Möglicherweise letzter Auslandsbesuch: Präsident Bērziņš beim österreichischen Bundespräsident Fischer |
Schon in den vergangenen Wochen und Monaten hatte es aber mehrfach Kritik gegeben am amtierenden Präsidenten Andris Bērziņš. Schon die Umstände seiner Wahl am 8.Juli 2011 - die ein Produkt von Absprachen der Liste der Bauernpartei und Grünen gewesen sein soll (Zaļo un Zemnieku savienība ZZS) - blieb belastend für sein Image. Und seit die Lage in der Ukraine auch die Beziehungen mit Russland erneut erschwert hat, erwartete die Öffentlichkeit gespannt auf eine Aussage, ob Bērziņš denn am 9.Mai zur großen russischen Militärparade zur Feier des Sieges über den Faschismus reisen würde - Bērziņš nahm sich für eine Entscheidung sichtlich mehr Zeit als die beiden baltischen Nachbarn, und begründete das mit der besonderen Rolle Lettlands durch die EU-Ratspräsidentschaft.
Langsam aber sicher wurde es für diejenigen, die sich offenen Spekulationen hingaben, was ein Präsident haben, machen und unterlassen müsse, zu einer fast täglichen Beschäftigung. Präsident Bērziņš sah sich zum Beispiel erst vor wenigen Tagen einem gemeinsamen Statement bekannter Mitglieder der lettischen Kulturszene ausgesetzt, die den Amtsinhaber zum Verzicht auf eine mögliche zweite Amtszeit aufforderten, und gleichzeitig drei angeblich bessere Kandidat/innen benannten: Egils Levits, Jurist und Ex-Diplomat, derzeit Richter am Europäischen Gerichtshof, Ex- Aussenministerin und Ex-Kurzzeit-EU-Kommissarin Sandra Kalniete, und Mārcis Auziņš, Physiker und derzeitiger Rektor der Universität Lettlands.
Das Bruttoinlandsprodukt der EU-Länder, pro Kopf: bis zum mittleren Niveau ist es für Lettland noch ein weiter Weg ... |
Politischen Beobachtern zufolge wäre Bērziņš zwar eine knappe Mehrheit von 53 Unterstützerstimmen im Parlament sicher gewesen - aber das ist nur nach Parteiproporz gerechnet, und entspricht kaum den meist sehr launischen und persönlich geprägten lettischen Abstimmungstraditionen. Eine Wahl nur zur "Rettung der Stabilität" - auch der Regierung - wie es oft in Deutschland den Wahlberechtigten nahegelegt wird (oft als "Franktionszwang" verkleidet), solche Gepflogenheiten werden in Lettland kaum eingehalten. Also lieber nach vier Jahren gehen, als beim Versuch der Amtsverlängerung scheitern, dachte sich der Amtsinhaber vielleicht. In seiner Amtszeit habe es "20% Exportsteigerung und stetigen Aufschwung" gegeben, fügte er selbst hinzu. Ein bischen klingt in seiner Erklärung auch so etwas wie Bedauern nach, nicht weiter an der Staatsspitze mit gestalten zu können. Nun formuliert Bērziņš plötzlich Zielvorgaben: innerhalb der nächsten 10 Jahre solle Lettland das Niveau des mittleren Brottoinlandsprodukts der EU erreichen - nur pro Kopf gerechnet, wohl gemerkt. Die soziale Sicherheit dürfe dabei nicht vergessen werden, meint Bērziņš, und dazu müsse auch der Bevölkerungsrückgang gestoppt und eine bessere Regionalpolitik umgesetzt werden.
Tja, hätte er das mal den amtierenden Regierungspolitikern rechtzeitig aufs Brot geschmiert, mag sich da vielleicht mancher denken. Ein Feiertag steht für den nun neu zu wählenden neuen Präsident oder eine neue Präsidentin schon jetzt im Fokus: Lettlands 100.Unabhängigkeitsjubiläum im Jahr 2018.
Wer aber nun vor allem von des Präsidenten Rückzug Profit schlagen kann, bleibt vorerst unklar. "Viele werden wohl heute gern ein Feuerwerk veranstalten!" spekuliert Jānis Urbanovičs von der oppositionellen "Saskaņa". Aber auch er hat keine politische Mehrheit für einen Kandidaten aus seiner Partei, und hofft daher wohl eher auf kommende Unstimmigkeiten in der Kandidatenfrage beim politischen Gegner. Gibt es bereits konkrete Kandidat/innen? Angeblich soll sogar Ex-Präsidentin Vīķe–Freiberga bereit sein es nochmal zu machen. Die neu im Parlament vertretene Partei "Verband der Regionen" (Latvijas Reģionu apvienība) hat ihren Chef Mārtiņš Bondars zum Präsidentschaftskandidat ausgerufen - was aber in der lettischen Öffentlichkeit lediglich als Versuch angesehen wird, die eigene Popularität zu befördern. Sicher wird nach weiteren Personen gesucht werden. Die Präsidentschaftswahlen sollen voraussichtlich Ende Mai / Anfang Juni stattfinden - bis dahin bleibt viel Raum für Spekulationen.
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