11. Januar 2006

Linda Murniece: erste lettische Verteidigungsministerin

Als im Dezember 2005 die lettische Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen Verteidigungsminister Einars Repse eröffnete, entschied sich das Zugpferd der Partei "Jauns Laiks" (JL - Neue Zeit), der sich selbst wegen seiner oft eigenwilligen Art auch "Außerplanetarischer" nannte, zum Rücktritt - am Ende ein Rücktritt also wegen allzu undurchsichtiger Geldgeschäfte, und nicht, weil etwa "grüne Männchen" Lettland bedrohen würden.
Fast wie selbstverständlich wurde Linda Murniece, 35 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern, als Nachfolgerin am 6.Januar 2006 vom lettischen Parlament mit 64 gegen 18 Stimmen bestätigt. Wie Repse war sie bisher Abgeordnete der konservativen "Jauns Laiks" in der lettischen SAEIMA (Parlament). Ojars Kastèns, stellvertretender Vorsitzender des Koalitionspartners "Pirma Partija" (Erste Partei), wies laut in der Tageszeitung Neatkariga Rita Avize zitierten Aussagen darauf hin, dass gegenwärtig wohl nur noch Norwegen ebenfalls eine Frau das gleiche Amt bekleiden würde (Frankreich und Schweden vergaß er dabei). Spätestens seit der Wahl Vaira Vike-Freibergas zur Präsidentin scheint es in Lettland keine besondere Aufmerksamkeit mehr zu erregen, wenn Frauen in ungewöhnliche Führungspositionen gelangen.
Murnieces wichtigste Aufgabe in diesem Jahr wird die Vorbereitung des NATO SUMMITS sein, der im November in Riga stattfinden wird. 5.000 Gäste werden dann von Murniece als Gastgeberin erwartet, wenn sich zum ersten Mal die NATO in einem Land trifft, das früher einmal zur Sowjetunion gehörte. Ausgaben von 21 Millionen Euro kommen wohl auf das lettische Staatssäckel zu, aber der Prestigegewinn für Lettland wird von den lettischen Politikern einschließlich der Staatspräsidentin als unschätzbar groß eingeschätzt.

Linda Murniece selbst scheint ihre neue Aufgabe eher gelassen anzugehen. Innerparteilich hatte sie sich gegen zwei Parteikollegen durchgesetzt: Guntis Berzins, Leiter der lettischen Delegation bei der parlamentarischen Versammlung der NATO, und der Fraktionsvorsitzender der "Jauns Laiks", Karlis Sadurskis. Letzterer wurde von Murniece als persönlicher Ratgeber benannt und soll einige Sonderaufgaben bekommen (siehe DIENA 28.12.05 & 6.1.06).
"Keine besonderen Überraschungen" plant Murniece laut verschiedenen Berichten in der lettischen Presse (NRA, LETA). "Es ist wichtig, die Menschen zum Bleiben in Lettland zu bewegen, und auch wir können dazu beitragen," spielte sie auf die großen Zahlen von Arbeitsemigranten in anderen EU-Ländern an. Lettland will mittelfristig eine Berufsarmee aufbauen, und sieht dies wohl teilweise auch als Aufbau von soliden Berufsperspektiven. 370 Lat (ca. 550 Euro) soll ein Soldat der lettischen Armee erhalten, wenn er zwei Jahre Dienst ableistet (LETA 30.12.05). Dazu soll noch eine Ausgleichszahlung für eine evtl. erforderliche zusätzliche Mietwohnung kommen.
Auch an der Präsenz lettischer Soldaten im Irak soll sich nach Aussagen Murnieces (NRA 6.1.06) nichts ändern. "Die werden solange da sein, wie es die USA für hilfreich ansehen würden."
Solche Aussagen waren es denn auch, die andere Abgeordnete als Argument für ihre Gegenstimmen am 6. Januar anführten.

Auch in Lettland müssen Politiker(innen) sich aller möglichen Anschuldigungen erwehren, zu sehr für das eigene Wohl zu arbeiten - in einem Land mit großen sozialen Kontrasten vielleicht verständlich. Während aber deutsche Politiker gegenwärtig noch Gerichtsprozesse anstrengen, damit sie die Höhe ihrer Einkünfte nicht offenlegen müssen, sind Volksvertreter(innen) in Lettland auch das bereits gewohnt. Auf 11.189,50 Lat (ca. 16.600 Euro) beziffern Presseberichte das Einkommen von Linda Murniece aus dem Jahre 2004, einschließlich Kindergeld (so genau wird hingeschaut!). Ihr Eigentum, Haus und Land in Balozi bei Riga, wird ebenso penibel in den Zeitungen aufgelistet, genauso wie Guthaben oder Kredite, die von der Politikerin bei ihrer Hausbank aufgenommen wurden (NRA/TV-Net).

"In 10 Jahren 13 verschiedene Arbeitsstellen" - auch solche Schlagzeilen der lettischen Presse werden der neuen lettischen Verteidigungsministerin Linda Murniece jetzt wohl kaum noch etwas ausmachen (NRA /TV-Net). Aber daher kommt es wohl, dass manche Medien die neue Ministerin als "ausgebildete Journalistin" (Baltic Times) bezeichnen, mal als "Philologin" (RIA Novosti), und dann wieder als "Sozialwissenschaftlerin" (NRA - genau diese Variante gibt sie selbst tatsächlich auch so auf der Seite des Verteidigungsministeriums an). - Bekannter ist da schon, dass Murniece zuletzt die parlamentarische Kommission gegen Korruption leitete, und Staatssekretärin im lettischen Verteidigungsministerium war. Was Murniece unter anderem auch schon war: stellvertretende Fraktionschefin ihrer Partei, Pressesprecherin der "VEF Bank" und des Innenministeriums, Polizeinspektorin.

Eines ist Linda Murniece nun auf jeden Fall: die erste Frau als lettische Verteidigungsministerin in der Geschichte ihres Landes.

(Fotos: lettisches Verteidigungsministerium. Oben: Antrittsbesuche bei der Truppe, unten: Linda Murniece mit Militärpfarrern. - Eine Frau unter Männern ....)

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