16. April 2006

Lettischer Frühling - vom Abschmelzen der Regierungspartner

Wie schön kann doch eine Regierungsumbildung sein! Wer wechselnde Konstellationen unterschiedlicher Parteien nicht gewohnt ist, sollte einmal das lettische Parteienwesen näher beobachten. Beliebter als anderswo sind die lettischen Politikerinnen und Politiker deswegen nicht - die Letten selbst wissen genau, dass Uneinigkeit und Streitereien nicht viel einbringen können. Aber zu wechselnden Regierungskonstellationen kommt es dennoch immer wieder. Im Herbst 2006 stehen in Lettland Parlamentswahlen an - die verschiedenen Interessengruppen bringen sich in Stellung, und die Bündnisse verschiedener Parteien schmelzen dahin wie Schnee in der Frühlingssonne ....

Die Regierung Kalvitis ("Tautas Partija" - Volkspartei) machte es im Frühjahr 2006 wieder einmal vor: Zwar trat die mit 24 Sitzen stärkste Parlamentsfraktion der "Jaunais Laiks" ("Neue Zeit") aus der Regierungskoalition nach diversen Streitereien aus (sechs Minister nahmen ihren Hut), aber Kalvitis will bis zu den Wahlen im Herbst mit einer Minderheitsregierung weitermachen (DER STANDARD 7.4.06). Wenn der Wechsel im Amt des Regierungschefs ausbleibt, interessiert es die internationalen Medien und auch die Partnerländer der EU kaum - auf solche Konstanten scheinen lettische Regierungen zu bauen. Seit den letzten Parlamentswahlen 2002 wurde auch der Regierungschef immerhin schon zweimal gewechselt: von Repše zu Emsis, und schließlich zu Kalvitis. Alle drei gehörten unterschiedlichen Parteien an - sind aber sämtlich zur konservativen Rechten zu zählen..

Entzündet hatte sich der Streit diesmal an einem Skandal um offensichtlichen Stimmenkauf bei den Bürgermeisterwahlen des Badeorts Jurmala - ein Ort, der inzwischen als "Goldgrube der Immobilienhaie" bezeichnet wird. Verkehrsminister Šlesers von der lettischen "Pirma Partija" ("Erste Partei", auch "Priesterpartei" genannt - LPP) war so offensichtlich darin verwickelt, dass mitgeschnittene verräterischen Telefongespräche im Fernsehen gesendet und anschließend auf verschiedenen Internetseiten zum Download angeboten wurden. Zwar trat Šlesers anschließend zurück - nicht ohne seine "Rückkehr" für nach den Wahlen zu versprechen. Auf den Flankenschutz der LPP kann Regierungschef Kalvitis offensichtlich nicht verzichten - er wechselte zwar den Verkehrsminister aus, läßt aber seinen größten Koalitionspartner "Jaunais Laiks" ziehen. Unumstößlich und unerschütterlich steht nur die Listenvereinigung der Grünen und der Bauernpartei treu zur Minderheitsregierung, die jetzt noch über 45 von 100 Sitzen im Parlament verfügt.

Am 7.April wurde das von Kalvitis neu aufgestellte Ministerkabinett mit 46 Ja-Stimmen bestätigt (bei 34 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen - APA / Der Standard). Einige Abgeordnete erschienen jedoch nicht einmal zur Abstimmung.
Wird diese Regierungskonstellation wenigstens bis zu den Wahlen halten? Meldungen der Nachrichtenagentur LETA und Berichten in der lettischen Presse zufolge bildet sich die Zuversicht unter den beteiligten Politikern zu dieser Frage lediglich aus der Gewissheit heraus, dass es "keine Alternative" gäbe. Politiker der nun aus der selbstgewählten Oposition heraus agierenden "Jaunais Laiks" (JL) vermuten auch, dass in Kürze die nationalkonservative "Tevzemei" (Vaterlandspartei) wieder an den Regierungstisch zurückkehren könne und mit dem Europaparlamentarier Roberts Zīle auch noch eine Führungsperson "in der Hinterhand" habe (LETA).
Ihre eigenen Anhänger scheint die JL mit ihrem Auszug auf dem Regierungskabinett zunächst einmal wieder zufrieden gestellt zu haben: in den Meinungsumfragen liegt die JL momentan vorn.

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