28. September 2025

Mal rauf, mal runter

Auch in Lettland wünschen sich die Kundinnen und Kunden stabile Lebensmittelpreise. Schaut man beim offiziellen lettischen Statistikportal nach, dann wird dort für die vergangenen 12 Monate ein Preisanstieg von 4,1% ausgewiesen. Verglichen mit 2021, liegt der Preisanstieg aber bei "sagenhaften" 34,3%! (stat.gov.lv). Und nehmen wir nur Lebensmittel und alkoholfreie Getränke heraus, liegt der Anstieg hier sogar bei 51,3%. (stat.gov.lv). Seit 2021 hat sich diese Entwicklung erheblich beschleunigt. (siehe auch: "Food price monitoring tool")

Mittel zum Leben

Statistisch gesehen lag 2024 das mittlere Monatseinkommen in Lettland bei 1223 Euro - allerdings liegen in Lettland die Geringverdiener und die Gutverdiener sehr weit auseinander, das muss ein realistischer Blick auf die Situation berücksichtigen. "Gering Beschäftigte" werden in der Regel so definiert, dass sie weniger als zwei Drittel des mittleren Brutto-Stundenlohns verdienen: in Lettland sind das 23% (nur in Bulgarien und Rumänien liegt in der EU dieser Anteil noch höher) (IR)

Einer Statistik aus dem Jahr 2019 zufolge geben Lettinnen und Letten durchschnittlich 23,4% des verfügbaren Einkommens für Lebensmittel aus (bei alleinstehenden Frauen mit Kind sind es 27,7% - sogar mehr als die 22,6% für Miete und Wohnung). (stat.gov.lv)

Reisvergleich 

Obwohl Lettland also die dritthöchste Zahl an Niedriglohnempfängern in der Europäischen Union hat, scheuen sich die Ladenbesitzer nicht, für billige Markenlebensmittel mehr zu verlangen als in den Nachbarländern - so schreibt es Journalistin Ilze Šķietniece in einem Beitrag für die Zeitschrift "IR". 

Und besonders dort, wo die großen Supermarktketten Läden in allen drei baltischen Staaten, also in Estland, in Lettland und auch in Litauen unterhalten, da lassen sich natürlich Preise vergleichen. Beispiel RIMI: im Moment des Testkaufs kosteten 800 Gramm Langkornreis in Lettland 1,19 Euro - aber in Litauen nur 99 Cent und in Estland sogar nur 39 Cent! (Rimi Estland / Rimi Litauen) Bei "Rimi" in Lettland sind auch Buchweizen, Nudeln, Haferflocken, Milch, Butter und andere Produkte aus dem Niedrigpreissegment die teuersten in den baltischen Staaten.

Im Mai hatten Verarbeiter und Händler im lettischen Wirtschaftsministerium ein Memorandum über den Handel mit Lebensmitteln unterzeichnet. Dort war ein Warenkorb mit Grundnahrungsmitteln und 10 Warengruppen festgelegt worden - in jeder dieser Gruppen sollten Handelsfirmen sich verpflichten, mindestens ein preisgünstiges Produkt anzubieten. Die Theorie: wenn abwechselnd immer andere Produkte günstig angeboten werden, sei die Grundversorgung auch für ärmere Leute gesichert. Soweit die Theorie. 

Unvergleichlich? 

Ökonomen wenden nun ein, die Märkte in den drei Ländern seien eben unterschiedlich, und selbst wenn zum Beispiel alle drei Ladenketten zu "Rimi" gehören, seien es eben drei unterschiedliche Unternehmen, die jeweils für sich kalkulieren. So seien zum Beispiel die Getreideprodukte der Eigenmarke von Rimi in Estland im mittleren Preissegment um 23 % teurer als in Lettland. Und so kostet etwa eine 125g-Packung Basmati-Reis in Lettland 1,35 Euro, in Estland und Litauen aber 60 Cent mehr ("IR"). In der Auflistung von Journalistin Šķietniece findet sich auch die 400g-Packung Buchweizen in Estland für 0,97 Euro, in Litauen 1,48 € und Lettland 1,75 €. Nimmt man aber das gesamte Sortiment und summiert den Durchschnitt alle Produkte, unterscheiden sich die drei Länder nur minimal, schreibt sie. 

Der Marktanteil der drei größten Supermarktketten in Lettland teilt sich wiefolgt auf: Rimi (28%), Maxima (28%) und Lidl (12%) (OECD, 2024 / IR). 

Durchschnittlich 

Nun gibt es immer wieder Lettinnen und Letten, die in den sozialen Netzwerken Fotos von aus lettischer Sicht "unglaublich billigen" Produkten in Schweden, Irland oder Deutschland posten. Auch hier versuchen Ökonomen wieder mit "Durchschnittlichem" zu beruhigen: den Statistiken von "Eurostat", dem Statistische Amt der Europäischen Union zufolge, liegen Lettland und Estland nur wenig über dem europaweiten Durchschnitt des Preisniveaus, Litauen knapp darunter - am teuersten sind Lebensmittel in Norwegen, Dänemark, Island, Luxemburg und der Schweiz, während es in Polen, Tschechien, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei sehr günstig ausfällt. Vergleicht man einzelne Warengruppen unter den Lebensmitteln, liegt Estland bei Fisch sehr günstig, Lettland und Litauen aber bei Fleisch. 

Allerdings: auch das "Bundesinformationszentrum Landwirtschaft" weiß: Deutsche geben vergleichsweise wenig für Lebensmittel aus: nur 11,1% ihres verfügbaren Einkommens.

Einer Umfrage von "IPF Digital" zufolge bestätigen 40% aller Estinnen und Esten sich wegen der steigenden Preise einschränken zu müssen - in Lettland sagten das 35%, in Litauen 32%. Nur 5% aller Befragten in Lettland meinten, das sie die steigenden Preise überhaupt nicht beeinträchtigen (Estland 3%, Litauen 8%). ("IR")

Buchweizen, Nudeln und Co.

"In Lettland greifen die Käufer besonders bei Getreide und Nudeln zu den preisgünstigsten Produkten", meint Ökonom Oļegs Krasnopjorovs, "wenn man das Kilogramm Nudeln für 1 Euro kaufen kann, dann greift selten jemand zu den Produktalternativen für bis zu 8 Euro". Aber hat das zur Folge, dass dann absichtlich die Sonderangebote eher bei anderen Produkte angeboten werden? Gehört das zum lettischen "Marketing-Alltag"? "In Lettland herrscht unzureichender Wettbewerb, und die beiden größten Einzelhandelsketten halten die Preise für die günstigsten Endprodukte hoch", folgert Krasnopjorovs. (IR) Dem lettischen Wirtschaftsministerium zufolge wird an einem Internet-Tool gearbeitet, das Preisvergleiche online vereinfachen soll. 

Dem bereits erwähnten Memorandum zufolge müsste dann jeder lettische Supermarkt mindestens ein sehr günstiges Produkt aus diesen Bereichen anbieten: Brot, Milchprodukte, Gemüse, Obst, Fleisch, Fisch, Mehl und Getreideprodukte, Eier, Pflanzenöl. Da diese Angebote ständig wechseln sollen, wäre ein mögliches Ergebnis: wer verschiedene Läden in Reichweite zur Auswahl hat, kann öfter mal reinschauen. Resultat vielleicht: mehr laufen, weniger kaufen. 

14. September 2025

Abends ohne

Seit August 2025 gilt in Lettland eine neue Regelung für den Verkauf von Alkohol. Das lettische Gesundheitsministerium (VM) betont, dass neue zeitliche Beschränkungen ein wirksames Mittel zur Eindämmung des Alkoholkonsums seien. An Werktagen ist jetzt der Verkauf von alkoholhaltigen Getränken ab 20 Uhr verboten, sonntags bereits ab 18 Uhr (Alkoholverkauf nachts ist schon seit 2002 verboten). 

Schon wenige Tage nach Einführung der neuen Regelung startete eine Unterschriftensammlung auf dem Portal "Meine Stimme" ("manabalss") zur Aufhebung der neuen Bestimmungen. Aber: gleichzeitig sind dort auch Initiativen zu finden, Alkohol nur an Menschen ab 21 Jahren zu verkaufen, und auch einen Aufruf zum Verbot aller Alkoholwerbung in der Öffentlichkeit. Die Parlamentabgeordnete und Ex-Gesundheitsministerin  Ingrīda Circene („Jaunā Vienotība“) wies darauf hin, dass sich die Saeima im Herbst erneut mit diesem Thema befassen und noch strengere Vorschriften einführen könnte (lsm). Ein umstrittenes Thema?

Der Geist aus der Flasche 

Auch Sozialanthropologin Aivita Putniņa hält das Thema für "sehr sensitiv". Es gäbe in Lettland eine starke Lobby für den Alkoholverkauf, meint sie (lsm) In Lettland liegt der Alkoholkonsum pro Einwohner/in, einschließlich der Tourist/innen allerdings, bei statistisch über 12 Litern pro Person, wobei dies besonders durch einen großen Anteil an Spirituosen erreicht wird. Pēteris Apinis, Arzt, Ex-Gesundheitsminister und langjähriger Vorsitzender der lettischen Ärztvereinigung weist auf mehrere Misstände in Lettland hin: wenn das Sozialamt sich in zunehmender Zahl um Kinder kümmern müsse, deren Eltern nicht mehr dazu in der Lage seien, dann sei in 90% der Fälle Alkoholkonsum der Grund (delfi). Und auch bei den Todesfällen durch Ertrinken sei zu 60-80% Alkohol im Spiel (arstubiedriba / SPKC)

Seit 2020 läuft ein Projekt der Weltgesundheitsorganisation WHO mit speziellem Fokus auf die drei baltischen Staaten; hiermit sollen die gesundheitlichen Auswirkungen von Alkoholkonsum (u.a. geringere Lebenserwartung) untersucht werden. Auch hier ist von "eingeschränkter Zugänglichkeit" die Rede. Und davon, dass es in Litauen gelang, den Konsum von Alkohol etwas zu verringern - nun liegt Lettland an der europäischen Spitze (lsm)

siehe auch: SPKC

Gewohnheiten 

Sind schon Auswirkungen der neuen Regeln zu erkennen? Liegt es jetzt vielleicht nahe, Wodka, Branntwein und Konsorten einfach online im Internet zu kaufen? "Superalko" liefert per Kurier fünf Tage die Woche, montags bis freitags. "Alcoma" nimmt nur bis 17 Uhr Aufträge an, liefert aber bis 22 Uhr aus und liefert ab Bestellwert von 30 Euro kostenfrei.
"Drinksdrinks" sichert zu, abends auch noch bis 19:30 Uhr zu liefern, allerdings nur an Kunden mit Mindestalter 20 Jahre. Die "Vynoteka" allerdings macht ihre Läden nur noch bis 17 Uhr auf, während auf der Webseite von "Alkolats" immer noch Öffnungszeiten bis 22 Uhr angekündigt sind. 

Das Wetter und die Hamster 

In den großen Supermärkten sei der Verkauf von Alkohol nur leicht zurückgegangen, berichten Vertreterinnen der Ladenketten "Rimi", "Elvi" und "Maxima" im lettischen Fernsehen (lsm). Vermutet wird aber auch, dass der relativ kühle Sommer den Getränkekonsum nicht gerade gefördert hat. Ein Vergleich mit dem August des vergangenen Jahres habe ergeben, dass der Verkauf von nichtalkoholischen Geränken tatsächlich um 24% gestiegen sei. Allerdings sei auch zu beobachten, dass Kunden nun offenbar "Vorräte" anlegen, und dadurch auch der Verkauf von Alkohol im August in manchen Läden sogar leicht gestiegen sei. 

Arzt Pēteris Apinis jedenfalls gehen die Änderungen beim Alkoholverkauf nicht weit genug - er hält auch eine Angleichung der Besteuerung mit den Nachbarländern, einschließlich Polen und Finnland für nötig. Und auch der Verkauf an Tankstellen sollte (wie es auch in Litauen der Fall ist) ganz untersagt werden (delfi).

Landleben und Landläden 

"Auf dem Lande sind die Verhältnisse für die Ladenbesitzer anders," berichtet  Raimonds Okmanis, Vorsitzender und Miteigentümer eines Netzwerks kleinerer Läden, die unter dem Label "LaTS" als GmbH betrieben werden. 270 kleinere Unternehmen mit über 700 Läden haben sich hier zwecks gemeinsamem Marketing und durchaus auch Kostenersparnis zusammengeschlossen - die meisten dieser Läden befinden sich in Lettland auf dem Lande. Täglich würden in solchen Geschäften 120 bis 200 Einkäufe getätigt, jeder im Durchschnitt im Wert von acht Euro, und ein Drittel des Umsatzes entfalle auf den Verkauf von Alkohol, erzählt Okmanis. "Von allen, die Alkohol kaufen, tätigen 40 % ihre Einkäufe direkt am Abend nach 18 Uhr, und das sind dann meist Männer, wenn sie aus der Stadt von der Arbeit nach Hause kommen". Bei verkürzten Verkaufszeiten würden diese dann ihren Einkauf wohl schon in der Stadt erledigen, vermutet Okmanis. Und noch etwas: "Nutznießer werden dann wohl die Tankstellen sein", meint er. (IR)

Das lettische Gesundheitsministerium beabsichtigt, bis zum 31. Oktober 2026 die Auswirkungen der neuen Beschränkungen zu evaluieren und dem Parlament zu berichten.

1. September 2025

Russischer Transfer

Neueste Statistiken sagen aus, dass 300.085 in Lettland lebende ethnische Russinnen und Russen (69,1%) auch die lettische Staatsbürgerschaft besitzen. Weitere 165.871 Menschen, nicht nur Russen, sind registrierte Einwohner/innen Lettlands, haben aber den Pass als Nicht-Staatsbürger/in (8,9% aller Einwohner/innen). 
Im Jahr 2024 gab es nur noch 934 Neugeborene mit russischer Staatsbürgerschaft in Lettland - wenn die Eltern unbedingt darauf bestehen, ist es noch möglich, aber die Annahme einer lettischen Staatsbürgerschaft zu verweigern ist inzwischen die absolute Ausnahme. (Statistikamt Lettland)

Gemäß dem Statistikamt gibt es 30.906 Personen in Lettland mit Staatsbürgerschaft Russlands. Die staatliche lettische Sozialversicherungsanstalt (Valsts sociālās apdrošināšanas aģentūra VSAA) hat vom russischen Renten- und Sozialversicherungsfonds die aktualisierten Listen der Rentenempfänger/innen für die Auszahlung russischer Renten an 9400 in Lettland lebende Personen erhalten, und gemäß diesen Listen werden die Renten bis zum 10. September ausgezahlt, teilte SSSA-Pressesprecherin Iveta Daine mit. (jauns)

Der Wechselkurs für russische Renten ist der von russischer Seite am 22. August festgelegte Kurs von 93,50490 Rubel pro Euro. Der Gesamtbetrag für die Zahlung der russischen Renten beläuft sich auf 12.995.587 Euro. Die VSAA zahlt russische Renten an Personen mit Wohnsitz in Lettland, denen Renten gemäß dem Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich der sozialen Sicherheit zwischen der Republik Lettland und der Russischen Föderation gewährt wurden. Das Abkommen ist seit dem 19. Januar 2011 in Kraft. (VSAA)

In den vergangenen Monaten hatten sich Menschen mit russischer Staatsbürgerschaft an lettische Behörden um Hilfe gewandt, denn sie hatten mehrere Monate lang keine Rentenzahlungen aus Russland bekommen. In Riga bekamen 104 Personen Unterstützung durch lettische Stellen, in Liepāja 90, und in Daugavpils waren es 30. Seit März hatten lettische Behörden in Kontakt mit Russland versucht, Gründe für die Verzögerungen zu erfahren. Russland hatte zunächst behauptet, dass dies wegen der europäischen Sanktionen gegen Russland geschehe. Allerdings waren die Zahlungen auch zuvor über eine österreichische Bank abgewickelt worden, die nicht von Sanktionen betroffen war (lsm).