15. November 2021

Herr der Krimis

Wenn im deutschsprachigen Raum nach Kriminalromanen aus Lettland gefragt wird, dann wird meist nur sein Name genannt. Zwar erschienen die meisten der Übersetzungen ins Deutsche schon zu Sowjetzeiten, doch das Geschehen in seinen Krimis spielt sich in Riga ab und spiegelt viele Details des Alltagslebens.

Sein Vater war Schiffskapitän, arbeitete dann später wie auch die Mutter bei Rigas großer Elektronikfabrik VEF. Sohn Andris, geboren 1938, jobbte jahrelang bei verschiedenen Firmen in Riga - unter anderem montierte er bei VEF Radioapparate. In den bewegten 1960iger Jahren studierte er Druckgrafik in Moskau.

Das kriminelle Milieu hatte er in sofern selbst erlebt, dass er als Jugendlicher wegen eines Bagatelldiebstahls zu einer dreimonatigen Haftstrafe im Zentralgefängnis Riga verurteilt wurde. Im Alter von zwanzig Jahren wurde er fälschlicherweise des Raubes in einer Gruppe angeklagt und verurteilt, er musste fünf Jahre im Gefängnis von Brasa verbringen. Noch während der Zeit im Gefängnis machte er seinen Abschluß an einer Abendschule, arbeitete in einer Näherei, organisierte Basketballturniere und begann zu schreiben. Unter dem Pseudonym "Ogļukalns" war er Mitherausgeber einer Gefängniszeitung.

Als seine erste Publikation gilt 1965 die Humoreske "Ledusskapis" ("Eisschrank") in der Satirezeitschrift "Dadzis". 1974 wurde er Mitglied der lettischen Schriftstellervereinigung. Seit dieser Zeit schrieb er Kriminalromane, die inzwischen in 16 Sprachen übersetzt wurden (literatura.lv). Sein erster Krimi war 1977 "Krimināllieta trijām dienām", in Deutsch 1989 unter dem Titel "Drei Tage zum Nachdenken" erschienen. Dieser, wie auch andere, wurden zu Vorlagen für verschiedene Filme. Er schrieb aber auch selbst eine Reihe Filmdrehbücher, und sogar Stadtführer für Riga und Jūrmala. Deutsch sind bisher außerdem erschienen: "Die Nackte mit dem Gewehr" ("Fotogrāfija ar sievieti un mežakuili") und "Der tätowierte Mann" ("Nekas nav noticis"). Letzteres berührte auch ein Tabu der Sowjetunion: es schildert organisiertes Verbrechen. Einige weitere Titel warten noch auf eine Übersetzung. 2011 erhielt er den Jahrespreis der lettischen Literatur für sein Lebenswerk.

Als 1989 der Rigaer Lettische Verein (Rīgas Latviešu biedrība) wieder gegründet wurde, war er deren erster Vorsitzender. Er galt auch als leidenschaftlicher Jäger und Angler. Seit 1972 war er mit seiner Frau Aīda verheiratet, aus der Ehe gingen die drei Kinder Klaida (1972), Madara (1977) und Dāvis (1982) hervor. 

"Riga, die Heimatstadt des Schriftstellers, ihre Menschen, das Leben, der Alltag, die Tugenden sind die Hauptmotive seiner Arbeit, seine unerschöpfliche Typen- und Geschichtengeber. Seine Geschichten und Romane sind eine überzeugende, historisch und sozial zutreffende Darstellung verschiedener Schichten und Typen der modernen Gesellschaft im weiteren oder engeren Kontext der Epoche." (Zitat aus Ingrīda Kiršentāle: "Latviešu rakstnieku portreti", zitiert nach literatura.lv)

Andris Kolbergs starb am 5. November 2021 in Riga an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung.

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