21. Januar 2023

Bei Jakob Land unter

Der Jahresanfang geriet in der lettischen Stadt Jēkabpils aufregend: der winterliche Wärmeeinbruch nach einer Frostperiode brachte Straßen- und Schulschließungen, und nach ausgiebigem Regen ansteigende Fluten der Daugava. Das Eis des bis dahin zugefrorenen Flusses war in in Bewegung geraten, aber am Ufer noch gefroren - also schoben sich die Eisplatten aufeinander und hinderten den Abfluss des Wassers. Weitere Bereiche der Stadt standen unter Wasser. Etwa 50 Menschen mussten für einige Tage ihre Häuser verlassen, sie kamen größtenteils bei Freunden und Verwandten unter. 

1670 wurden der heute eher beschaulich gelegenen lettischen Stadt Jēkabpils die Stadtrechte verliehen - vom kurländischen Herzog Jakob Kettler - daher der Name (deutsch =  Jakobstadt). Prägend für die Partnerstadt von Melle / NRW ist die Funktion der Stadt als Verkehrsknotenpunkt, sowohl der Straßen wie auch des Bahnverkehrs. Auf der anderen Seite der Daugava liegt Krustpils (Kreutzburg), das in alten Urkunden schon seit 1237 erwähnt wird. Jēkabpils, so wie es heute aussieht, entstand erst 1962 nach dem Bau einer neuen Brücke über die Daugava, die Krustpils mit Jēkabpils verband.

Einige Tage lang stieg nun der Wasserstand der Daugava immer mehr an. Der Schutzdamm hielt den Wassermassen an einige Stellen nicht stand, dort versuchte die Feuerwehr mit Wasserpumpen Wasser aus der Gefahrenzone zu bringen. "Noch nie war der Wasserstand mitten im Winter so hoch", meint Wasserbauexpertin Daina Ieviņa. "Deshalb bricht und verdichtet sich das Eis in schmaleren Untiefen, wie es in der Nähe von Zeļķie, unterhalb von Jēkabpils, geschehen ist. Je niedriger der Wasserstand, desto größer die Eisstaus. Der Regen und die Wärme heben dann das Wasser an und das Eis gerät in Bewegung." Und sie schaut auch voraus: Wenn dann die Wassermassen weiterfließen zum Staudamm, bilde sich dort bei Frost eine neue Eisdecke und könne den Druck im Frühjahr noch verstärken – besonders wenn es dann schnelles Tauwetter geben solte. (IR) Das lettische "Zentrum für Umwelt, Geologie und Meteorologie" (Latvijas Vides, ģeoloģijas un meteoroloģijas centrs) warnt weiter vor schwierigen Wetterverhältnissen bis voraussichtlich März.

Die größte Flutkatastrophe  ereignete sich in Jēkabpils aber im Jahr 1981. Damals fielen den Fluten über 1000 Rinder und 10.000 Hühner zum Opfer, 700 Häuser wurden überflutet, 800 Menschen evakuiert und mehrere Höfe durch dicke Eisschollen zerstört. (IR) Aktuell hatte am 16. Januar der Wasserstand bei 8,24m über Normalnull gelegen, am 14. Januar sogar bei 8,92 m - nur 5cm weniger als bei der großen Flut des Jahres 1981.

Als Konsequenz aus der Katastrophe damals wurde ein Damm gebaut und bis 1986 verstärkt. In den Jahren 2010 bis 2014 wurde alles noch einmal saniert und ausgebaut und oben mit einer beleuchteten Promenade versehen. Die letzte Ausbauphase war aber gegenwärtig noch nicht ganz beendet. Auch an anderen Stellen in Lettland sollte der Hochwasserschutz noch ausgebaut werden, warnen Experten. So müssten bei Ogre, an der Gauja und an der Lielupe noch mehr Überschwemmungsflächen eingerichtet werden, wo das Wasser gefahrlos über die Ufer treten könnte. 

Inzwischen haben in Jēkabpils Aufräumarbeiten begonnen. Maßnahmen zur weiteren Verstärkung des Damms sollen möglichst noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Präsident Levits lobte bei einem Besuch vor Ort den umsichtigen Umgang der Gemeindeverwaltung mit der Krisensituation und sagte für die notwendigen Baumaßnahmen staatliche Hilfe zu (lsm). Raivis Ragainis, Bürgermeister von Jēkabpils, gab eine notwendige Vereinfachung einger Verwaltungsvorschriften zu Bedenken, um den Hochwasserschutz schnell verbessern zu können. Metereologin Laura Krūmiņa ist sich sicher: "Wir haben es hier auch mit direkten Folgen der menschengemachten Klimaveränderungen zu tun. Wir müssen damit rechnen, dass es weitere Jahre mit instabilen Wintern geben wird." (liepajniekiem)

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