26. November 2014

Neues aus der Altstadt

An neue Anblicke in der Altstadt Rigas - im Jahr 2014 Europäische Kulturhauptstadt - müssen sich Einwohner wie Gäste in Zukunft gewöhnen. Die Pläne zur Auffüllung von Baulücken stossen jedoch nicht bei allen auf Wohlgefallen.

Im Mai 2012 wurde Gvido Princis zum Rigaer Stadtarchitekten ernannt. Bei seiner Ernennung, bei der er sich gegen Konkurrenten durchsetzen musste, galt er als unumstritten. Gleichzeitig gilt er als erfolgreicher, aber unabhängiger Kopf. Als im Jahr 2008 Pēteris Strancis, Chef der Stadtplanungsbehörde, und Vilnis Štrams, Chef der Stadtentwicklungsabteilung, vom lettischen Anti-Korruptionsbüro (Korupcijas novēršanas un apkarošanas birojs - KNAB) verhaftet wurden, rückte Princis auf die Position des Chefstadtplaners vor.
2006 hatte ein Korruptionsskandal auch die staatliche Denkmalschutzbehörde erschüttert, als deren Chef Jānis Lejnieks angeklagt wurde, sich seine Zustimmung zu Bauprojekten auch schon mal gegen Zahlung von Geld habe erkaufen lassen (siehe TVNet 6.3.2006).Nun steht also Princis mit seinem Namen für die Stadtentwicklung.

So könnte schon bald der Platz zwischen Schwarzhäupterhaus und
Mentzendorff-Haus in Riga aussehen
Für manche der laufenden Bauprojekte in Riga sind öffentliche Anhörungen vorgesehen, es können Eingaben eingereicht werden. Zwei Hotelbauten in direkter Nachbarschaft zum berühmten und erst 2001 neu aufgebauten Schwarzhäupterhaus erzeugen derzeit die heftigsten Reaktionen in der lettischen Öffentlichkeit.  Manche fühlen sich dabei an "alte Zeiten" erinnert - wie der Ex-Chef des KNAB, Aleksejs Loskutovs, der zu möglichst großer Beteiligung und zu Eingaben gegen die Pläne aufruft.
weniger auffällig: der zweite geplante Neubau an der Kungu iela 5
(Abb.: Agenturbüro MARK)
Während noch immer über einen möglichen Anbau des Okkupations-museums diskutiert wird, andere sogar die Gebäude der Technischen Universität in der Altstadt unpassend finden - da haben offenbar mal wieder einige "Business"-Projekte höhere Priorität.

Vor allem die Fassade des Hotelneubaus an der Grēcinieku ielā 25 ruft Ablehnung hervor. Sieben Stockwerke Hotel, mitten zwischen einigen der wertvollsten und ältesten Bauten Rigas? Während eine frühere Planung aus dem Jahr 2007, hier ein Wohnhaus mit Läden errichten zu lassen keine öffentliche Anhörung erfordert hätte, wird vor allem diese jetzt zum Hindernis. Der neue Eigentümer, ein litauisches Unternehmen, will ein Hotel bauen lassen. Vor allem zum Aussehen der geplanten Fassade gibt es negative Reaktionen. Autor der Bauskizzen ist Andris Kronbergs und das Büro "Arhis". Derselbe Kronbergs sitzt auch dem Beirat vor, der über den Schutz der historischen Altstadt wachen soll und sämtlichen Bauprojekten seinen Segen geben muss. An der entscheidenden Sitzung des Beirats im August, als die Pläne vorgelegt wurden, nahm Kronbergs teil - enthielt sich aber der Stimme.

Jānis Krastiņš, einer der bekanntesten Architekten Rigas und Autor mehrerer Bücher über die Architekturgeschichte der Hauptstadt weist darauf hin, dass an dieser Stelle die Stadt noch immer Kriegswunden aufweise. "Vor dem Krieg war die Grēcinieku iela doch ebenfalls an beiden Seiten bebaut, bis runter zum Daugava-Ufer. Das sollte auch wiederhergestellt werden," meint er.
Skizzen und Entwürfe zur Bauplanung an der
Grēcinieku ielā 25 (Abb.: Büro ARHIS)
Loskutovs dagegen, inzwischen für die Partei "Vienotiba" Parlamentsabgeordneter und daher in Opposition zur „Saskaņa“ des regierenden Bürgermeisters Ušakovs, hofft auf engagierte Bürgerinnen und Bürger. Für den Fall, dass sich die Stadt Riga entgegen der öffentlichen Meinung doch für die momentan vorliegenden Entwürfe entscheiden sollte, hofft er auf entsprechende Reaktionen bei den nächsten Kommunalwahlen.

Seit 1997 die historische Altstadt Rigas in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde, wurden auch besondere Schutzvorschriften erlassen (seit 2003 rechtskräftig). Der Druck, aus ökonomischen Gründen alte Gebäude abzureißen und lieber neue zu bauen ist groß. Die seit 2006 vorliegende Detailplanung für die Innenstadt sieht zum Beispiel vor, den Livenplatz, Domplatz und Schützenplatz (Strēnieku laukums, rund um das Denkmal der "Roten Schützen") unbebaut zu belassen.

Am 20.Oktober endete die Einspruchsfrist zu den Bauplänen. Vor allem zum Projekt Grēcinieku ielā 25 gibt es Einwände: zu groß, zu massiv, zu hässlich. Angeblich sind die Bauherren zu Änderungen bereit. Eines ist bereits sicher: die zukünftigen Betreiber werden den Weg zu ihren Objekten mit ziemlicher Sicherheit über die Grēcinieku iela nehmen müssen: Deutsch bedeutet die Bezeichnung "Straße der Sünder".


Keine Kommentare: