30. August 2025

Septemberväter

Jeder hat den besten Vater - 
wenigstens am Vatertag ...
Warum wird in Lettland eigentlich der "Vatertag" im September begangen? Jeweils der zweite Sonntag im September wird zum "Tēva diena", wie es auf Lettisch heißt (siehe Gesetzestext). Dahinter steht zunächst mal das "Familienportal" "Mammamuntetiem.lv" (einfach übersetzt: "für Mama und Papa") und der Verlag "Rīgas Viļņi", der stolz darauf verweist, schon seit 1957 eine Radio- und Fernsehzeitung herausgegeben zu haben, die 1997 einen Neuanfang feierte. Mit Titeln wie "Was der Arzt Dir nicht erzählt", "Patiesā Dzīve" (Das wahre Leben"), oder dem Männermagazin "9VĪRI" ist der Verlag inzwischen in der Welt der lettischen "Yellow-Press" fest verankert. 
Dazu kommt auch noch, dass "Mammamuntetiem" inzwischen auch eine eigene Organisation gegründet hat. Sie nennt sich “Vecāku organizācija mammām un tētiem” (Elternverein für Mamas und Väter) und Inga Akmentiņa-Smildziņa ist die Vorsitzende: Mutter dreier Kinder - allein dadurch offenbar schon "Familienexpertin". Man wolle "anderen Familien zu Glück und Harmonie verhelfen", heißt es. Gleich drei Mitglieder im Vorstand tragen den Nachnamen "Smildziņš" - also auch hier gilt offenbar ein gewisses "Familienprinzip".

Harmonie als oberstes Ziel

Dieses "Papafestival", mit Hilfe eines Schnurrbarts als Logo, hat sich inzwischen zu einem Event mit zumindest einigen Hundert Besucherinnen und Besuchern entwickelt. Auch beim "Vatertag" am 14. September 2025 wird es wieder einen festlichem Umzug, ein Musikfestival und einer Vielzahl von Spielen im Park unter freiem Himmel geben - bei freiem Eintritt. Unter dem Motto "Ich bin stolz ein Vater zu sein" wird der Tag in Riga bereits zum 12.Mal in größerem Umfang gefeiert. Und dieses Jahr verschenkt die staatliche Forstbehörde an 100 Väter je einen kleinen Eichenbaum. 

Vorher wird auch diskutiert: bei der "Tēvu sapulce" ("Väterversammlung"), die auch online im Internet mitzuverfolgen ist, geht es um die Rolle der Väter bei der Kindererziehung, die Arbeitsteilung in der Familie und bei der Hausarbeit, und um ähnliche Themen. Als "Experten" holen sich die Organisatoren bekannte Väter aufs Podium: Sportler, Schauspieler, Musiker, aber auch Psychiater und Sozialarbeiter.

Auch Resultate von Umfragen werden in die Diskussion einbezogen. So gaben 31% der befragten Väter an, sich jeden Tag auch mit Hausarbeit zu beschäftigen. 59% gaben zu, weniger als die Mutter damit zu tun zu haben. Wenig verwunderlich vielleicht, dass "zu Hause etwas reparieren" bei 88% die beliebteste Beschäftigung ist. 85% bringen die Mülltonne raus, 73% räumen die Spülmaschine ein, und immerhin fast die Hälfte der befragten lettischen Väter kann auch kochen. Allerdings: wird das Kind krank, bleibt meist doch die Mama zu Hause (medicine.lv). 

Paar-Strategie 

Unter genauer Beobachtung der Väter und Mütter ist offenbar alles, was in den staatlichen Schulen geschieht. Viele kleine Schulen in Lettland müssen geschlossen werden, das Lehrpersonal verlangt bessere Bezahlung. Und für den Sommer wünsche man sich mehr Festivals, an denen auch Familien mit Kindern ohne Bedenken teilnehmen können. 

Auch von "Geburtenstrategie" ist bei "Mammamuntetiem" die Rede, am liebsten gleich für "ganz Lettland". Dabei wird zunächst anerkannt, dass sich das Rollenverständnis von Frauen wie Männern, ebenso wie das Verständnis von Paarbeziehungen in Lettland geändert haben: in Umfragen sehen nur noch 21% der Männer die eigene Rolle vor allen darin, dass "es der Familie nicht an Geld fehlt". Nicht alle Frauen wollen Mutter werden, und Männer nehmen verstärkt die eigene Verantwortung für die Kindererziehung wahr - aber in 97% aller Familien kümmert sich vor allem die Frau um die Kinder. Die in der "Strategie" erwähnten "Lösungsvorschläge" wirken eher wie ein bunter Blumenstrauß: von Steuererleichterungen für Familien über mehr Kindergartenplätze bis zur Vier-Tage-Arbeitswoche. 

Dem guten Vater

Den Vatertag in Lettland im September zu feiern, das wird der Initiative von Baptistenpfarrer Ainars Baštiks aus dem Jahr 2009 zugeschrieben, als er auch als Minister für Kinder und Familien zuständig war (dzirkstele / youtube). 
Aber gewalttätige Ehemänner und solche, die sich nicht um ihre Familie kümmern, müsse man ja nicht auch noch feiern - so die Gegenargumente zunächst. Daher wird der Tag inzwischen als Einladung verstanden, die fürsorglichen Väter zu sehen und denen zu danken, die sich um ihre Kinder kümmern und an ihrer persönlichen Entwicklung teilhaben. Baštiks Argumentation berief sich allerdings auch auf eine "gottgegebene Ordnung", der zufolge an die eine Hand eines Kindes die Mutter, an die andere der Vater gehöre. 

Da müssen wir vielleicht kurz an die lettische Verfassung denken, wo eine Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau festgeschrieben ist. Aber bei diesem lettischen "Papa-Feiertag" ist ja darüber nicht mal etwas gesagt: ein Vater ist ein Vater, und hoffentlich ein guter Vater. Ob er verheiratet sein muss, darüber wird an diesem Tag nirgendwo etwas gesagt.  

Viele naheliegender scheint zu sein, den Anlass kommerziell ausnutzen zu wollen: was schenke ich bloß Papa oder Opapa? (lieliskadavana / goody / Douglas / kruzes) Wir erinnern uns an das "Festtagsprogramm": Papa schenkt uns einen gemeinsamen Spaziergang, und einen vergnüglichen Tag im Stadtpark. So läufts zumindest in Riga (lsm).

12. August 2025

Schneckentempo

Abseits der wirklich wichtigen Fragen dieser Welt tauchte in diesem Sommer in der lettischen Presse ein Thema auf, das auch schon in den vergangenen Jahren aufkam. Von "Kampf" ist die Rede - diesmal ist nicht Militärisches gemeint. "Lettland kämpft mit vereinten Kräften!" (LVPortals) Objekt des Bemühens ist das Auftauchen von "Spānijas kailgliemezi" - der "spanischen Nacktschnecke", die eigentlich gar nicht aus Spanien kommt - deutsch als Wegschnecke oder Kapuzinerschnecke bekannt (Arion vulgaris). 

Die lettische Presse berichtet über "erhebliche Schäden" in Lettlands Grünanlagen. Und es hat sich sogar schon ein Verein "Bewegung gegen die spanische Nacktschnecke" gegründet. 

Immer die Spanierinnen ! 

Aber wie sollen nun lettische Gartenfreunde tun? Die Schnecken-Feinde organisieren Sammelaktionen: Gummistiefel, -handschuhe und Eimer - und los geht's! Auch eine Taschenlampe ist wichtig - denn die Schnecken sind meist nachts unterwegs. Und schon werden die sozialen digitalen Netzwerke mit Fotos geflutet, ergänzt mit der Frage: "Kann das weg?" Auch Krähen, Elstern, Amseln, Enten oder Igel könnten ja Schnecken fressen - aber die suchen sich lieber etwas Schmackhafteres, wissen die Schneckenvernichter. "Sie verstecken sich immer unter dem Rhabarber!", berichtet Gartenbesitzerin Valda (lsm)

Auch die lokalen Medien berichten. In Limbaži war eine Gruppe von einigen Dutzend Menschen unterwegs, auch Familien mit Kindern, Rentner und junge Leute, um das Areal rund um die Freilichtbühne zu säubern. "Die Eimer füllten sich schnell", so wird berichtet, und die Teilnehmer/innen seien über die Menge der vorgefundenen Schnecken doch sehr erstaunt gewesen (lsm). Und manche Schneckensucher schwören offenbar darauf, die Schnecken nach dem Einsammeln mit Salz zu bestreuen: "damit sie nicht entkommen können!"

Gefräßig und erfolgreich 

Im Jahr 2009 soll die schleimige Spanierin zum ersten Mal in Lettland gesichtet worden sein. Die Ausbreitung bringen manche damit in Verbindung, dass vermehrt Pflanzensetzlinge aus anderen Ländern eingeführt worden seien. Eigentlich kommt in Lettland auch noch die rote Nackschnecke (Arion rufus) vor, jedoch zeigen Erfahrungen aus anderen Ländern, dass die "Spanierin" alle anderen Arten verdrängt (und sogar Weinbergschnecken angreifen und fressen).   

Homo sapiens im Schneckentempo

Sammelleidenschaft 

Krista Kušnere, bei der Gemeinde Saulkrasti für Natur und Umwelt zuständig, lädt Bürgerinnen und Bürger ein, der Gemeinde Schneckenvorkommen zu melden. "Bisher setzen wir Kalk ein, der Eisenphosphat enthält - schädlich für die Schnecke, aber im Boden wird es zu Nährstoffen umgewandelt." (lsm) Und Gemeinden wie Kuldiga stellen Behälter bereit, wo tote Schnecken "entsorgt" werden können. Kleinere Mengen könnten auch einfach dem Kompost zugegeben werden, heißt es - Hauptsache, sie wurden mit heißem Wasser übergossen, so dass auch die Eier abgetötet werden. Eine andere Biologin überrascht mit dem Vorschlag, die "humanste" Art, Schnecken zu töten, sei das einfrieren. (lsm)

Einige andere Gemeinden verwenden auch "Ferramol" (Schneckenkorn) - was aber dann auch andere Schneckenarten treffen kann. Unklar ist noch, ob die Spanische Nacktschnecke in Zukunft offiziell in Lettland als invasive Art eingestuft werden wird - das würde aber bedeuten, dass Landbesitzer/innen die Schnecken unbedingt vernichten müssten, andernfalls könnten Strafen verhängt werden.

Und wie sind die Aussichten? Die Nachkommen der Schnecke schlüpfen im Herbst, sind zunächst klein und winzig, überwintern - und freuen sich dann auf die schmackhaften Sachen im Frühling.