Wer Lettland kennt und mag, wird hoffen, dass die groben Verwechslungen irgendwann ein Ende haben. Daher ist auch der Begriff "Baltikum" schon die Grundlage für eine falsche Annahme: Estland, Lettland und Litauen sind eben nicht so gleich und ähnlich, dass eine Vereinnahmung aller drei Staaten in einem Oberbegriff gerechtfertigt wäre. Und wer mit "Baltikum" sogar irgend etwas Ähnliches wie "ehemals deutsche Gebiete" gleichsetzen sollte, der liegt ja nicht nur falsch, sondern die aktive Verwendung solcher historisch falschen Prägungen könnte eher schon als böswillig bezeichnet werden.
Gut - labi. Aber die deutsche Presse hat sich doch gebessert in den letzten Jahren, oder? Zweifellos. Was die deutschsprachigen Medien offenbar dennoch nicht vor extremen Rückfällen schützt, die auch bei redaktionellen Leitungsfiguren oder verantwortlichen Redakteuren offenbar keine Irritation auslösen.
Jüngstes Beispiel (13.8.2009): die Deutsche Welle. Hier erschien unter dem Stichwort "Wirtschaft" im Bereich "aus der Mitte Europas". Dankenswerterweiser gleich unter Nennung der Verantwortlichen: Autor: Bernd Riegert, Redaktion: Julia Kuckelkorn. Überschrift: Europas Wirtschaft wächst noch nicht. Gut, könnte man jetzt denken, wer ganz Europa im Blick hat, kann kleine Länder schon mal übersehen. Jede Nicht-Nennung Lettlands hätte also kaum überrascht. Aber dem stehen vielleicht die augenblicklichen Wirtschaftsstatistiken entgegen, die ja für Lettland so "schön katastrophal" aussehen (zum gleichen Zeitpunkt berichtet z.B. die TAZ unter dem Stichwort "in Lettland gehen die Lichter aus"). Und da viele Journalisten die Hälfte ihrer Beiträge auf allgemeine Statistiken aufbauen, ohne die benannten Länder jemals selbst bereist zu haben, liegen hier (angesichts so schöner Statistiken) eilig geschriebene Zahlenspiele nahe.
So auch hier, zumindest in der Redaktion der Deutschen Welle. Zitat aus dem Beitrag: "In Litauen ist die Wirtschaft auch im zweiten Quartal stark eingebrochen: Der Rückgang der Wirtschaftsleitung betrug 12,6 Prozent. Die Ratingagentur Standard&Poors senkte den Indikator für Kreditwürdigkeit des Landes von BB+ auf BB. Der Ausblick bleibe negativ, ließ Standard&Poors mitteilen. Ein weiterer Schlag für den Finanz- und Bankensektor in dem baltischen Staat. Die Nachbarn Lettland (-1,6) und Estland (-3,7) kamen verglichen mit Litauen noch glimpflich davon. In Lettland droht allerdings eine Abwertung der Währung."
Soweit ok. Aber einen Satz weiter (also "im gleichen Atemzug", wie man so schön sagt), Zitat: "Litauens Ministerpräsident Valdis Dombrovskis äußerte sich dennoch optimistisch. Das Schlimmste sei überstanden. Litauen wird zurzeit durch Notkredite des Internationalen Währungsfonds und der EU massiv gestützt." Daneben ein Foto von Dombrovskis, Bildunterschrift: "Der neue Ministerpräsident Dombrovskis will Litauen aus der Krise führen." (Textfassung die am 13.8. so im Internet zu finden war)
2 Kommentare:
Nachtrag - eine Woche später.
Der Beitrag ist inzwischen von der Deutschen Welle korrgiert worden - kommentarlos. Am 14.8. um 14.33 Uhr erhielt ich eine Eingangsbestätigung meines per Email an die Deutsche Welle versandten Hinweises auf die Irrtümer und Verwechslungen im Text - aber keine weiteren Stellungnahmen.
Immerhin: nun sieht es wieder aus wie immer - Lettland und Litauen im Blickwinkel interessierter deutscher Journalisten ...
Nachtrag zwei - 10 Tage später.
Es geht eine Email der Deutschen Welle ein.
"Wir haben Ihren Kommentar mit Interesse gelesen und der Fehler ist zwischenzeitlich korrigiert worden."
Aha. Wer's bis jetzt noch nicht selbst gemerkt hätte ...
Aber die Leser scheint man doch für weniger an Inhalten interessiert zu halten. Die DW weiter: "Wir möchten Sie noch darauf hinweisen, daß wir unter der Rubrik 'Interaktiv' wöchentlich einige Zuschriften unserer User veröffentlichen. Wir freuen uns über jede Zuschrift, können aber nicht alle Leserbriefe veröffentlichen. Aus
redaktionellen Gründen behalten wir uns Kürzungen vor."
Noch einmal eine Standard-Antwort also, die an der Geltungssucht von Leserbriefschreibern herumpinselt. Gründe von groben Fehlern abzustellen wäre besser - immerhin hatte die zuständige Redakteurin schon mal ein Arbeitspraktikum in Litauen gemacht - und musste nun vielleicht mit ihrem Namen für Fehler anderer büssen, die aber keiner öffentlich zugeben möchte?
Kommentar veröffentlichen