13. November 2023

Auf der Suche nach dem "Laimes lācis"

Glücksversprechen

Lange galt die Glücksspielbranche (lettisch = "Azartspēles") in Riga als eine Art Sumpf, der nur schwer auszutrocknen wäre. Immer wieder gefördert von verschiedenen Quellen in der Politik, immer wieder verflucht als Nutznießer der Krisenzeiten, wenn Spielsucht neue menschliche Krisen nach sich zieht. Daher erregte ein Plan der Stadtoberen schon 2018 Aufsehen, wenigstens im historischen Stadtkern alle dort bis dahin befindlichen 42 Spielhöllen schließen zu lassen, und als Ausnahmen nur Einrichtungen innerhalb Vier- oder Fünfsterne-Hotels zuzulassen.
Nun soll Gleichartiges auch in den anderen Stadtteilen passieren. Der neue Plan sieht vor, im Laufe von 5 Jahren mehr als 80 Spielhallen (Spielautomaten, Casinos, Wettbüros, Bingo) zu schließen, und damit 139 Glücksspielgenehmigungen zu widerrufen. Die Glücksspielbetreiber drohten, gegen diese Verbote vor Gericht zu ziehen. Der Stadtrat seinerseits beruft sich auf eine Untersuchung des Gesundheitsministeriums zur Suchtforschung, der zufolge 80.000 Menschen in Lettland an Spielsucht leiden, 16.000 von ihnen mit schwerwiegendsten Problemen.(lsm / riga.lv)

Auch eine Äußerung von Henriks Danusēvičs, Chef der Vereinigung der lettischen Kaufleute ("Latvijas Tirgotāju asociācija" LTA), verdeutlicht die Problematik. Schließlich gäbe es bereits eine Liste von 13.000 Menschen, denen der Eintritt in Spielhallen verwehrt sei. Und wo sonst - außer vielleicht an Tankstellen -  könne man einfach mal reingehen und einen Kaffee trinken, meinte er (LA)

Krisengewinnler

Journalistin Ieva Jakone beschrieb nun in einem Beitrag für die Zeitschrift "IR", dass trotz aller Verbotsandrohungen die Glückspielbranche bisher auch die pandemischen Zeiten sehr gut - sogar mit staatlicher Unterstützung - überstanden habe. Natürlich gab es Versuche der lettischen Regierung, Firmen, deren Betrieb wegen Covid-19-Schutzmaßanhmen beeinträchtigt war, zu unterstützen. Im Dezember 2021 zum Beispiel kündigte das Wirtschaftsministerium ein solches Programm an, und als Zielgruppe wurden hier "Einkaufs- und Sportzentren sowie Orte der Kultur, Erholung und Unterhaltung" genannt.


Aber warum wurden allein 7 Millionen Euro an Unterstützung für die Glückspielbranche gezahlt? 570 Millionen Euro habe der lettische Staat insgesamt für die Unterstützung für verschiedene Firmen gezahlt - aber keine andere Firma einer anderen Branche habe so viel Unterstützung bekommen wie "Joker Ltd", "DLV" und "Alfor", die drei größten der lettischen Glücksspielbranche. 

Gemäß dieser Untersuchung haben insgesamt 12.300 verschiedene lettische Unternehmen überhaupt Unterstützung bekommen - im Durchschnitt in einer Höhe von 46.000 Euro. Nur insgesamt 18 Unternehmen erhielten dabei eine Unterstützung von mehr als einer Million Euro. Wenn man sich nun ansieht, wer die meiste Unterstützung erhalten hat, so seien unter den zehn größten Zuschussempfängern sieben der Glücksspielbranche zu finden, so "IR". Gleichzeitig habe die Branche aber in den drei Pandemie-Jahren einen Gewinn von insgesamt 80 Millionen Euro gemacht. 

Pandemische Winkelzüge

Allein im Jahr 2020 forderte das Covid-19-Virus 700 Todesopfer, bis 2023 insgesamt 6500. Der Staat musste erheblich einschränkende Regelungen erlassen, so dass der Umsatz einiger Firmen um bis zu 15% zurückging. Staatliche Zuschüsse mussten Unternehmen selbst beantragen, der Staat berechnete den zu gewährenden Betrag auf 30 % des Gesamtlohns, für den Steuern gezahlt worden waren. 

Von April 2020 bis Anfang Juni 2020 war in Lettland Glückspiel komplett verboten. Die Nutzerinnen und Nutzer änderten aber schnell ihre Gewohnheiten: von nun an wurde online gespielt. Während 2019 der Gesamtumsatz der Glückspielbranche noch bei 289 Millionen Euro lag (bei 75 Mill. Euro Gewinn), sank der Umsatz 2020 um 33% und der Gewinn um 64%.  Richtig negativ war nur das Jahr 2021, als 9,8 Mill Euro Verlust erwirtschaftet wurden. Doch schon 2022 stieg der Umsatz wieder auf 245 Mill. Euro und der Gewinn auf 62,5 Mill. Euro. 

Als Beispiel dafür, dass die Branche geschickt von "Krisenunterstützung" profitiere, benennt Journalistin Ieva Jakone "Olympic Casino Latvia". Dessen Eigentümer gründete im März 2000 "Olybet Latvia", mit umfangreichem Online-Angebot. Schon im Jahr 2020 wurden so 750.000 Euro Gewinn erwirtschaftet, 2021 dann 2,9 Millionen und 2022 schließlich 2,1 Millionen. Bei der staatlichen Finanzbehörde (Valsts ieņēmumu dienests VID) aber sind weiterhin zwei unterschiedliche Firmen registriert - und so fließen auch die Unterstützungsleistungen weiter, die sich auf Umsatzrückgang in  Präsenzspielhallen bezieht. 

Unglück, oder Ungerechtigkeit?

Arnis Vērzemnieks zufolge, Chef des lettischen Glückspielverbands (Latvijas Spēļu biznesa asociācija LSBA), waren sämtliche erzwungenen Schließungen widerrechtlich und unverhältnismäßig. Im Jahr 2020 seien die Spielhallen 133 Tage, im Jahr 2021 sogar 237 Tage geschlossen gewesen - da sei es nur gerecht, wenn der Staat einen Ausgleich zahle. ("IR")

Wenn allerdings nun die allgemeinen Verbotsmaßnahmen der Stadt Riga auch vor Gericht Bestand haben, dann geht es wiederum um die genannten großen Unternehmen. Mit 41 Verboten wäre "Alfor" am meisten betroffen (25 davon in Spielhallen), gefolgt von „Olympic Casino Latvia“ mit 36 Verboten (19 Spielhallen), "Joker Ltd" mit 23 Verboten (12 Spielhallen) und „Admiralū klubs“ mit 20 Verboten  (11 Spielhallen).

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