Schönheit kommt von außen
Die Stadtverwaltung hat nun eine neue Parole herausgegeben, die, deutsch übersetzt, in etwa so lautet: "Lasst uns die heruntergekommenen und umweltschädigenden Gebäude sanieren, um Riga schöner zu machen!" Gleichzeitig taucht ein neuer Begriff der Klassifizierung auf: "grausti". (grausti.riga) Wer das zu übersetzen versucht, landet im englischsprachigen Bereich bei "Slum" - aber sind hier wirklich "verwahrloste Elendsviertel" gemeint?
Benutzt wird die neue Klassifizierung von einer "Komission zur Qualitätssicherung und -entwicklung der städtischen Umwelt" in Riga, wo Mitglieder des Stadtrats und der Verwaltung vertreten sind. 2018 erstmals einberufen, stellt man sich hier zur Aufgabe, Gebäude zu klassifizieren, die "nicht regelgemäß erhalten" werden. Inzwischen sind 1285 Gebäude in Riga auf einer Liste der "Grausti" gelandet, was für die Eigentümer auch einen erhöhten Satz von Immobiliensteuer bedeutet - gezahlt werden muss 3% (statt 1,5%) entsprechend dem Katasterwert der Immobilie.
Faceliftung - am Haus
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Notwendige Arbeiten: lettische Baufirmen freuen sich über Aufträge (hier: "Bergafasades") |
Für 977 Häuser sei bis Dezember 2024 ein erhöhter Steuersatz eingefordert worden, berichtet Ieva Jakone. Zu 255 Objekten habe die Komission Fragen an den Eigentümer gestellt - und dabei sei es eben nicht darum gegangen, ob ein Haus etwa einsturzgefährdet sei, sondern es gehe um das "Outfit" des Gebäudes. Verblasste Farbe oder Risse im Putz können da schon für eine Herabstuftung ausreichen.
Weniger Menschen, mehr Steuer
Während die Einwohnerzahl Rigas weiterhin von Jahr zu Jahr sinkt, steigen die Einnahmen aus der Immobiliensteuer: 2021 waren das insgesamt 111 Millionen Euro, 2025 werden es wohl noch 5 Millionen mehr werden. Die wegen Fassadenmängeln erhobene erhöhte Steuersumme machte 2015 noch 825.000 Euro aus, inzwischen stieg die Summe auf 3,3 Millionen Euro. "Das dürfte aber kaum für einen der Hauseigentüber überraschend gekommen sein," meint Vladimirs Ozoliņš, Chef der städtischen Immobilienbehörde. Erste Warnungen würden immer schon ein Jahr im voraus verschickt, und die Stadt sei immer offen für jegliche sachliche Vorschläge die Verbesserungen bringen könnten, auch in solchen Fällen, wo am Haus erst noch andere Arbeiten nötig seien. Außerdem gäbe es aber schon seit 2017 ein Angebot der Co-Finanzierung von Fassadenarbeiten durch die Stadt Riga. 2024 habe man so insgesamt 97 Projekte von insgesamt 2 Millionen Euro unterstützen können.
Die Liste der "Grausti" in Riga - vielleicht besser mit "heruntergekommene" oder "schlecht erhaltene" Gebäude zu übersetzen - wird aber nicht kürzer, meint Ozoliņš. 2023 wurden 151 Objekte restauriert, 2022 wurde an 161 Objekten etwas getan. Aber die Erhaltungsmaßnahmen dauern eben meist immer etwas länger. ("IR") Beim Blick zurück zeigt sich, dass im Jahr 2011 nur 16 Gebäude in ganz Riga wieder in guten Zustand gebracht werden konnten, 2018 waren es schon 207 (lps)
Langzeitpatienten
Eines der bekanntesten Beispiele für ein sehr vernachlässigtes Gebäude ist das Haus Marijas iela 6, das schon seit Wiedererlangung der lettischen Unabhängigkeit auf ein "Facelifting", oder besser noch eine Komplettsanierung wartet. Geschaffen wurde das 1904 erbaute Haus in Bahnhofsnähe von einem der bekanntesten lettischen Architekten: Konstantīns Pēkšēns. Die Eigentümer wurden 1941 mit der gesamten Familie nach Sibirien verbannt, das Gebäude verstaatlicht; als eine Tochter schließlich 1993 nach Riga zurückkehrte, konnte sie das Eigentum zwar zurückerhalten, musste aber feststellen dass eine Renovierung riesige Geldsummen verschlingen würde. Inzwischen gibt es zwei verschiedene Eigentümer, aber erst 2015 wurde das nun seit 30 Jahren nicht mehr bewohnte Haus von der Stadt Riga in die Kathegorie der "vernachlässigten" (Grausti-)Häuser aufgenommen. Bis dahin wurde nur 488 Euro Immobiliensteuer pro Jahr verlangt. Seit Riga nun die abgestufte Verschärfung eingeführt hat, fallen immerhin mehr als 17.000 Euro pro Jahr an (TVnet / Dienas bizness). Im März 2024 brach in der Pētersalas ielā in Riga ein Haus zusammen, dass nach einem Brand drei Jahre lang unverändert gelassen wurde. (NRA) Um verlassene Häuser in Riga kümmert sich auch die Initiative "grauzti", wie zum Beispiel im Fall des Gebäudes Kalnciema iela 2b (Kas Jauns / TVnet)