“, in persona Imants Parādnieks, als eine in keinem anderem EU-Land übliche Diskriminierung der eigenen Jugend, die es gesetzlich zu verbieten gelte. In welchem EU-Land hingegen Unternehmer gesetzlich gezwungen werden, sich für Kandidaten mit weniger Kenntnissen und Fähigkeiten zu entscheiden, darauf blieb Parādnieks eine Antwort schuldig.
Nun hat die Bewegung „Muttersprache“ unter Führung von Vladimir Linderman (Владимир Линдерман) eine Initiative gestartet: Es soll eine Volksabstimmung durchgeführt werden über die Frage, ob Russisch die zweite Amtsprache in Lettland werden sollte. Mit dieser Forderung war die Bewegung „Gleichberechtigung“ zu den ersten Parlamentswahlen nach der Unabhängigkeit 1993 angetreten. Eine ihrer wichtigsten Vertreterinnen, Tatjana Schdanok (Татья́на Ждано́к), die als Aktivistin der Interfront ursprünglich gegen die Ausflösung der Sowjetunion gewesen war, sitzt bereits in der zweiten Periode im Europaparlament. Linderman ist eine nicht weniger schillernde Figur. Er gehört den Nationalbolschewisten (Национал-Большевистская Партия) von Eduard Limonow (Эдуард Лимонов) an – die übrigens später mit dem Schachspieler Garri Kasparows (Га́рри Ки́ Каспа́ров) „Anderem Rußland“ (Другая Россия) paktierten. Linderman war in Lettland 2002 illegaler Sprengstoffbesitz und die Vorbereitung eines Umsturzversuches vorgeworfen worden, woraufhin er von einer Reise nach Rußland nicht zurückkehrte und sich so der Verhaftung entzog. Linderman wurde in Rußland 2008 verhaftet, 2009 nach Lettland ausgeliefert und vom Gericht freigesprochen.
Linderman erklärte gegenüber dem lettischen Radio in einem Telefoninterview in fließendem Lettisch, die Russen seien schon immer in Lettland gewesen, und die eigene Muttersprache gelte es zu verteidigen, damit die Russen nicht Bürger zweiter Klasse im Land seien. Lindermans jetziger Vorstoß wird von der Verfassung Lettlands gedeckt, welcher die direkte Demokratie ebenso wenig fremd ist, wie in der Schweiz. Es genügen die Unterschriften von 10% der Wahlberechtigten, und die Wahlkommission muß in einer gesetzlich festgelegten Frist den Urnengang ausschreiben. Linderman konnte nun 12.000 Unterschriften bei einem Notar hinterlegen, was die Behörden dazu zwingt, für den gesetzlich vorgeschriebenen Zeitraum täglich wenigstens vier Stunden auf Kosten des Steuerzahlers die Infrastruktur für die weitere Unterschriftensammlung vorzuhalten. Dies geschieht an 600 Orten auch im Ausland.
Der Leiter der Wahlkommission, Anris Cimdars, sagte im lettischen Radio, daß diese Unterschriften-Sammelaktion sich von anderen unterscheide, da eigentlich nur derjenige daran teilnehmen müsse, der für die Motion optiert – im Unterschied etwa zu Referenden, in denen man mit ja oder nein abstimmen würde, was auch die Moderatoren des lettischen Radios in ihrem Beitrag mehrfach unterstreichen. Das ist eine interessante Argumentation: Selbstverständlich ist es für Gegner der Idee, Russisch als zweite offizielle Staatssprache zu akzeptieren, das günstigste Ergebnis, wenn das Referendum erst gar nicht stattfinden kann, weil nicht genügen Unterschriften zusammengetragen wurden. Das gälte aber für jedes Referendum mit der Alternative ja oder nein zu einer konkreten Frage.
Ein anderer Aspekt des Referendums ist kurios. Bei der Vorlage von Linderman und seinem Verein handelt es sich um mehrere Änderungen der Verfassung, unter anderem auch des Artikels 4. Dieser aber gehört, wie Cimdars zu bedenken gibt, zu jenen, die nicht einmal das Parlament ohne anschließende Volksbefragung verändern dürfte. Folglich, egal ob die Angeordneten nach erfolgreichem Referendum über Lindermans Vorlage dieser im Wortlaut zustimmten oder sie mit Änderungen verabschiedeten, müßte darüber erneut ein Referendum abgehalten werden. Neuerlich ein Beispiel für die Inkonsistenten der Verfassung Lettlands aus dem Jahre 1922.
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