Mit dem heutigen Tag startet in Lettland eine Erhebung zur Bevölkerungszahl und zu den vorhandenen Wohneinheiten. Eine Volkszählung also. Bis Ende Mai sollen genaue Zahlen erhoben werden zu den Lebensumständen der in Lettland wohnenden Menschen.
"Meine Damen und Herren: bitte zählen Sie sich selbst!" (offizielles Video des lettischen Statistikamtes) |
Der Start wirkt für Außenstehende überraschend: bis zum 10.März wird zu "freiwilliger Selbsterfassung"aufgerufen. Lettland, ein Land das bisher weder durch Tests zur Sicherheit im Internet, E-Voting oder Ähnlichem aufgefallen ist, scheint plötzlich auf eine spontan aufkommende Euphorie der Selbstanzeige zu hoffen. Allen, die diese Möglichkeit bis zum 10.März nicht nutzen, wird bis Ende der Erfassungsperiode ein "Hausbesuch" eines staatlich bestellten Befragers angekündigt. "Seid neuzeitlich! Ausfüllen des Fragebogens im Internet ist leichter, schneller und bequemer!" preist das Statistikamt (CSP) die eigenen Angebote.
Mit deutschen Augen gesehen - wo in den 80er Jahren ganze Volksbewegungen sich gegen allzu fleissige staatliche Datensammelwut richteten und im scheinbar so ordnungsliebenden Deutschland fleissig Aufrufe zum Ungehorsam gegen die Lust an der Bürgerüberwachung schrieben, scheint der lettische Ansatz mehr als optimistisch. Wer sich die Umfragebögen ansieht, wird schnell feststellen, dass hier eine Reihe sehr sensibler Daten gehandelt wird. Immerhin müssen Passdaten oder Bankdaten online eingegeben werden um teilnehmen zu können - eine Standard-Chipkarte (elektronischer Ausweis) wie z.B. beim E-Voting in Estland gibt es bisher in Lettland nicht.
Leicht ironische Reaktionen rief die Ankündigung der Zählungsbehörde hervor, die Erhebung auch zur Zählung von Lettlands Obdachlosen nutzen zu wollen. "Solange es draußen entsprechend kalt ist, und sich diese Personen in Notunterkünften aufhalten, werden wir diese Möglichkeit nutzen," wird der stellvertretende CSD-Direktor Pēteris Veģis zitiert.
Webseite der Volkszählung
Lettisches Statistikamt CSP
Mit deutschen Augen gesehen - wo in den 80er Jahren ganze Volksbewegungen sich gegen allzu fleissige staatliche Datensammelwut richteten und im scheinbar so ordnungsliebenden Deutschland fleissig Aufrufe zum Ungehorsam gegen die Lust an der Bürgerüberwachung schrieben, scheint der lettische Ansatz mehr als optimistisch. Wer sich die Umfragebögen ansieht, wird schnell feststellen, dass hier eine Reihe sehr sensibler Daten gehandelt wird. Immerhin müssen Passdaten oder Bankdaten online eingegeben werden um teilnehmen zu können - eine Standard-Chipkarte (elektronischer Ausweis) wie z.B. beim E-Voting in Estland gibt es bisher in Lettland nicht.
Auch die Fragen werden einige vielleicht erstaunen. Gefragt wird "Pēteris Pilsonis" unter anderem auch nach der Anzahl und persönliche Details zu allen in einem Haushalt lebenden Bewohner/innen, sowie danach, wer sich mehr als ein Jahr oder weniger als ein Jahr im Ausland aufhält (offenbar also der Versuch einer Erfassung der Bewegung von "Arbeitsemigranten").
Vielleicht ist auch - da in der heutigen lettischen Politik kaum etwas ohne kommerziellen Nebeneffekt geplant wird - der ganze Aufwand auch als Werbung für die Online-Dienste der Banken gedacht. Wer Kunde bei der "Citadeles banka" (früher "Parex"), "DnB Nord banka", "Latvijas Krājbanka", "SEB bankas" oder "Swedbank"ist, kann mit seinem Bankpasswort auch die virtuellen Fragebögen ausfüllen. Die staatlichen Zählüberwacher betonen allerdings, dass auch alle 874 lettischen Bibliotheken mit entsprechend nutzbaren Internetzugängen ausgestattet seien. Es reicht aus, wenn immer nur ein "Haushaltmitglied" den Fragebogen ausfüllt. Dazu muss er oder sie lediglich die Personencodenummern der anderen Haushaltsmitglieder wissen.
Zur Datensicherheit gibt es nur allgemeine Beteuerungen der staatlichen Stellen zu lesen. In den Werbefilmchen sind Sätze wie "die Datensicherheit garantiert das Gesetz" oder "Jede bei der Zählung eingesetzte Person garantiert persönlich für die Vertraulichkeit der Daten". Knaststrafen für Plaudertaschen? Die Strategie scheint hier zu sein, den Fall der "Zuwiderhandlung" als möglichst unvorstellbar darzuzustellen.Als hauptsächliches Argument gegen Zählungsunwillige wird betont, dass keine Fragen zu persönlichem Einkommen, Vermögen und Besitz, sowie Gesundheit gestellt werden.
Die Ergebnisse der Zählungen sollen erst 2012/2013 veröffentlicht werden. Hoffentlich haben die Behörden wenigstens ausreichend schnelle Leitungen und Zugänge in allen Regionen geschaltet - bei meinen heutigen Versuchen, die Informationen der offiziellen Webseite aufzurufen, brach die Verbindung regelmäßig zusammen ...
Die Ergebnisse der Zählungen sollen erst 2012/2013 veröffentlicht werden. Hoffentlich haben die Behörden wenigstens ausreichend schnelle Leitungen und Zugänge in allen Regionen geschaltet - bei meinen heutigen Versuchen, die Informationen der offiziellen Webseite aufzurufen, brach die Verbindung regelmäßig zusammen ...
Leicht ironische Reaktionen rief die Ankündigung der Zählungsbehörde hervor, die Erhebung auch zur Zählung von Lettlands Obdachlosen nutzen zu wollen. "Solange es draußen entsprechend kalt ist, und sich diese Personen in Notunterkünften aufhalten, werden wir diese Möglichkeit nutzen," wird der stellvertretende CSD-Direktor Pēteris Veģis zitiert.
Webseite der Volkszählung
Lettisches Statistikamt CSP
2 Kommentare:
Man sollte vielleicht nicht vergessen, daß im Internet-Zeitalter bei der Facebook-Generation vieles anders ist und heute wohl nicht mehr unbedingt des BVG angerufen würde. An der Supermarkt-Kasse wundern sich Verkäuferinnen und andere Kunden, wenn man keine Pay-Back-Karte hat.
Übrigens behauptget die Statistik-Behörde in Lettland, die Zählung finde in allen EU-Staaten statt.
Was nach lettischen Angaben "in allen EU-Staaten stattfindet" ist die sogenannte "Get-online-week" www.getonlineweek.eu unter Schirmherrschaft von Neeli Kroes, Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Diese richtete sich darauf, Menschen an die Nutzung von online-Diensten heranzuführen. Auf dieser Webseite ist eine Statistik zu lesen, nachdem Lettland und Litauen diese Aktion am stärksten genutzt haben - andere Staaten wie Finnland, Estland, Schweden oder Deutschland hatten eine Beteiligung dageben offenbar als unnötig gesehen.
Der 4.März 2011 wird im Rahmen dieser Kampagne als "Get-online-day" angesehen. In Deutschland ist der Partner dieser Aktion die "Stiftung digitale Chancen" www.digitale-chancen.de
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