Aivars Lembergs gilt seit mehr als zwanzig Jahren als einer der wichtigsten Oligarchen Lettlands. Der aus dem armen Osten des Landes stammende Bürgermeister der an der kurländischen Küste im Westen gelegenen wichtigen Hafenstadt Ventspils ist dort seit 1988 im Amt, also schon seit der Sowjetzeit! Lembergs ist eine schillernde Persönlichkeit im politischen Leben seines Landes, gleichzeitig Unternehmer, sehr wohlhabend und beliebt in seiner Stadt, weil wie die Leute sagen, er im Gegenteil zu anderen korrupten Politikern eben nicht ALLES in die eigene Tasche stecke, sondern dem kleinen Mann auch etwas abgebe. Das soll hier nur so weit bewertet werden, als er fraglos seit zwei Jahrzehnten immer wieder Zweifel auf sich zieht, bei seinen Geschäften ginge irgend etwas nicht mit rechten Dingen zu, weshalb er sich immer und immer wieder in verschiedensten Fällen vor Gericht hat verantworten müssen – freilich ohne je eine nennenswerte Strafe kassiert zu haben. Im Gegenteil zu Silvio Berlusconi in Italien mußte er dafür nicht einmal in die nationale Politik einsteigen und dessen Tricks anwenden. Vielleicht aber ist genau dies das Geheimnis seines im Vergleich zum Bunga-Bunga Italiener bemerkenswerteren Erfolges der Unantastbarkeit.
So viel zum Hintergrund. Bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr trat die Zatler Reformpartei des nicht wiedergewählten Präsidenten als neue Saubermann-Partei an. Sie zog sogleich die rote Linie, unter keinen Umständen mit der Bauernunion zusammenarbeiten zu wollen, die als politisches Projekt Lembergs gilt. Die Partei nominierte den damals erst 31jährigen Edmunds Sprūdžs als Kandidaten für das Amt des Regierungschef. In die Staatskanzlei schaffte es dieser freilich nicht, doch Sprūdžs wurde Minister für Umwelt und Regionalpolitik.
In dieser Funktion steht es dem jungen Minister zu, Chefs der Lokalverwaltungen des Amtes zu entheben, wenn Rechtsverstöße vorliegen oder das Ministerium der Ansicht ist, der Amtsträger stünde in einem Interessenkonflikt. Der in der Politik noch unerfahrene Jungunternehmer scheint sich Lembergs als Intimfeind auserkoren zu haben und versucht seither gegen ihn mit diesem Mittel vorzugehen. Sprūdžs suspendierte Lembergs vom Amt mit einer entsprechenden Verlautbarung im Amtsblatt Ende Oktober.
Auf seine Suspendierung vom Amt reagierte Lembergs Ende Oktober mit einer Sondersitzung des Stadtrates in Ventspils, der ihm erwartungsgemäß fast einstimmig das Vertrauen aussprach. Lembergs betonte, der Minister habe kein Recht, ihn zu suspendieren, sondern nur des Amtes zu entheben, was zwei völlig verschiedene Dinge seien. Absetzen könne ihn wiederum nur der Stadtrat durch Entzug seines Vertrauens. Das Gesetz besagt in der Tat, daß eine Suspendierung nur möglich ist, wenn ein Bürgermeister seinen Amtspflichten nicht nachkommt.
Der Stadtrat von Ventspils forderte nun seinerseits den Minister auf, er möchte entsprechende Dokumente vorlegen, die seine Vorwürfe gegen Lembergs bestätigen. Sprūdžs hatte sich zwar auf ein konkretes Gesetz berufen, aber seine Vorwürfe kaum konkretisieren können. Das Ministerium verlautbarte nur allgemein, Lembergs habe über Jahre hinweg die nötige Transparenz in seiner Arbeit vermissen lassen und stelle deshalb eine Gefahr für die Demokratie dar.
Das Handeln Sprūdžs’ stößt auch beim großen Koalitionspartner, der Einigkeit, auf Unverständnis. Parlamentspräsidentin Āboltiņa nannte das Vorgehen kindisch und pflichtete im Grunde den Einwänden der Stadträte aus Ventspils bei, der Minister könne sich eigentlich nicht erklären. Daß Sprūdžs, nachdem er den Bürgermeister bereits supendiert hatte auch noch abzusetzen trachtete, führte schließlich in eine komplette Verwirrung darüber, wie ein abgesetzter Amtsträger suspendiert werden könne und oder umgekehrt. Der Minster versuchte sich aus diesem Dilemma herauszureden, indem er von sich sagte, er sei ein Politiker, der politische Entscheidungen treffen müsse. Dazu gehöre die Garantie eines verantwortungsvollen Handelns der Regierung auch auf der kommunalen Ebene auch als Signal an andere Gebietskörperschaften.
Ministerpräsident Valdis Dombrovskis räumte ein, daß Minister Sprūdžs für die kommunalen Behörden zuständig sei, zeigte sich jedoch verwirrt, da Lembergs derzeit in verschieden Gerichtsverfahren involviert ist, in denen ihm ernsthafte Strafen drohen und dort die Richter bereits eine Suspendierung vorgenommen hätten. Wie könne jemand, der bereits suspendiert ist, noch einmal suspendiert werden? Der Minister antwortete etwas hilflos mit einem Vergleich, man müsse einen Dieb eben ins Gefängnis stecken, damit er kein schlechtes Vorbild für andere sei. Lembergs machte sich derweil über Sprūdžs lustig. In seinem Leben habe sich nichts verändert, er war und sei der Bürgermeister von Ventspils und er sei wohl eindeutig mehr Bürgermeister als Sprūdžs Minister. Lembergs kündigte an, vor Gericht gegen den Beschluß des Ministers vorzugehen. Dazu bleibt ihm eine Frist von 30 Tagen.
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