16. Februar 2010

Gesalzene Kontakte

Eigentlich heisst es ja immer, Lettland sei ein Land arm an Bodenschätzen. Kein Öl, keine wertvollen Mineralien. Aber in diesen Tagen des anhaltenden Winters fühlt man sich fast zurückversetzt in die Zeiten der Hanse, als ganz andere Güter sehnlichst erwartet wurden in den Häfen, wo die Koggen anlandeten. Gar manche Hansestadt verdankte ihren Reichtum damals diesem begehrten Gut: dem Salz. 

Manche kennen von ihrem Deutschland-Besuch fast nichts anderes als Autobahnen. Sie gelten als Symbol der selbstverständlich gewordenen Freiheit des individuellen Hin- und Herfahrens. Unter dem Slogan "Freie Fahrt für freie Bürger" gründeten sich einst sogar Parteien, die dies als erste Priorität der deutschen Demokratie ansahen. Am 14.Februar trat die Katastrophe ein: eine ganze Autobahn musste gesperrt werden - wegen Streusalzmangels (siehe DIE WELT / FAZ) . Auf 52 km der Autobahn A44 zwischen Dortmund und Kassel ging nichts mehr, der wochenlang anhaltende schneereiche Winter löst weder Hungersnöte noch Zusammenbrüche der Stromversorgung aus. Aber Salzmangel.

Rettung naht aus einer unverhofften Richtung: aus Lettland. Zwischen Ventspils und Stralsund wird es sogar als eine Art "Amtshilfe zwischen Partner- städten" zelebriert, und dank eisfreiem Hafen kann die lettische Hafenstadt auch direkt liefern (so hätte ich gedacht - nein, sie kam per LKW).
"Stralsund wird diese unkonventionelle Hilfsmaßnahme niemals vergessen!" lässt sich Stralsunds Oberbürgermeister Dr. Alexander Badrow in der lettischen Presse zitieren. Er seit "tief bewegt" gewesen von der Hilfsbereitschaft der Stadt Ventspils und Bürgermeister Lembergs. In der Stralsunder Version des Pressetextes ist stolz von "gelebter Städtepartnerschaft" die Rede. Beide Beiträge schweigen sich allerdings darüber aus, ob es salzige Geschenke waren, die da ausgetauscht wurden, oder Lieferungen zum Vorzugspreis (siehe auch: Hamburger Abendblatt).


Vielleicht ein Glück, dass die Partnerschafts-Beteiligten nicht vorher den Kommentar von Ojārs Kalniņš gelesen hatten, der von Seiten des in Riga ansässigen staatlich betriebenen "Lettland-Insituts" angesichts von Schneekatastrophen in aller Welt, auf die angebliche Mentalität und Einstellung der Letten bezogen, titelte: "Snow what?". Was hat die Welt auch für merkwürdige Probleme mit viel Schnee, so Kalniņš, in Lettland würden deshalb keine Schulen oder Büros geschlossen, manche müssten gar 20km zum nächsten Dorf oder zum Arzt zu Fuß gehen, und immer noch würden die Tageszeitungen eher über Steuererleichterungen schreiben als über Schneekatastrophen. Nun, es ist davon auszugehen, dass Herr Kalniņš ein mit Steuergeldern gewärmtes Büro hat - die vielen Jobber im Einsatz beim Schneeräumen, trotz vollem Einsatz ihrer Arbeitskraft, haben aber wahrscheinlich weder einen gesicherten Arbeitsplatz, noch bekommen sie einen zum Lebensunterhalt ausreichenden Lohn.

Die Salzlieferungen Ventspils-Stralsund waren offenbar nicht die einzigen. Doch leider haben es andere glückliche deutsche Empfänger offenbar - trotz angeblich persönlicher Kontakte nach Lettland - nicht so leicht, die Absender der Hilfe zu identifizieren. Da sind wohl auch ein paar Recherchefahrzeuge der deutschen Journalisten im Schnee stecken geblieben. So meldet die "Neue Westfälische" das Eintreffen einer Salzlieferung aus "Riga in Litauen". Da reagierte der "Vlothoer Anzeiger" schneller, und korrigierte die Angaben in der Online-Ausgabe. Aber schön, dass auch Lettlands Nachbarland offenbar auf Angebot und Nachfrage zu reagieren weiss. 

Gut möglich ist auch, dass momentane Salzlieferungen aus Lettland schon einmal in Deutschland waren. Noch am 28.Januar brachte das "Naumburger Tageblatt" einen Bericht über die überdurchschnittlich gut laufenden Geschäfte der Firma ESCO in Hannover. Einerseits ist da zu lesen, dass die Gemeinden in Deutschland kaum noch Salz selbst einlagern (angeblich aus finanziellen Gründen), andererseits seien Schneeverhältnisse wie in diesem Winter in Skandinavien ja normal, und die Geschäfte mit nördlichen Staaten "eine sichere Bank". Zitat Naumburger Tageblatt: "Vom Seehafen Wismar gehen jedes Jahr hunderttausende Tonnen Salz nach Skandinavien. Auch die baltischen Staaten wie Estland und Lettland werden vom Bernburger Werk beliefert." Vielleicht sollte da mal eine Städtepartnerschaft Wismar - Stralsund angeregt werden?  

Was stand da noch in den "Länderinformationen" des Lettland-Instituts geschrieben? "Da es in Lettland keine Quellen für Salz gibt, wurde es durch Handel oder Tauschgeschäfte erworben und nur sehr sparsam gebraucht."

1 Kommentar:

Axel Reetz hat gesagt…

Also daß die Zeitungen über den Schnee nicht schreiben würden, stimmt ja nicht. Selbst nachdem ich als Rigaer Einwohner gerade ganz normal mit dem ÖPNV zur Arbeit gekommen bin, lese ich im Internet von paralysierten Verkehr in Riga. Auch die Letten witzeln, kommen drei Schneeflocken, befinden sich die Menschen in der "Macht der Elemente" (stihija).