9. Juli 2007

Blatt, unbeschriebenes. Referendum, ungeschehenes.

Nicht nur im Ausland ist wenig bekannt über den neuen lettischen Präsidenten Valdis Zatlers, der anläßlich seiner Vereidigung am vergangenen Sonntag symbolisch den Schlüssel des Rigaer Schloßes von seiner Vorgängerin Vaira Vīķe-Freiberga überreicht bekam.
Im Bild ein Zufallsfund aus dem Archiv: noch 2003 tauchte Zalters lediglich als willkommener, aber politisch unbekannter Vertreter seines Berufsstandes auf der "b
unten Seite" von Lettlands größter Tageszeitung DIENA auf: zum Thema "Lettland schickt Soldaten in den Irak" legte die Zeitung der damaligen Aussenministerin Sandra Kalniete (noch vor wenigen Wochen die Präsidentschaftskandidatin der Oppositionspartei Jaunais Laiks) den Satz in den Mund: "Mindenstens einen Arzt sollten wir mit hinschicken."
Im Frühjahr 2007 mag Kalniete bedauert habe
n, dass diese "Verschickung in die Wüste" lediglich Ironie darstellte.

Vorsichtige Hoffnung
Noch eine Woche vor seiner Vereidigung veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut "Latvijas Fakti" ein Umfrageergebnis, nach dem nur 47% der Lettinnen und Letten sich bereit zeigte, eine Meinung zu äussern über den neuen Präsideten Zatlers (positiv wie negativ).
Die Mehrheit wartet ab, und das positivste, was man dann hören kann ist wohl, dass der Präsident nach seinen Taten im Amt beurteilt werden solle.

Zatlers selbst könnte dieses zögernde Abwarten vielleicht sogar positiv werten, schließlich waren einige Kommentare auch in der internationalen Presse lediglich auf die in Lettland übliche Praxis eingegangen, Ärzten nach erfolgter Behandlung noch ein "Dankeschön" im verschlossenen Umschlag zuzustecken. Zatlers gab offen zu, solche "Geschenke" ebenfalls angenommen zu haben, und zahlte inzwischen an die lettische Steuerbehörde 250 Lat (ca. 325 Euro) an Strafe nach für verspätet eingereichte Angaben zu diesen zusätzlich erhaltenen Geldbeträgen - mögliche Höchstrafe wäre allerdings auch nur 500 Lat gewesen. Den lettischen Steuergesetzen entsprechend gibt es nun nichts mehr, was den neuen Präsidenten belasten würde - außer dem Thema selbst, dass den Arzt Zatlers der ja nun zunächst nur für 4 Jahre als Präsident amtieren wird, wohl noch weiter verfolgen wird. In einem der ersten Interviews dazu hatte er die zusätzlichen Zahlungen an Ärzte als "in Lettland allgemein üblich" bezeichnet.

Referendum: Ergebnisse "zwischen den Zeilen"
Auch die gegenwärtige Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Kalvitis wird froh sein, die Zeit des Präsidentenwechsels zunächst gut überstanden zu haben. Schließlich ging am 7.7. auch eine Volksabstimmung über die Bühne, die im wesentlichen gegen die im Parlament zu Zeiten des NATO-Gipfels Ende 2006 in Riga eilig verabschiedeten neuen Sicherheitsgesetze gerichtet war. Nicht nur das: schon eine Beteiligung an dieser Volksabstimmung hatten viele als Votum gegen die "Selbstherrlichkeit der gegenwärtigen Regierung" angekündigt. Während Präsidentin Vīķe-Freiberga mit ihrem Einspruch die Volksabstimmung erst erzwungen hatte und auch zur Beteiligung aufrief, kam eine für die Regierungsparteien ziemlich typische Reaktion von Parlamentspräsident Indulis Emsis: "Über etwas abzustimmen, was schon längst entschieden ist, halte ich für überflüssig." Das Parlament hatte entschieden, Einsprüche wurden ebenfalls zurückgewiesen. Also: Was braucht die Politik da noch das Volk?

Vorerst also ist der Versuch gescheitert, den Lettinnen und Letten das Gefühl zurückzugeben, sie könnten ein Wort mitreden in der lettischen Politik (um nicht nur als "Stimmvieh" zu den Wahlen zu gehen). Aber immerhin hatte es Ende April 2007 bereits 150.000 Unterschriften bedurft, um das Referendum überhaupt abhalten zu dürfen (und 215.000 hatten unterschrieben). "Neuwahlen in Lettland nicht ausgeschlossen!" schrieb noch am 7.Mai Reinhard Wolff in der TAZ.
Immerhin wurden insgesamt 1,5 Millionen Lat ausgegeben für alles, was im Zusammenhang mit der Durchführung des Referendums zu organisieren war. Um das Ganze nun noch erfolgreich zu gestalten, hätten sich 50% derjenigen Zahl von Wahlberechtigten beteiligen müssen, die sich bei der letzten zurückliegenden Parlamentswahl beteiligt hatten - diese Grenze lag diesmal bei 453 730 Stimmen. Mit knapp 340.000 lag das Ergebnis des Referendums am 7.Juli also deutlich darunter. Von denen, die zur Abstimmung gingen, sprachen sich allerdings 96% gegen die von der Regierung beschlossenen Gesetze aus.

Größter Feind des demokratischen Engagements: Schönes Wetter!
Am Tag danach entschuldigte
Vīķe-Freiberga ihre Landsleute: es sei auch nun mal sehr schönes Wetter gewesen an diesem Samstag, viele hätten "sehr praktische Arbeiten" zu Hause zu erledigen gehabt (die lettische Manie, Kartoffeln zu pflanzen oder zu ernten, und dabei alles weitere stehen und liegen zu lassen, ist legendär ...). An diesem "magischen Tag" (07.07.2007) waren auch hunderte von Brautpaaren in Lettland unterwegs gewesen, um diesen Tag für ihr persönliches Glück zu nutzen. Auch dies entschuldigen ihnen diejenigen gern, die noch mehr politische Beteiligung gesehen hätten.

Derweil hatte die lettische sozialdemokratische Arbeiterpartei versucht, ein weiteres Referendum zu initiieren: für einen direkt vom Volk gewählten Präsidenten. Da schimmert ein wenig Populismus durch bei dieser in Lettland in den letzten Jahren eher wenig erfolgreichen Partei: 10.000 Unterschriften wären nötig gewesen, um eine solche Volksabstimmung initiieren zu können. Gegenwärtig liegt die Unterstützung für diesen Vorstoß noch weit darunter.

Infos zum Thema:
Infoseite der lettischen zentralen Wahlkommission

Infoseite der Kanzlei des lettischen Präsidenten


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