Lettland kommt ein halbes Jahr vor der Parlamentswahl politisch nicht zur Ruhe. Da wurde oft erklärt – auch vom Autor dieser Zeilen – es gäbe zu wenig öffentliche Diskussionen im Lande. Davon kann derzeit die Rede nicht sein. Allerdings geht es freilich wieder einmal nicht om policy, also politische Inhalte, sondern um das Personalkarussell.
Stein des Anstoßes ist die Wiederwahl des Generalstaatsanwaltes Jānis Maizītis, dessen zweite Amtszeit agläuft. Nachdem hinter den Kulissen Einigkeit zu herrschen schien, diese Kandidatur im Parlament zu unterstützen, lehnten die Abgeordneten zu ihrer eigenen Überraschung den Vorschlag des Präsidenten des Obersten Gerichtes, Ivars Bičkovičs, ab.
Jetzt ist die Aufregung groß. Ex-Präsidentin Vaira Vīķe-Freiberga startete gemeinsam mit ihrem Amtsvorgänger Guntis Ulmanis eine Internet-Petition, nach der Maizītis einfach neuerlich vorgeschlagen werden, im Plenum aber nicht geheim abgestimmt werden soll. Diese wurde von vielen hundert Bürgern, darunter zahlreiche gesellschaftlich bekannte Persönlichkeiten unterschrieben.
Das ruft die Kritiker auf den Plan. Viele sind zunächst einmal der Meinung, es dürfe nicht sein, daß solche Änderungen in der Geschäftsordnung des Parlament für die Fälle konkreter Personen dann auf ein konkretes Amt bezögen würden. In der Frage der Wahl von Amtspersonen durch die Abgeordneten müßteb grundsätzliche Beschlüsse gefaßt werden, die dann für alle Wahlen gelten. Einige Kommentatoren merken an, daß die offene Wahl für Ämter der Exekutive eher akzeptabel sei als bei Positionen in der Judikative – was auf den Fall des Generalstaatsanwaltes zutreffen würde.
Die Professorin für Politikwissenschaft der Rigaer Stradiņš-Universität, Ilga Kreituse, kritisiert, daß die Petition von früheren Amtspersonen angeregt worden sei, die selbst “nur” vom Parlament gewählt worden waren und wohl in direkter Volkswahl kaum je zum damaligen Zeitpunkt ins Amt gekommen wären. Das gilt auch für den Präsidenten des Gerichtes, dem das Vorschlagsrecht zusteht. Dieser hatte erst vor einigen Monaten eine Affäre über Zweifel an der rechtmäßigkeit seiner Staatsangehörigkeit durchzustehen.
Kreituse versteht ebenfalls nicht, warum öffentlich der Eindruck erweckt werde, als gäbe es keine anderen potentiellen Kandidaten. Maizītis sei gewiß kein Engel und in habe sie in den Untersuchungen gegen den Bürgermeister von Ventspils, Aivars Lembergs, enttäuscht.
Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts, Aivars Endziņš, fügt hinzu, daß eine geheime Wahl in einem Land mit normal funktionierender Demokratie kein Problem sei. In Lettland aber werde alles politisiert. Dem ist nichts hinzuzufügen. Das Ergebnis ist einstweilen offen.
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