Als vor kurzem der neue lettische Präsident im lettischen Parlament mit 52 von 100 Stimmen gewählt wurde, da geschah das erst zum zweiten Mal in offener Abstimmung - die lettische Öffentlichkeit konnte also nachvollziehen, wer für wen gestimmt hatte. Am 1. Januar 2019 war eine Gesetzesänderung in Kraft getreten die besagt, in Zukunft seien die Präsidentschaftswahlen in offener Stimmabgabe zu erfolgen. Interessant ist, dass dies eine Initiative des Portals "Manabalss" ("Meine Stimme") war, bereits 2014 gestartet, die insgesamt 12.000 Unterstützer/innen fand, und zunächst entsprechende Debatten im Parlament, dann sogar eine Verfassungsänderung zur Folge hatte. "Die Wahl zum Präsidenten des Landes muss offen und transparent sein," so die damalige Forderung, "damit die Wähler erfahren können, wie ihre gewählten Parlamentsmitglieder abgestimmt haben und wer für das Ergebnis verantwortlich ist."
Lettland sei das erste Land, in dem eine Beteiligung der Öffentlichkeit zu einer Änderung der Verfassung geführt habe - so schreibt es Journalistin Laura Dumbere in der Zeitschrift "IR". Zudem habe ja das 2011 gegründete Portal "Manabalss" auch 2020 schon den "Bürgerpreis des Europäischen Parlaments" verliehen bekommen. 2023 kam auch noch der "Innovation in Politics Award" dazu, und auch vom deutschen Auswärtigen Amt gab es bereits Unterstützung. Die Aufmerksamkeit sei schon deshalb verdient, da inzwischen insgesamt 484.000 Menschen oder 25 % der Bevölkerung Lettlands auf dieser Plattform mindestens einmal ihre Stimme für einen Vorschlag abgegeben hätten. Und im Laufe ihres Bestehens seien über 100 Vorschläge entstanden, von denen 60 ins Parlament eingebracht und letztendlich zu neuen Gesetzen wurden.
Imants Breidaks leitet die "Stiftung Bürgerbeteiligung" ("Sabiedrības līdzdalības fonds"), die das Projekt "Manabalss" trägt. Zwei weitere der ehemaligen Gründer, Kristofs Blaus un Jānis Erts, arbeiten inzwischen woanders. Am Anfang sei die Idee gewesen, alles, was im lettischen Parlament diskutiert wird, einer öffentlichen Abstimmung zu unterziehen. "ManaBalss existierte zu dieser Zeit aber schon", erzählt Breidaks in einem Interview. "Wir haben das alles noch mal aufgefrischt und überarbeitet, die ehemaligen Gründer waren teilweise schon mit anderen Projekten beschäftigt. Es gab mit 'ParVaiPret.lv' auch noch ein zweites Projekt, das einen engeren Dialog der Bürgerinnen und Bürger mit den Politiker/innen zum Ziel hatte." Und auch die estnische Initiative "Rahvaalgatus.ee" habe von den Erfahrungen in Lettland gelernt, in Litauen gäbe es inzwischen „Peticijos.lt“, berichtet Breidaks.Aber nicht jede Eingabe wird auf "Manabalss" zugelassen, gibt Breidaks zu. "Wir versuchen das inhaltlich und rechtlich zu prüfen, und schauen uns auch die Absender an." Die Eingaben müssen sowohl den Prinzipien der lettischen Verfassung entsprechen und sollten konkrete Lösungsvorschläge beinhalten.
Wird etwas von einer politischen Partei eingereicht, muss dies offengelegt werden und es kostet eine Gebühr, je nach Größe der Partei (=Mitgliederzahl). "Aber solche Initiativen, die machen bei uns weniger als 1% aller Eingaben aus", meint Breidaks ("IR").
Und auch für Firmen und Unternehmen als Absender gibt es eine Gebührenregelung: Für kleine Unternehmen (bis 10 Mitarbeiter, Umsatz bis 2 Millionen Euro) kostet es 1.000 Euro, für mittlere Unternehmen 2000 Euro, und für große Firmen 4900 Euro (per Definition, die von der lettischen Investitions- und Entwicklungsagentur LIAA übernommen wurde).
Zurück zum Beispiel der Präsidentenwahl. Dank "Manabalss" wird also inzwischen der lettische Präsident in offener Wahl gewählt. Es habe aber auch schon Kommentare gegeben, dass genau dies "undemokratisch" sei. Eine Wahl, die nicht geheim erfolgt? "Na ja," kommentiert Breidaks, "jedenfalls sind wir in die Geschichte der lettischen Rechtssprechung eingangen."
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