31. Juli 2025

Bingo auf dem Lande

Ob in Lettland eigentlich das traditonelle Bingo gespielt wird, ist in diesem Fall vielleicht Nebensache. Aber eine ganz neue Aktion wurde jetzt 2025 zum ersten Mal durchgeführt: Erbsen-Bingo! 

Wie funktioniert das? Goldstücke oder Perlen in Erbsenschoten?  Immerhin: es geht tatsächlich um die Ernte von Erbsen. 

Ernte mit Lächeln 

"Fahr zu einem unserer Ernteplätze, nimm einen Korb mit, und plücke Dir so viel Du essen kannst" - das war bis zum 31. Juli das Angebot lettischer Landwirte. 

"Die Zeit, in der die Erbsen grün, saftig, süß und voller Sommeraroma sind, dauert etwa eine Woche", erläutert Valters Zelčs, Vorsitzender des lettischen Vereins "für nachhaltige Landwirtschaft und ländliche Umwelt" ("Apvienība par ilgtspējīgu lauksaimniecību un lauku vidi"). Die Kampagne "Tausche Erbsen gegen ein Lächeln" sei aber nicht nur Gelegenheit, Produkte der lettischen Landwirte kostenlos zu genießen. Auch das Bewusstsein für die Bedeutung einer nachhaltigen und gesunden Lebensmittelproduktion in Lettland solle geschärft werden. "Erbsen sind eine wertvolle Kultur in der Fruchtfolge und binden durch ihre Eigenschaften atmosphärischen Stickstoff im Boden, wodurch der Bedarf an Stickstoffdünger entfällt", so die Aktivist/innen des Vereins. (LVportal)

Vorzugsweise Erbsen-Selfie 

Über eine Internetseite, oder per Facebook und Instagram konnten die insgesamt fünf Ernteplätze ausfindig gemacht werden. Um an der Verlosung von Preisen teilnehmen zu können, sollten die glücklichen "Erntehelfer" ein Foto von sich selbst mit dem vollen Erbsenkorb posten. Allerdings gab es auch Regeln: nicht weiter als 20m in das Feld hineingehen (also nicht alles zertrampeln, nur vom Rand ernten), und nicht mehr als zum eigenen persönlichen Verbrauch nötig mitnehmen. Natürlich auch keinen Müll auf dem Feld hinterlassen. 

Und, hat das funktioniert? "Wir hatten vielleicht mit ein paar Hundert Menschen gerechnet, die teilnehmen," erzählt Valters Zelčs, "aber es wurden Tausende, wenn nicht sogar Zehntausend. Und es gibt unglaublich viele Reaktionen in den sozialen Netzwerken und Dankschreiben". (lsm / Youtube)

glückliche Erbsenkollekte
Hat es auch Probleme gegeben? Meistens seien die Leute umsichtig und verständig gewesen; in einem Fall hätte die Menschen begonnen, auch auf einem Nachbarfeld zu ernten, das gar nicht dazu gehörte - das habe man aber stoppen können. Juris Sirko, der sein Erbsenfeld in Sigulda für die Aktion zur Verfügung stellte erzählt, bis zu 30 Autos seien an seinem Feld gestanden. Aber in der Regel seien die Menschen höflich und freundlich gewesen, und er habe sich sogar mit ihnen über die Praxis der Arbeite auf dem Lande unterhalten können. "Mir hat es Spaß gemacht. Als ich neulich abends mit meinem Hund spazieren ging, kam ein kleiner Kerl angerannt und bedankte sich für die leckeren Erbsen. Die Leute sind immer lächelnd und entgegenkommend", so der Erbsenbauer.

Fortsetzung folgt - nächstes Jahr

"Vielleicht müssen wir die Felder, wo es erlaubt ist zu ernten, noch etwas genauer beschreiben," so das Resumee. Schließlich sei die Aktion dieses Jahr zum ersten Mal gelaufen. Es hätten aber bereits weitere Landwirte Interesse gezeigt, im nächsten Jahr mitzumachen (lsm

 

 

 

10. Juli 2025

Šī taka - dieser Weg

Der Mensch fragt sich vielleicht oft in seinem Leben: ist dieser Weg, den ich gehe, der richtige? Manchmal sind keine breiten Straßen vorhanden, nur schmale Pfade. Aber für Andris Vjaks und drei Generationen seiner Familie ist "šī taka" nicht einfach ein Weg, sondern auch eine Lebensart. In diesem Fall ist "Shitake" gemeint, der Pilz, der vor allem in Japan und China schon seit langem bekannt ist. In Ostasien gilt Shitake als der am meisten kultiviert (gezüchtete) Pilz überhaupt. 

Im Internet präsentieren verschiedene Anbieter kleine Portionen Shitake zum Selbstzüchten. Aber statt es sich zum Hobby zu machen, hat Familie Vjaks auf ihrem Hof  "Garīkas", zwischen Skrunda und Kazdanga gelegen, ganz "pilztauglich" eingerichtet - als erster Betrieb in Lettland, wo sich alles um Shitake dreht. Gleich neben einer alten Lindenallee wird der Pilz hier auf Holzstämmen gezüchtet - das Ergebnis sei auf diese Art bis zu 8x wertvoller und geschmacklich anders als bei auf Substrat angebauten Pilzen. Zu beachten: auch von Shitaki gibt es viele unterschiedliche Pilzarten. 

Pilzernte auf "Garīkas"

Immer nur mit Rinde 

"Wir haben versucht, den Anbauprozess zu vereinfachen und zu mechanisieren", erzählt Gustavs Riekstiņš, einer der jüngeren Familienmitglieder auf "Garīkas", in einem Interview für die Zeitschrift "IR". "Es ist unter anderem wichtig, dass die Rinde nicht vom Baum abfällt. Ohne Rinde gibts keine Pilze." 

Das Frühjahr 2025 verlief für die Shitake-Züchter in Lettland etwas anders: erst sehr viel Regen, dann eine Woche Wärme, und dann wieder Temperaturrückgang führte im Ergebnis dazu, dass Shitake-Pilze schon im April geerntet werden konnten - zwei Monate früher als sonst. Außer auf "Garīkas" gibt es in Lettland noch zwei weitere Betriebe in Aloja und Eleja, die Shitake in größeren Mengen anbauen (jauns / jelgava). Betriebsleiter Imants Urpens in Aloja bezieht sein Pilzmyzel aus Polen, und verwendet außer Eiche sogar Holz von Faulbaum oder Haselnuß. Auf "Garīkas" kommt das Mycel aus Österreich, und als Holzart werden auch Erlen verwendet - ähnlich wie es auch Jānis Volksons auf "Trubenieki" in Lielplatone bei Eloja praktiziert (Diena). 

Gastfreundlich 

Schon seit 30 Jahren begann Andris Vjaks auf "Garīkas" Shitake zu produzieren - seit einigen Jahren ist inzwischen auch Enkel Gustavs, nur wenig älter als 20 Jahre alt, dabei. "Er hat hier schon als kleines Kind mit am Tisch gesessen, wenn mit dem Messerchen Pilze gesäubert wurden", verrät Oma Valda Vjaksa. ("IR") Inzwischen bietet sich der Hof auch als Gästehaus an, inklusive Verkostung von Shitake-Pilzsuppe und -soße. Und wer später online mal etwas (nach-)bestellen möchte, der findet getrocknete Shitake oder Pilzpulver im Angebot.  

Was die Barone zurückließen 

Das Gelände des "Garīkas"-Hofes gehörte bis 1939 zum Besitz des Barons von Firks. Sein Sohn, der bei der Umsiedlung der Deutschbalten 1939 18 Jahre alt gewesen sein soll, habe versucht den Hof als Eigentum zurückzubekommen, heißt es.  Aber zum einen hatte Andris Vjaks bis 1949, als das Gelände dann zur Sovchose gemacht wurde, schon Anzahlungen zum Erwerb geleistet. Und zum anderen hätte eben die Familie von Firks, ebenso wie viele andere Deutschbalten, sowohl eine Kompensation vom lettischen Staat erhalten, wie auch unterschrieben keine weiteren Eigentumsansprüche an Lettland zu haben. ("IR")

Damit die Shitake-Pilze wachsen, werden zunächst Löcher in die Holstämme gebohrt, und dann dort mit Myzel infizierte Holzstifte hineingesteckt. Fast zwei Jahre lang müssen die Holzstämme in Ruhe gelassen - aber ständig feucht gehalten werden - bis geerntet werden kann. 

Bisher arbeiten auf "Garīkas" nur Familienmitglieder. Wenn zu Mittsommer alle auch mit ihren Kindern kommen, können da schon mal mehr als 20 Menschen zusammenkommen. Oma Valda verrät gerne, wie sie sich das Rezept für eine Shitake-Suppe ausgedacht hat: einerseits muss es zunächst den Geschmack der lettischen Gäste treffen (also nein, lieber keine Sojasoße dazu), andererseits entstand das Rezept nach dem Prinzip "nimm, was im eigenen Garten gerade reif ist". "Shitake-Höfe" - also durchaus spezielle Orte für den nächsten Lettland- oder Kurland-Besuch!