Wer sich die aktuellen Entwürfe ansieht, meint vielleicht, am Kalpaka Boulevard in Riga solle gleich eine neue Stadt aus dem Boden gestampft werden.
Seit langer Zeit schon wurde über den Bau eines neuen Konzerthauses geredet und gestritten - zunächst meinte man sich auf einen Bau mitten in der Daugava geinigte zu haben (siehe Bericht), dann schien der Bau der Nationalbibliothek wichtiger (die 2014 eröffnet wurde).
Von der langen Bank - auf die lange Bank
Die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat änderten sich mehrfach, und es kamen immer neue Vorschläge dazu, welcher Ort am geeignesten für ein Konzerthaus sein könnte. Schließlich wurden alle davor liegenden Beschlüsse verworfen und man begann wieder bei Null. Nun wurden insgesamt 36 verschiedene Orte in Riga wurden geprüft. Inzwischen scheint die Sache klar: schon innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen entscheidende Schritte getan sein, das bisherige Kongreßhaus als "Rīgas Filharmonija" (Philharmonie Riga) umzubauen. Abreissen konnte und wollte man dieses 1982 im postmodernen Stil gebaute Haus nicht - das wurde als Rahmen einer internationalen Ausschreibung festgelegt, bei der sich über 120 Architekturbüros bewarben, davon fast 100 aus dem Ausland.
Das Projekt soll nun durch ein internationales Team vorangetrieben werden, das aus etwa 100 Personen besteht, auch ein Aufsichtsrat wurde geschaffen. Zögerlich ist man noch bei der Benennung der genauen Umbaukosten: zunächst müsse man die "Entwurfsarbeiten fertigstellen", heißt es, und über die notwendigen Mittel für den Bau der Rigaer Philharmonie müsse dann die Regierung noch entscheiden.
Neue Pläne und Ziele
Am 20. November wurden die Pläne bei einer öffentlichen Veranstaltung im Rigaer Rathaus präsentiert. Einiges davon wirkt, mit deutschen Augen gesehen, fast ein wenig wie die große Verhüllung des Reichstags in Berlin - nur diesmal nicht als Kunstprojekt, eher als Prestigeprojekt der Musikstadt Riga.
Das neue Haus soll dann auch als Tourismus-Magnet wirken; die Stadtoberen stellen es gern in eine Reihe mit Konzerthäusern in Kopenhagen, Amsterdam, Oslo und auch - besonders was lange Planungs- und Bauzeiten angeht - mit der Elbphilharmonie in Hamburg. Das Unternehmen „Mark arhitekti und Mailītis arhitekti“ soll das Bauvorhaben koordinieren und bis 2026 sollen alle administrativen Voraussetzungen erfüllt sein um mit dem Bau zu beginnen. (lsm)
Ein Haus als Heimat für viele
Eine Fläche von 19.561 m² soll das neue Haus umfassen. Im jetzt gebildeten Aufsichtsrat sind auch künftige Nutzer vertreten, wie z.B. das Nationale Symphonieorcheter ("Latvijas Nacionālā Simfoniskā orķestra" LNSO) und "Latvijas Koncerti" als Veranstalter. Auch der lettische Radiochor und die Bigband des lettischen Radios soll dann hier ihr neues Zuhause finden. Die Fertigstellung des Umbaus soll, bisherigen Plänen zufolge, bis 2030 abgeschlossen sein. (lsm)
Das LNSO tritt bisher im Haus der "Großen Gilde" in Riga auf, das 1936 mit luxuriöser Holzausstattung ausgestattet und 1965 nach einem Brand zuletzt restauriert wurde. Aber auch für die 3576.40 m² Fläche dort, hinter der beeindruckenden mittelalterlichen Fassade, gibt es aktuellen Renovierungsbedarf (Kostenschätzung; 14 Millionen Euro). Danach hofft man, auch dort an mindestens 100 Tagen im Jahr Konzerte veranstalten zu können, mit einer Gesamtzahl von 7500 Besuchern.
Ein weiterer, realtiv neu gestalteter (ebenfalls traditionsreicher) Ort für Konzerte ist gegenwärtig in Riga der sogenannte "Hanzas Perons" ("Hanse-Bahnsteig"), ein ehemaliges Lagerhaus der Eisenbahn. Immerhin ist hier Raum für bis zu 1200 Sitzplätze.
Wer in Lettland gar nicht mehr den richtigen Konzertsaal findet, aber die Nutzung von digitalen Angeboten liebt, kann übrigens sich in das Projekt "Konzertsaal zu Hause" (Mājas Koncertzāle) einschalten. (Bisher) kostenlos, und sicherlich mit genügend "Appetithäppchen" - nicht nur aus dem Bereich der Klassik.